Stimmen Sie dem zu, dass die Medien einen neuen Tiefpunkt der Anstössigkeit erreicht haben? Reality-TV Shows, Comedy-Serien, Nachrichtenprogramme (im Internet, Fernsehen und Radio), soziale Medien und politische Debatten– sie alle scheinen immer unausstehlicher zu werden. Dann gibt es da noch die skrupellosen Prediger, die das Wohlstandsevangelium mit seinen falschen Versprechen von Gesundheit und Reichtum verkündigen. Als ich in einem Gespräch einen der Anhänger dieser falschen Botschaft fragte, warum die„Sag-es-und-du-kriegst-es-Gebete“ dieser Bewegung noch nicht die vielen Krisen dieser Welt (IS, Ebola, wirtschaftliche Krisen usw.) beendet hätten, bekam ich lediglich die Antwort, dass ich sie mit dieser Frage nerven würde. Es stimmt, dass ich manchmal etwas nervig sein kann, aber die Frage war ernst gemeint.
Eine Zeit, in der ich wirklich genervt bin, ist, wenn ich krank bin (zumindest behauptet das meine Frau Tammy). Zum Glück (für uns beide) bin ich nicht oft krank. Ein Grund dafür ist ohne Zweifel, dass Tammy für meine Gesundheit betet. Gebet hat eine positive Wirkung, das Wohlstandsevangelium jedoch verspricht fälschlicherweise, dass wenn der Glaube stark genug sei, man niemals krank würde. Ebenso behauptet es, dass wenn man krank sei (oder an etwas leide), dieses geschehe, weil man nicht genug glaube. Solche Überlegungen und Lehren sind eine Perversion des Glaubens und des wahren Evangeliums von Jesus Christus. Ein Freund erzählte mir von einer Tragödie, die geschah, als er noch sehr jung war. Er verlor zwei Schwestern bei einem Autounfall. Stellen Sie sich nur vor, wie sich sein Vater gefühlt haben muss, als ein Vertreter dieser falschen Lehre ihm sagte, dass seine beiden Mädchen deshalb gestorben seien, weil er nicht genug geglaubt hätte! Ein solch boshaftes und falsches Denken ignoriert die Realität von Jesus Christus und seiner Gnade. Jesus ist das Evangelium – er ist die Wahrheit, die uns frei macht. Im Gegensatz dazu führt das Wohlstandsevangelium eine geschäftliche Beziehung mit Gott und behauptet, dass unser Verhalten beeinflusse, inwieweit Gott uns segnet. Es fördert auch die Lüge, dass es das Ziel des irdischen Lebens sei, Leid zu vermeiden, und dass es Gottes Ziel sei, unser Vergnügen zu maximieren.
Durch das ganze Neue Testament ruft Gott sein Volk dazu auf, mit Jesus Freud und Leid zu teilen. Das Leid, von dem wir hier sprechen, ist nicht das Leid, das durch dumme Fehler oder falsche Entscheidungen entsteht oder weil wir Opfer von Umständen wurden oder es uns an Glauben mangle. Das Leid, das Jesus erfuhr und das wir in dieser gefallenen Welt ertragen sollen, ist eine Sache des Herzens. Ja, Jesus hat auch körperlich gelitten, so wie es die Evangelien bezeugen, aber das Leid, das er freiwillig ertrug, war das Resultat seiner mitfühlenden Liebe für die Menschen. Die Bibel zeugt an vielen Stellen davon:
Diese mitleidende Liebe Jesu für die Menschen zu teilen, führt oft zu Schmerz und Leid, und dieses Leid kann manchmal sehr tief sein. Solch ein Leiden zu vermeiden, heisst, es zu vermeiden, andere Menschen mit der Liebe Christi zu lieben. Solch ein Ziel würde uns zu selbstzentrierten Vergnügungssucheden machen und genau das ist es auch, was die säkulare Gesellschaft unterstützt: Verwöhn dich – du hast es dir verdient! Das Wohlstandsevangelium fügt zu dieser schlechten Idee eine Vorgehensweise hinzu, die fälschlicherweise als Glaube bezeichnet wird, wodurch Gott veranlasst werden soll, unsere hedonistischen Wünsche zu erfüllen. Diese tragische, falsche Lehre, dass wir Leid umgehen können, indem wir es in Jesu Namen streng zurechtweisen, widerspricht dem, was der Schreiber des Hebräerbriefes über die Helden des Glaubens schreibt (Hebräer 11,37-38): Diese Männer und Frauen „sind gesteinigt, zersägt, durchs Schwert getötet worden; sie sind umhergezogen in Schafpelzen und Ziegenfellen; sie haben Mangel, Bedrängnis, Misshandlung erduldet.“ Im Hebräerbrief steht nicht geschrieben, dass es ihnen an Glauben gefehlt hätte, sondern, dass sie Menschen mit einem tiefen Glauben waren – Menschen, denen die Welt nicht wert war. Obwohl sie grosses Leid erlitten, blieben sie in Wort und Tat treue ergebene Zeugen Gottes und seiner Treue.
