Leben wir in den letzten Tagen?
Ihr wisst, dass das Evangelium gute Nachricht bedeutet. Aber betrachtet Ihr es wirklich als gute Nachricht? Wie bei so vielen von euch, wurde ich zu einem Grossteil meines Lebens gelehrt, dass wir in den letzten Tagen leben. Dies gab mir eine Weltanschauung, welche die Dinge aus einer Perspektive betrachtete, dass das Ende der Welt, wie wir sie heute kennen, in nur ein paar kurzen Jahren kommen würde. Aber wenn ich mich entsprechend verhielte würde ich vor der Grossen Trübsal verschont werden.
Dankbarerweise ist dies nicht mehr länger der Fokus meines christlichen Glaubens oder die Grundlage für meine Beziehung mit Gott. Aber wenn man etwas so lange geglaubt hat, ist es schwierig, sich davon völlig zu befreien. Diese Art Weltanschauung kann einen süchtig machen, sodass man dazu tendiert, alles, was geschieht, durch die Brille einer speziellen Interpretation von Endzeitereignissen zu sehen. Ich habe gehört, dass Menschen, die auf Endzeitprophetie fixiert sind, humorvoll als Apokaholiker bezeichnet wurden.
In Wirklichkeit ist dies aber nicht zum Lachen. Diese Art der Weltsicht kann schädlich sein. In extremen Fällen kann es Menschen dazu verleiten, alles zu verkaufen, alle Beziehungen aufzugeben und an einen einsamen Ort zu ziehen, wo man auf die Apokalypse wartet.
Die meisten von uns würden nicht so weit gehen. Aber eine Gesinnung, dass das Leben, wie wir es kennen, in der nahen Zukunft zu Ende geht, kann Menschen dazu bringen, den Schmerz und das Leiden um sie herum abzuschreiben, und zu denken: Was soll’s? Sie betrachten alles um sie herum in einer pessimistischen Weise und werden mehr zu Zuschauern und bequemen Richtern, als Beteiligte, die daran arbeiten, um die Dinge zu verbessern. Einige Prophetie-Süchtige gehen sogar so weit, dass sie sich weigern, humanitäre Hilfsaktionen zu unterstützen, weil sie glauben, dass sie sonst vielleicht die Endzeit irgendwie hinauszögern würden. Andere vernachlässigen ihre Gesundheit und die ihrer Kinder und kümmern sich nicht um ihre Finanzen, weil sie glauben, dass es für sie keine Zukunft gibt, für die man planen könnte.
Dies ist nicht der Weg, Jesus Christus nachzufolgen. Er berief uns, um Lichter in der Welt zu sein. Traurigerweise scheinen einige Lichter von Christen dem Scheinwerfer auf einem Polizeihubschrauber zu gleichen, welche die Nachbarschaft patrouillieren, um Verbrechen aufzuspüren. Jesus möchte, dass wir Lichter in dem Sinne sind, dass wir helfen, diese Welt für die Menschen um uns herum zu einem besseren Ort zu machen.
Ich möchte euch eine andere Perspektive anbieten. Warum nicht glauben, dass wir in den ersten Tagen, statt in den letzten Tagen leben?
Jesus hat uns nicht den Auftrag gegeben, Untergang und Finsternis zu verkünden. Er gab uns eine Botschaft der Hoffnung. Er trug uns auf, der Welt mitzuteilen, dass das Leben erst beginnt, statt sie abzuschreiben. Das Evangelium dreht sich um ihn, wer er ist, was er tat und was auf Grund dessen möglich ist. Als Jesu sich aus seinem Grab losriss, änderte sich alles. Er machte alle Dinge neu. In ihm hat Gott alles im Himmel und auf Erden erlöst und versöhnt (Kolosser 1,16-17).
Dieses wunderbare Szenario wird im so genannten goldenen Vers im Johannesevangelium zusammengefasst. Leider ist dieser Vers so bekannt, dass seine Kraft abgestumpft ist. Aber schaut euch diesen Vers erneut an. Verdaut ihn langsam, und lasst zu, dass die erstaunlichen Tatsachen wirklich einsinken: Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben (Johannes 3,16).
Das Evangelium ist keine Botschaft von Untergang und Verdammnis. Jesus machte dies im nächsten Vers ziemlich klar: Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern die Welt durch ihn gerettet werde (Johannes 3,17).
Gott ist darauf aus, die Welt zu retten, nicht zu vernichten. Das ist der Grund, warum das Leben Hoffnung und Freude, nicht Pessimismus und bange Vorahnung wider¬spiegeln sollte. Jesus gab uns ein neues Verständnis davon, was es bedeutet, menschlich zu sein. Weit weg davon, dass wir uns nach innen orientieren, können wir in dieser Welt produktiv und konstruktiv leben. Sofern wir die Gelegenheit haben, sollten wir jedermann Gutes tun, besonders den Glaubensgenossen (Galater 6,10). Das Leid in Dafur, die sich abzeichnenden Probleme des Klimawandels, die andauernden Feindseligkeiten im Nahen Osten und all die anderen Probleme, die näher an unserer Heimat sind, sind unsere Angelegenheit. Als Gläubige sollten wir uns umeinander kümmern und das uns Mögliche tun, um zu helfen – und nicht an der Seitenlinie sitzen und selbstgefällig von uns hinmurmeln: Wir haben es euch gesagt.
Als Jesus von den Toten auferweckt wurde, änderte sich alles – für alle Menschen – ob sie es wussten oder nicht. Unsere Aufgabe ist es, unser Bestes zu tun, damit Menschen es wissen. Bis die gegenwärtige Böse Welt ihren Lauf genommen hat, werden wir Opposition und manchmal sogar Verfolgung begegnen. Aber wir sind noch in den Anfangstagen. In Hinblick auf die Ewigkeit, die vor uns liegt, sind diese ersten zweitausend Jahre des Christentums gerade einmal ein Wimpernschlag.
Jedes Mal, wenn die Situation gefährlich wird, denken Menschen verständlicherweise, dass sie in den letzten Tagen leben. Aber die Gefahren in der Welt sind zweitausend Jahre lang gekommen und gegangen, und alle Christen, die absolut sicher waren, dass sie in der Endzeit leben, lagen falsch – jedes Mal. Gott gab uns keinen todsicheren Weg, um richtig zu liegen.
Er hat uns aber ein Evangelium der Hoffnung gegeben, ein Evangelium, das allen Menschen zu allen Zeiten bekannt gemacht werden muss. Wir sind privilegiert, in den ersten Tagen der neuen Schöpfung zu leben, die begann, als Jesus von den Toten auferstand.
von Joseph Tkach