Der Erste soll der Letzte sein!
Wenn wir die Bibel lesen, haben wir Mühe, alles zu verstehen, was Jesus gesagt hat. Eine Aussage, die immer wieder vorkommt, ist im Evangelium von Matthäus zu lesen: „Aber viele, die die Ersten sind, werden die Letzten und die Letzten werden die Ersten sein“ (Matthäus 19,30).
Jesus versucht scheinbar immer wieder, die Ordnung der Gesellschaft zu stören, den Status quo aufzuheben und macht umstrittene Aussagen. Die Juden des ersten Jahrhunderts in Palästina waren mit der Bibel sehr vertraut. Die Möchtegern-Schüler kamen von den Begegnungen mit Jesus verwirrt und aufgebracht zurück. Irgendwie passten die Worte Jesu für sie nicht zusammen. Die Rabbiner dieser Zeit waren sehr angesehen wegen ihres Reichtums, welcher als Segen von Gott betrachtet wurde. Diese gehörten zu den „Ersten“ auf der sozialen und religiösen Leiter.
Bei einer anderen Gelegenheit sagte Jesus seinen Zuhörern: „Da wird Heulen und Zähneknirschen sein, wenn ihr Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes seht, euch selbst aber hinausgestossen! Und sie werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, und zu Tisch sitzen im Reich Gottes. Und siehe, es sind Letzte, die werden Erste sein; und es sind Erste, die werden Letzte sein“ (Lukas 13, 28-30 Schlachter Bibel).
Maria, Jesu Mutter, sagte vom Heiligen Geist inspiriert zu ihrer Cousine Elisabeth: „Mit starkem Arm hat er seine Macht bewiesen; er hat die in alle Winde zerstreut, deren Gesinnung stolz und hochmütig ist. Er hat die Mächtigen vom Thron gestürzt und die Geringen emporgehoben“ (Lukas 1,51-52 Neue Genfer Übersetzung). Vielleicht gibt es hier einen Hinweis darauf, dass Stolz auf der Sündenliste steht und Gott ein Gräuel ist (Sprüche 6,16-19).
Im ersten Jahrhundert der Kirche bestätigt der Apostel Paulus diese umgekehrte Reihenfolge. In sozialer, politischer und religiöser Hinsicht gehörte Paulus zu den „Ersten“. Er war ein römischer Bürger mit dem Privileg einer beeindruckenden Abstammung. „Der ich am achten Tag beschnitten bin, aus dem Volk Israel, vom Stamm Benjamin, ein Hebräer von Hebräern, nach dem Gesetz ein Pharisäer“ (Philipper 3,5).
Paulus wurde zu einer Zeit in den Dienst Christi berufen, als die anderen Apostel bereits erfahrene Prediger waren. Er schreibt an die Korinther und zitiert den Propheten Jesaja: „Ich will zunichtemachen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen ... Sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist (1. Korinther 1,19 und 27).
Paulus sagt denselben Leuten, der auferstandene Christus erschien ihm, „als einer unzeitigen Geburt“ zuletzt, nachdem er Petrus, 500 Brüdern bei einer anderen Gelegenheit, dann Jakobus und allen Aposteln erschien. Ein weiterer Hinweis? Die Schwachen und Törichten werden die Weisen und Starken beschämen?
Gott griff öfters direkt in den Lauf der Geschichte Israels ein und kehrte die erwartete Reihenfolge um. Esau war der Erstgeborene, aber Jakob erbte das Erstgeburtsrecht. Ismael war Abrahams erstgeborener Sohn, aber das Erstgeburtsrecht wurde Isaak gegeben. Als Jakob die zwei Söhne Josephs segnete, legte er seine Hände auf den jüngeren Sohn Ephraim und nicht auf Manasse. Israels erster König Saul versäumte es dadurch, Gott zu gehorchen, wie er das Volk regierte. Gott wählte David, einen der Söhne Isais. David hütete draussen auf den Feldern die Schafe und musste herbeigerufen werden, um an seiner Salbung teilzunehmen. Als der Jüngste galt er nicht als würdiger Kandidat für diese Position. Auch hier wurde ein „Mann nach Gottes eigenem Herzen“ vor allen anderen wichtigeren Brüdern gewählt.
Jesus hatte viel zu sagen über die Gesetzeslehrer und die Pharisäer. Fast das gesamte Kapitel 23 des Matthäus-Evangeliums richtet sich an sie. Sie liebten die besten Sitze in der Synagoge, sie freuten sich, auf den Marktplätzen gegrüsst zu werden, die Männer nannten sie Rabbi. Alles taten sie für die öffentliche Zustimmung. Bald sollte sich eine bedeutende Veränderung ergeben. „Jerusalem, Jerusalem … Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt! Euer Haus soll euch wüst gelassen werden“ (Matthäus 23,37-38).