Jesus, in der Nacht vor seinem grössten Leid, (das durch Folter und der darauffolgenden Kreuzigung verlängert wurde,) sagte zu seinen Jüngern: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe“ (Johannes 13,15). Jesus bei seinem Wort nehmend, schrieb einer seiner Jünger, Petrus, später dies: „Denn dazu seid ihr berufen, da auch Christus gelitten hat für euch und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fusstapfen“ (1. Petrus 2,21). Was heisst es eigentlich, in den Fussstapfen von Jesus nachzufolgen? Hier müssen wir vorsichtig sein, weil die Ermahnung von Petrus einerseits oft zu eng gefasst wird und oft ausschliesst, auch Jesus in seinem Leid nachzufolgen, (was Petrus hingegen explizit nennt). Andererseits wird die Ermahnung zu weit gefasst. Wir sind nicht dazu aufgerufen, jeden Aspekt des Lebens von Jesus zu imitieren. Da wir keine palästinischen Juden des ersten Jahrhunderts sind, (so wie Jesus einer war) brauchen wir auch keine Sandalen, lange Gewänder und Gebetsriemen zu tragen, um Jesus nachzufolgen. Wir verstehen ausserdem (wie der Kontext von Petrus Ermahnung andeutet,) dass Jesus, als Sohn Gottes, einzigartig war, ist und bleibt. Wind, Wellen, Dämonen, Krankheit, Brot und Fisch befolgten seine Worte, als er unfassbare Wunder tat, die seine Identität als den verheissenen Messias bestätigten. Auch wenn wir seine Nachfolger sind, haben wir nicht automatisch diese Fähigkeiten.Ja, Petrus ruft uns alle auf, Jesus auch im Leiden nachzufolgen. In 1. Petrus 2,18-25 erklärte er einer Gruppe vonChristen, die Sklaven waren, wie sieals Nachfolger von Jesus auf die ungerechte Behandlung, die sie erfuhren, reagieren sollten. Er zitiert einen Text aus Jesaja 53 (siehe auch 1. Petrus 2,22-25). Dass Jesus durch die Liebe Gottes zur Erlösung der Welt gesandt wurde, bedeutet, dass Jesus zu Unrecht litt. Er war unschuldig und blieb es auch als Reaktion auf seine ungerechtfertigte Behandlung. Er schoss nicht mit Drohungen oder Gewalt zurück. So wie es Jesaja sagt: „in dessen Mund sich kein Betrug fand“.
Jesus litt sehr, aber er litt nicht an einem fehlenden oder falschen Glauben. Im Gegenteil: aus Liebe kam er auf die Erde – der Sohn Gottes wurde Mensch. Aus dem Glauben an Gott und aus Liebe für die, für deren Erlösung er auf die Erde kam, ertrug Jesus ungerechtfertigtes Leid und verweigerte es, sogar denen, die ihn misshandelten, Leid zuzufügen – so vollkommen waren seine Liebe und sein Glaube. Wenn wir Jesus im Leid nachfolgen, weil wir andere Menschen lieben, dürfen wir uns trösten lassen, dass dies zu einem grundlegenden Teil unserer Nachfolge gehört. Beachten Sie folgende zwei Verse:
Wenn unsere Liebe und Gottes Gnade abgelehnt werden, sind wir traurig. Auch wenn eine solche Liebe kostbar ist, weil sie unser Leiden schürt, laufen wir nicht vor ihr weg und hören nicht auf, andere so zu lieben, wie Gott sie liebt. Zu Leiden, um zu lieben, heisst ein treuer Zeuge Christi zu sein. So folgen wir seinem Beispiel nach und gehen in seinen Fussstapfen.
Wenn wir mit Jesus wandeln, werden wir mit ihm gemeinsam allen Menschen mit einer mitfühlenden Liebe begegnen, das heisst, sein Leid zu teilen. Andererseits – und das ist das Paradoxe daran – trifft es auch oft zu, dass wir seine Freude teilen – seine Freude darüber, dass die gesamte Menschheit in ihm erlöst ist, dass ihr vergeben wurde und er sie in seiner verändernden Liebe und seinem Leben angenommen hat. Deshalb bedeutet es, dass man Freud und Leid gleichermassen mit ihm teilt, wenn wir ihm aktiv nachfolgen. Das ist das Wesen eines geist und bibelgeleiteten Lebens. Wir sollen keinem falschen Evangelium verfallen, das nur Freude und kein Leid verspricht. Anteil an beiden zu haben, ist Teil unseres Auftrages und essentiell für unsere innige Gemeinschaft mit unserem mitfühlenden Herrn und Retter.
von Joseph Tkach