Jenseits von Etiketten
Menschen neigen dazu, Etiketten zu verwenden, um andere zu kategorisieren. Auf einem T-Shirt stand der Text: «Ich weiss nicht, warum Richter so viel verdienen! Ich beurteile jeden umsonst!» Diese Aussage ohne alle Fakten oder Kenntnisse zu beurteilen, ist ein allgemeines menschliches Verhalten. Das kann jedoch dazu führen, dass wir komplexe Einzelpersonen auf eine vereinfachte Weise definieren und somit die Einzigartigkeit und Individualität jeder Person übersehen. Wir sind oft schnell dabei, andere zu beurteilen und ihnen Etiketten aufzudrücken. Jesus ermahnt uns, nicht voreilig über andere zu urteilen: «Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Denn wie ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welchem Mass ihr messt, wird euch zugemessen werden» (Matthäus 7,1-2).
In der Bergpredigt warnt Jesus davor, andere vorschnell zu beurteilen oder zu verurteilen. Er erinnert die Menschen daran, dass sie nach denselben Standards beurteilt werden, die sie selbst anwenden. Wenn wir eine Person nicht als Teil unserer Gruppe sehen, können wir in Versuchung geraten, ihre Weisheit, Erfahrung, Persönlichkeit, ihren Wert und ihre Fähigkeit zur Veränderung zu übersehen und sie in eine Schublade zu stecken, wann immer es uns passt.
Oft missachten wir die Menschlichkeit anderer und reduzieren sie auf Etiketten wie liberal, konservativ, radikal, Theoretiker, Praktiker, ungebildet, gebildet, Künstler, psychisch krank – ganz zu schweigen von rassischen und ethnischen Bezeichnungen. Meist tun wir dies unbewusst und ohne nachzudenken. Manchmal hegen wir jedoch bewusst negative Gefühle gegenüber anderen, basierend auf unserer Erziehung oder unserer Interpretation von Lebenserfahrungen.
Gott kennt diese menschliche Tendenz, teilt sie jedoch nicht. Im Buch Samuel schickte Gott den Propheten Samuel mit einer wichtigen Aufgabe zum Haus Isai. Einer von Isais Söhnen sollte von Samuel als nächster König Israels gesalbt werden, aber Gott sagte dem Propheten nicht, welchen Sohn er salben sollte. Isai präsentierte Samuel sieben beeindruckend gutaussehende Söhne, doch Gott lehnte sie alle ab. Schliesslich wählte Gott David, den jüngsten Sohn, der beinahe vergessen wurde und am wenigsten dem Bild entsprach, das Samuel von einem König hatte. Als Samuel die ersten sieben Söhne betrachtete, sprach Gott zu ihm:
«Aber der Herr sprach zu Samuel: Sieh nicht auf sein Aussehen oder seinen hohen Wuchs; ich habe ihn verworfen. Denn nicht so sieht der Mensch: Der Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an» (1. Samuel 16,7).
Wir neigen oft dazu, wie Samuel zu sein und den Wert einer Person anhand äusserlicher Merkmale falsch einzuschätzen. Wie Samuel können auch wir nicht in das Herz eines Menschen schauen. Die gute Nachricht ist, dass Jesus Christus das kann. Als Christen sollten wir lernen, uns auf Jesus zu verlassen und andere durch seine Augen, voller Mitgefühl, Empathie und Liebe, zu sehen.
Gesunde Beziehungen zu unseren Mitmenschen können wir nur haben, wenn wir ihre Beziehung zu Christus anerkennen. Wenn wir sie als zu ihm gehörig betrachten, streben wir danach, unsere Nächsten so zu lieben, wie Christus sie liebt: «Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe. Niemand hat grössere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde» (Johannes 15,12-13). Dies ist das neue Gebot, das Jesus seinen Jüngern beim Letzten Abendmahl gab. Jesus liebt jeden von uns. Das ist unser wichtigstes Etikett. Für ihn ist das die Identität, die uns definiert. Er beurteilt uns nicht nach einem Aspekt unseres Charakters, sondern danach, wer wir in ihm sind. Wir sind alle Gottes geliebte Kinder. Auch wenn das vielleicht kein lustiges T-Shirt ergibt, ist es die Wahrheit, nach der die Nachfolger Christi leben sollten.
von Jeff Broadnax
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