Auf Gottes Gnade konzentriert bleiben

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Vor kurzem sah ich ein Video, das eine TV Werbesendung parodierte. In diesem Fall ging es um eine fiktive christliche Gottesdienst CD mit dem Titel „It’s All About Me“ (Alles über mich). Die CD enthielt die Lieder: „Lord I Lift My Name on High“ (Herr, ich erhebe meinen Namen zum Himmel), „I Exalt Me“ (Ich erhebe mich) und „There is None Like Me“. (Niemand ist wie ich). Seltsam? Ja, aber es veranschaulicht die traurige Wahrheit. Wir Menschen neigen dazu, uns selbst zu verehren anstatt Gott. Wie ich es letzthin erwähnte, verursacht diese Neigung einen Kurzschluss unserer geistlichen Bildung, die sich auf Vertrauen zu uns selbst richtet und nicht auf Jesus, „dem Anfänger und Vollender des Glaubens“ (Hebräer 12,2 Luther).

Durch Themen wie „Die Sünde überwinden“, „Den Armen helfen“ oder „Das Evangelium teilen“, verhelfen Prediger manchmal den Menschen unbeabsichtigt eine falsche Betrachtungsweise christlicher Lebensthemen anzunehmen. Diese Themen können hilfreich sein, aber nicht, wenn Menschen auf sich selbst fokussiert sind, anstatt auf Jesus — wer er ist, was er für uns getan hat und tut. Es ist lebensnotwendig, Menschen zu helfen, voll auf Jesus zu vertrauen, sowohl für ihre Identität, als auch für ihre Lebensberufung und ihr endgültiges Schicksal. Mit Augen, die auf Jesus gerichtet sind, werden sie erkennen, was zu geschehen hat, um Gott und der Menschheit zu dienen nicht aus eigenem Bemühen, sondern aus Gnade an dem teilzunehmen, was Jesus in seiner Übereinstimmung mit dem Vater und dem Heiligen Geist und vollkommener Menschenliebe tut.

Lassen Sie mich das an Gesprächen veranschaulichen, die ich mit zwei engagierten Christen hatte. Die erste Diskussion hatte ich mit einem Mann über seinen Kampf mit dem Geben. Lange bemühte er sich, der Kirche mehr zu geben, als er budgetiert hatte, basierend auf dem falschen Konzept, dass Geben, um grosszügig zu sein, schmerzhaft sein muss. Aber ganz gleich, wie viel er gab (und wie viel Schmerzen er dabei empfand), fühlte er sich immer noch schuldig, er könnte doch mehr geben. Während er einen Scheck für das wöchentliche Opfer ausstellte, änderte sich eines Tages, voller Dankbarkeit, seine Betrachtungsweise über das Geben. Er bemerkte, wie er sich auf die Frage konzentrierte, was seine Grosszügigkeit für andere bedeutet, und nicht, wie sie sich für ihn selber auswirkt. In dem Moment, als diese Veränderung seines Denkens geschah, sich nicht mehr schuldig zu fühlen, verwandelte sich sein Gefühl in Freude. Zum ersten Mal verstand er eine Schriftstelle, die häufig bei Opferaufnahmen zitiert wird: „So soll jeder für sich selbst entscheiden, wieviel er geben will, und zwar freiwillig und nicht, weil die anderen es tun. Denn Gott liebt den, der fröhlich und bereitwillig gibt.“ (2. Korinther 9, 7 Hoffnung für Alle). Er erkannte, Gott liebte ihn nicht weniger, als er kein fröhlicher Geber war, Gott ihn jedoch nun als Freude empfindenden Geber erlebt und liebt.

Die zweite Diskussion waren eigentlich zwei Gespräche mit einer Frau über ihr Gebetsleben. Im ersten Gespräch ging es darum, die Uhr zum Beten zu stellen, um sicher zu sein, dass sie mindestens 30 Minuten bete. Sie betonte zu meinen, in dieser Zeitspanne alle Gebetsanliegen behandeln zu können, war aber erschrocken, als sie auf die Uhr schaute, und sah, dass noch nicht einmal 10 Minuten vergangen waren. Deshalb würde sie noch mehr beten. Aber jedes Mal, wenn sie auf die Uhr schaute, würden sich die Gefühle von Schuld und Unzulänglichkeit nur noch steigern. Scherzhalber bemerkte ich, es komme mir so vor, als ob sie „die Uhr anbete.“ In unserem zweiten Gespräch erzählte sie mir, meine Bemerkung habe ihren Gebetsansatz revolutioniert (dafür bekommt Gott die Ehre — nicht ich). Offenbar brachte mein Stehgreif-Kommentar ihre Denkweise in Schwung und wenn sie betete, fing sie an, einfach nur mit Gott zu sprechen, ohne sich Gedanken zu machen, wie lange sie betete. In relativ kurzer Zeit spürte sie, tiefer mit Gott verbunden zu sein, als je zuvor.

Fokussiert auf unsere Leistung geht es im christlichen Leben (einschliesslich geistlicher Bildung, Jüngerschaft und Mission) nicht um ein „du musst“. Stattdessen geht es um die Teilnahme aus Gnade, an dem, was Jesus in uns, durch uns und um uns herum tut. Eigenes Bemühen in den Mittelpunkt zu stellen, neigt dazu, in Selbstgerechtigkeit zu enden. Einer Selbstgerechtigkeit, die sich oft mit anderen Personen vergleicht oder sie sogar verurteilt und fälschlicherweise zu dem Schluss führt, wir hätten etwas getan, um Gottes Liebe zu verdienen. Die Wahrheit des Evangeliums ist jedoch, Gott liebt alle Menschen so sehr, wie es nur der unendlich grosse Gott kann. Das bedeutet, er liebt andere genauso sehr, wie er uns liebt. Gottes Gnade beseitigt jede Einstellung „wir gegen sie“, welche sich selbst als gerecht erhöht und andere als unwürdig verurteilt.