Was heisst es: „Er hat die Mächtigen vom Thron gestürzt und die Geringen emporgehoben?“ Was auch immer wir für Segnungen und Geschenke von Gott erhalten haben, gibt es keinen Grund, uns selber zu rühmen! Der Stolz markierte den Beginn des Untergangs Satans und ist für uns Menschen tödlich. Sobald er uns in den Griff bekommt, verändert es unsere gesamte Sichtweise und Gesinnung.
Die Pharisäer, die ihm zuhörten, beschuldigten Jesus, Dämonen im Namen von Beelzebub, dem Dämonenfürsten, auszutreiben. Jesus macht eine interessante Aussage: „Und wer etwas redet gegen den Menschensohn, dem wird es vergeben; aber wer etwas redet gegen den Heiligen Geist, dem wird‘s nicht vergeben, weder in dieser noch in der künftigen Welt“ (Matthäus 12,32).
Dies sieht wie ein endgültiges Urteil gegen die Pharisäer aus. Sie waren Zeugen von so vielen Wundern. Sie wandten sich von Jesus ab, obwohl er wahrhaftig und wundersam war. Als eine Art letzter Ausweg baten sie ihn um ein Zeichen. War das die Sünde gegen den Heiligen Geist? Ist Vergebung für sie noch möglich? Trotz ihres Stolzes und ihrer Hartherzigkeit liebt sie Jesus und möchte, dass sie zur Umkehr kommen.
Wie immer gab es Ausnahmen. Nikodemus kam in der Nacht zu Jesus, wollte mehr verstehen, fürchtete sich aber vor dem Sanhedrin, dem Hohen Rat (Johannes 3,1). Später begleitete er Joseph von Arimithea, als er Jesu Leichnam in das Grab legte. Gamaliel warnte die Pharisäer davor, sich gegen die Predigt der Apostel zu stellen (Apostelgeschichte 5,34).
Aus dem Königreich ausgeschlossen?
In Offenbarung 20,11 lesen wir von einem Gericht vor einem Grossen Weissen Thron, wobei Jesus den „Rest der Toten“ beurteilt. Könnte es sein, dass diese prominenten Lehrer Israels, die „Ersten“ ihrer damaligen Gesellschaft, endlich Jesus, den sie gekreuzigt haben, sehen können, wer er wirklich war? Dies ist weitaus ein besseres „Zeichen“!
Gleichzeitig sind sie selbst vom Königreich ausgeschlossen. Sie sehen diejenigen Menschen aus dem Osten und aus dem Westen, auf welche sie herabgesehen haben. Menschen, die nie den Vorteil hatten, die Schrift zu kennen, sitzen jetzt zu Tische am grossen Fest im Reich Gottes (Lukas 13,29). Was könnte erniedrigender sein?
Es gibt das berühmte „Feld der Totengebeine“ in Hesekiel 37. Gott gibt dem Propheten eine erschreckende Vision. Die trockenen Knochen sammeln sich mit einem „rasselnden Geräusch“ und werden zu Menschen. Gott sagt dem Propheten, dass diese Knochen das ganze Haus Israels sind (einschliesslich der Pharisäer).
Sie sagen: „Du Menschenkind, diese Gebeine sind das ganze Haus Israel. Siehe, jetzt sprechen sie: Unsere Gebeine sind verdorrt, und unsere Hoffnung ist verloren, und es ist aus mit uns“ (Hesekiel 37,11). Aber Gott sagt: „Siehe, ich will eure Gräber auftun und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf und bringe euch ins Land Israels. Und ihr sollt erfahren, dass ich der Herr bin, wenn ich eure Gräber öffne und euch, mein Volk, aus euren Gräbern heraufhole. Und ich will meinen Odem in euch geben, dass ihr wieder leben sollt, und will euch in euer Land setzen, und ihr sollt erfahren, dass ich der Herr bin“ (Hesekiel 37,12-14).
Warum setzt Gott viele, welche die Ersten sind, zu den Letzten und warum werden die Letzten die Ersten? Wir wissen, Gott liebt jeden - den Ersten, wie die Letzten und alle, die dazwischen sind. Er wünscht eine Beziehung mit uns allen. Das unschätzbare Geschenk der Umkehr kann nur jenen gegeben werden, die demütig Gottes wunderbare Gnade und seinen perfekten Willen annehmen.
von Hilary Jacobs