Im Römerbrief schreibt Paulus: «Die Liebe fügt dem Nächsten nichts Böses zu; so ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung» (Römer 13,10 Zürcher Bibel). Wir neigen von Natur aus dazu, die Aussage «die Liebe erfüllt das Gesetz» umzudrehen und zu sagen: «Das Gesetz erfüllt die Liebe». Besonders bei Beziehungen möchten wir wissen, woran wir sind. Wir möchten klarsehen oder einen Massstab anlegen, wie wir zu den anderen stehen und sie lieben sollen. Das Gesetz gibt mir den Massstab, wie ich die Liebe erfülle und es ist wesentlich leichter zu messen, als wenn die Liebe der Weg zur Erfüllung des Gesetzes ist.
Das Problem mit dieser Argumentation ist, dass eine Person das Gesetz halten kann, ohne zu lieben. Man kann aber nicht lieben, ohne dadurch das Gesetz zu erfüllen. Das Gesetz gibt Anweisung, wie sich eine Person, die liebt, verhalten wird. Der Unterschied zwischen dem Gesetz und der Liebe besteht darin, dass Liebe aus dem Innern heraus wirkt, eine Person wird von innen her verändert. Das Gesetz dagegen wirkt nur auf das Äussere, auf das äussere Verhalten.
Das liegt daran, weil Liebe und Gesetz sehr unterschiedliche Leitgedanken haben. Eine Person, die sich durch die Liebe leiten lässt, braucht keine Anweisung, wie sie sich liebevoll verhalten soll, aber eine vom Gesetz geleitete Person benötigt dies. Wir befürchten, dass wir ohne starke Leitgedanken, wie etwa das Gesetz, das uns zum richtigen Verhalten nötigt, uns wahrscheinlich nicht entsprechend verhalten. Wahre Liebe ist aber nicht an Bedingungen geknüpft, denn sie kann nicht genötigt oder erzwungen werden. Sie wird ungezwungen gegeben und frei empfangen, sonst ist es nicht Liebe. Es mag womöglich freundliche Annahme oder Anerkennung sein, aber nicht Liebe, denn Liebe stellt keine Bedingungen. Annahme und Anerkennung sind meistens mit Bedingungen behaftet und werden oft mit Liebe verwechselt.
Das ist der Grund, weshalb unsere sogenannte «Liebe» so leicht überfordert wird, wenn die Menschen, die wir lieben, hinter unseren Erwartungen und Forderungen zurückbleiben. Diese Art Liebe ist leider bloss Anerkennung, die wir je nach Verhalten geben oder zurückhalten. Viele von uns sind von Nächsten, unseren Eltern, Lehrern und Vorgesetzten auf diese Weise behandelt worden und oft behandeln wir gedankenverloren auch unsere Kinder und Mitmenschen so.
Vielleicht fühlen wir uns gerade deswegen mit dem Gedanken so unbequem, der Glaube Christi in uns, habe das Gesetz verdrängt. Wir möchten andere mit etwas messen. Wir sind aber aus Gnade gerettet durch Glauben und benötigen keinen Massstab mehr. Wenn Gott uns trotz unserer Sünden liebt, wie können wir unsere Mitmenschen dann so gering einschätzen und ihnen die Liebe verweigern, wenn sie sich nicht nach unseren Vorstellungen verhalten?
Der Apostel Paulus erklärt dies den Ephesern in folgender Weise: «Es ist tatsächlich reine Gnade, dass ihr gerettet seid. Ihr selbst könnt nichts dazu tun, als im Vertrauen anzunehmen, was Gott euch schenkt. Ihr habt es nicht durch irgendein Tun verdient; denn Gott will nicht, dass sich jemand vor ihm auf seine eigenen Leistungen berufen kann» (Epheser 2, 8-9 GN).
Die gute Nachricht ist, dass Sie nur aus Gnade durch Glauben gerettet sind. Dafür können Sie sehr dankbar sein, denn niemand ausser Jesus hat das Mass für das Heil erreicht. Danken Sie Gott für seine bedingungslose Liebe, durch die er Sie erlöst und in das Wesen Christi umformt!
von Joseph Tkach