„Aber“, mögen einige vielleicht einwenden, „was ist mit Menschen, die grosse Sünden begehen? Sicherlich liebt Gott sie nicht so sehr, wie er treue Gläubige liebt.“ Um auf diesen Einwand zu antworten, brauchen wir nur auf die Glaubenshelden in Hebräer 11,1-40 zu schauen. Diese waren keine perfekten Menschen viele von ihnen erlebten Zeiten kolossalen Scheiterns. Die Bibel berichtet von mehr Geschichten über Menschen, die Gott vom Versagen gerettet hat, als von Menschen, die ein gerechtes Leben führten. Manchmal missdeuten wir die Bibel dahingehend, als ob die Erlösten das Werk getan hätten, anstelle des Erlösers! Wenn wir nicht verstehen, dass unser Leben aus Gnade an Disziplin gewöhnt wird, nicht aus eigenen Anstrengungen, folgern wir irrtümlich, unser Ansehen bei Gott geschehe über unsere Leistung. Eugene Peterson spricht diesen Fehler in seinem hilfreichen Buch über Jüngerschaft „A Long Obedience in the Same Direction“ an.

Die Hauptrealität für Christen ist die persönliche, unabänderliche, beharrliche Verpflichtung, die Gott in uns anlegt. Beharrlichkeit ist nicht das Ergebnis unserer Entschlossenheit, sondern es ist das Ergebnis von Gottes Treue. Wir bestehen den Glaubensweg nicht, weil wir aussergewöhnliche Kräfte besitzen, sondern weil Gott gerecht ist. Christliche Jüngerschaft ist ein Prozess, der unsere Aufmerksamkeit auf Gottes Gerechtigkeit immer stärker und unsere Aufmerksamkeit auf die eigene Gerechtigkeit immer schwächer werden lässt. Wir erkennen unseren Lebenssinn nicht, indem wir unsere Gefühlslagen, Motive und moralischen Grundsätze erforschen, sondern indem wir Gottes Willen und seinen Absichten glauben. Indem wir Gottes Treue zur Geltung bringen, nicht indem wir Aufstieg und Untergang unserer göttlichen Eingebung planen.

Gott, der uns gegenüber immer treu ist, verdammt uns nicht, wenn wir ihm untreu sind. Ja, unsere Sünden bekümmern ihn sogar, weil sie uns und andere verletzen. Aber unsere Sünden entscheiden nicht darüber, ob oder wie sehr uns Gott liebt. Unser dreieiniger Gott ist perfekt, er ist die vollkommene Liebe. Da gibt es für jede Person kein geringeres oder grösseres Mass seiner Liebe. Weil Gott uns liebt, gibt er uns sein Wort und seinen Geist, um zu ermöglichen, unsere Sünden klar zu erkennen, um sie Gott gegenüber einzugestehen und dann zu bereuen. Das heisst, sich von der Sünde abzuwenden und zu Gott und seiner Gnade zurückkehren. Letztlich ist jede Sünde eine Ablehnung der Gnade. Irrtümlicherweise glauben Menschen, sie könnten sich selbst von der Sünde freisprechen. Richtig ist jedoch, ein jeder, der sich von seiner Selbstsucht lossagt, die Sünde bereut und bekennt, tut dies, weil er das gnädige und verwandelnde Werk Gottes angenommen hat. In seiner Gnade nimmt Gott jeden an, wo er gerade steht, aber er führt ihn von dort aus weiter.

Wenn wir Jesus in den Mittelpunkt stellen und nicht uns selber, dann sehen wir uns selbst und andere in der Weise, wie Jesus uns sieht, als Kinder Gottes. Das schliesst die vielen mit ein, die ihren himmlischen Vater noch nicht kennen. Weil wir mit Jesus ein Gott wohlgefälliges Leben führen, lädt er uns ein und rüstet uns zu, um an dem teilzuhaben, was er tut, diejenigen in Liebe zu erreichen, die ihn nicht kennen. Da wir mit Jesus an diesem Prozess der Versöhnung teilnehmen, sehen wir mit grösserer Klarheit, was Gott tut, um seine geliebten Kinder zu bewegen, sich ihm in Reue zuzuwenden, ihnen zu helfen, ihr Leben vollständig in seine Obhut zu legen. Weil wir mit Jesus an diesem Dienst der Versöhnung teilhaben, erfahren wir viel deutlicher, was Paulus meinte, als er sagte, dass das Gesetz verurteilt, die Gnade Gottes aber das Leben gibt (siehe Apostelgeschichte 13,39 und Römer 5,17-20). Deshalb ist es grundlegend wichtig zu verstehen, unser gesamter Dienst, einschliesslich unserer Lehre über das christliche Leben, mit Jesus, wird getan in der Kraft des Heiligen Geistes, unter dem Schirm von Gottes Gnade.

Ich bleibe auf Gottes Gnade eingestellt.

Joseph Tkach
Präsident GRACE COMMUNION INTERNATIONAL


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