Ein verwandelnder Brief

Der Apostel Paulus schrieb vor ca. 2000 Jahren den Brief an die Gemeinde in Rom. Der Brief ist nur einige Seiten lang, weniger als 10.000 Wörter, aber seine Wirkung war tiefgreifend. Mindestens dreimal in der Geschichte der christlichen Kirche hat dieser Brief zu einem Aufruhr geführt, der die Kirche für immer zum Besseren verwandelte.

Es war zu Beginn des 15. Jahrhunderts, als ein augustinischer Mönch namens Martin Luther sein Gewissen durch ein Leben, dass er ein Leben ohne Tadel nannte, zu beruhigen versuchte. Doch obwohl er allen Ritualen und vorgeschriebenen Satzungen seiner priesterlichen Ordnung folgte, fühlte sich Luther immer noch von Gott entfremdet. Dann, als Universitätsdozent über den Römerbrief studierend fand sich Luther zu Paulus‘ Erklärung in Römer 1,17 hingezogen: Denn darin [im Evangelium] wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht: Der Gerechte wird aus Glauben leben. Die Wahrheit dieser kraftvollen Passage traf Luther ins Herz. Er schrieb:

Dort begann ich zu verstehen, dass die Gerechtigkeit Gottes diejenige ist, durch die der Gerechte durch eine Gabe Gottes lebt, nämlich die passive Gerechtigkeit, durch die uns der barmherzige Gott durch den Glauben rechtfertigt. An diesem Punkt fühlte ich, dass ich ganz und gar neu geboren war und durch offene Türen ins Paradies selbst eingetreten war. Ich denke, Sie wissen, was als Nächstes passierte. Luther konnte über diese Wiederentdeckung des reinen und einfachen Evangeliums nicht schweigen. Die Folge war die Protestantische Reformation.

Ein weiterer Aufruhr, der durch den Römerbrief verursacht wurde, erfolgte in England um 1730. Die Kirche von England ging durch schwere Zeiten. London war eine Brutstätte von Alkoholmissbrauch und leichtem Leben. Korruption war weit verbreitet, sogar in den Kirchen. Ein strenggläubiger junger anglikanischer Pastor, namens John Wesley, predigte Reue, aber seine Bemühungen zeigten wenig Wirkung. Dann wurde Wesley, nachdem er von dem Glauben einer Gruppe deutscher Christen auf einer stürmischen atlantischen Seefahrt berührt wurde, zu einem Versammlungshaus der Mährischen Brüder hingezogen. Wesley beschrieb dies so: Am Abend ging ich sehr unwillig zu einer Gesellschaft in der Aldersgate Street, wo jemand Luthers Vorwort zum Römerbrief las. Ungefähr um Viertel vor neun, während er die Verwandlung, die Gott im Herzen durch den Glauben in Christus wirkt, beschrieb, spürte ich, dass sich mein Herz seltsam erwärmte. Ich spürte, dass ich mein Heil Christus, Christus allein vertraute. Und es wurde mir eine Gewissheit geschenkt, dass er meine Sünden, sogar meine Sünden, weggenommen und mich vom Gesetz der Sünde und des Todes befreit hatte.

Erneut war der Römerbrief von instrumental wichtiger Bedeutung, um die Kirche zurück zum Glauben zu bringen, während dies die evangelikale Erweckung in Gang setzte. Ein weiterer Aufruhr, der vor nicht allzu langer Zeit stattfand, bringt uns nach Europa in das Jahr 1916. Inmitten des Blutbades des 1. Weltkrieges stellt ein junger Schweizer Pastor fest, dass seine optimistischen, liberalen Ansichten über eine christliche Welt, die sich moralischer und geistlicher Perfektion nähert, durch die alle Vorstellungskraft sprengender Metzelei an der Westfront erschüttert wurde. Karl Barth erkannte, dass die Botschaft des Evangeliums angesichts einer solch umwälzenden Krise eine neue und realistische Perspektive brauchte. In seinem Kommentar zum Römerbrief, der 1918 in Deutschland erschien, war Barth besorgt, dass die ursprüngliche Stimme des Paulus verloren geht und unter Jahrhunderten von Gelehrsamkeit und Kritik begraben wird.

In seinen Ausführungen zu Römer 1 sagte Barth, dass das Evangelium nicht ein Ding unter anderen Dingen ist, sondern ein Wort, das der Ursprung aller Dinge ist, ein Wort, das stets neu ist, eine Nachricht von Gott, die Glauben und erfordert und die, wenn sie richtig gelesen wird, den Glauben, den es voraussetzt, hervorbringt. Das Evangelium, sagte Barth, erfordert Beteiligung und Kooperation. Auf diese Weise zeigte Barth, dass das Wort Gottes für eine Welt relevant war, die durch einen globalen Krieg ramponiert und desillusioniert wurde. Einmal mehr war der Römerbrief der strahlende Stern, der den Weg aus einem dunklen Käfig zerbrochener Hoffnung zeigte. Barths Kommentar zum Römerbrief wurde passend als Bombe beschrieben, die auf das Spielfeld der Philosophen und Theologen abgeworfen wurde. Erneut wurde die Kirche durch die Botschaft des Römerbriefes verwandelt, die einen strenggläubigen Leser gefesselt hatte.

Diese Botschaft verwandelte Luther. Sie verwandelte Wesley. Sie verwandelte Barth. Und sie verändert auch heute noch viele Menschen. Durch sie verwandelt der Heilige Geist seine Leser mit Glauben und Gewissheit. Wenn Sie diese Gewissheit nicht kennen, dann bitte ich Sie dringend, den Römerbrief zu lesen und zu glauben.

von Joseph Tkach


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