«Das Gericht kommt! Das Gericht kommt! Bereut jetzt, oder ihr werdet in die Hölle kommen». Vielleicht haben sie schon von schreienden Evangelisten, solche oder ähnliche Worte gehört. Ihre Absicht ist: Die Zuhörer durch Angst in eine Verpflichtung zu Jesus zu führen. Solche Worte verdrehen das Evangelium. Vielleicht ist dies dann nicht so weit entfernt vom Bild des «ewigen Gerichts», an das viele Christen über die Jahrhunderte hinweg mit Schrecken glaubten, besonders im Mittelalter. Sie können Skulpturen und Gemälde finden, welche die Gerechten darstellen, die schwebend in den Himmel auffahren, um Christus zu begegnen, und die Ungerechten, die von grausamen Dämonen in die Hölle gezerrt werden. Das Jüngste Gericht ist jedoch ein Teil der Lehre von den «letzten Dingen». – Diese verheissen die Rückkehr Jesu Christi, die Auferstehung der Gerechten und der Ungerechten, das Ende der gegenwärtigen bösen Welt, die durch das herrliche Reich Gottes ersetzt werden wird.
Die Geschichte beginnt vor der Schöpfung unserer Welt. Gott ist Vater, Sohn und Geist in Gemeinschaft, lebend in ewiger, bedingungsloser Liebe und des Gebens. Unsere Sünde überraschte Gott nicht. Noch bevor Gott die Menschheit schuf, wusste er, dass der Sohn Gottes für die Sünden der Menschen sterben würde. Er wusste im Voraus, dass wir scheitern würden, aber er schuf uns, weil er bereits eine Lösung für das Problem kannte. Gott schuf die Menschheit nach seinem eigenen Bild: «Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau» (1. Mose 1,26-27).
Als Ebenbild Gottes wurden wir geschaffen, um Liebesbeziehungen zu haben, die die Liebe widerspiegeln, die Gott in der Dreieinigkeit hat. Gott möchte, dass wir in Liebe miteinander umgehen und auch in einer Liebesbeziehung mit Gott leben. Die Vision als göttliche Verheissung, ausgedrückt am Ende der Bibel, ist, dass Gott mit seinem Volk leben wird: «Ich hörte eine grosse Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein» (Offenbarung 21,3).
Gott hat die Menschen geschaffen, weil er seine ewige und bedingungslose Liebe mit uns teilen möchte. Das Problem ist nur, dass wir Menschen weder für einander noch für Gott in Liebe leben wollten: «Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen» (Römer 3,23).
So wurde der Sohn Gottes, der Schöpfer der Menschheit, ein Mensch, damit er für sein Volk leben und sterben konnte: «Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gegeben hat als Lösegeld für alle, als sein Zeugnis zur rechten Zeit» (1. Timotheus 2,5-6).
Am Ende des Zeitalters wird Jesus beim letzten Gericht als Richter auf die Erde zurückkehren. «Der Vater richtet niemand, sondern hat alles Gericht dem Sohn übergeben» (Johannes 5,22). Wird Jesus betrübt sein, weil die Menschen sündigen und ihn ablehnen würden? Nein, er wusste, dass dies geschehen würde. Er hatte von Anfang an mit Gott Vater bereits einen Plan, um uns wieder in die richtige Beziehung zu Gott zu bringen. Jesus unterwarf sich Gottes gerechtem Plan über das Böse und erlebte die Folgen unserer Sünden an sich selbst, die zu seinem Tod führten. Er schüttete sein Leben aus, damit wir in ihm das Leben haben können: «Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen, ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung» (2. Korinther 5,19).
Wir, die gläubigen Christen wurden bereits beurteilt und für schuldig befunden. Uns wurde durch das Opfer Jesu Vergebung erwirkt und wir wurden durch das auferstandene Leben Jesu Christi neu belebt. Jesus wurde an unserer Stelle in unserem Namen gerichtet und verurteilt, indem er unsere Sünde und unseren Tod auf sich nahm und uns im Austausch sein Leben, seine richtige Beziehung zu Gott gab, damit wir in ewiger Gemeinschaft und in der heiligen Liebe mit ihm leben können.
Beim jüngsten Gericht wird nicht jeder Mensch es schätzen, was Christus für ihn getan hat. Einige Menschen werden sich dem Schuldspruch Jesu widersetzen und das Recht Christi ihr Richter zu sein und sein Opfer ablehnen. Sie fragen sich: «Waren meine Sünden wirklich so schlimm?», und werden der Tilgung ihrer Schuld widerstehen. Andere sagen: «Kann ich nicht einfach meine Schulden abbauen, ohne ewig Jesus verpflichtet sein zu müssen?» Ihre Haltung und Reaktion auf die Gnade Gottes wird beim letzten Gericht offenbart.
Das griechische Wort für «Gericht», das in den neutestamentlichen Passagen benutzt wird, ist krisis, von dem das Wort «Krise» abgeleitet wird. Krisis bezieht sich auf eine Zeit und eine Situation, wenn eine Entscheidung für oder gegen jemanden ausgeführt wird. In diesem Sinne ist eine Krise ein Punkt im Leben eines Menschen oder der Welt. Ganz spezifisch bezieht sich Krisis auf die Aktivität Gottes oder des Messias als Richter der Welt beim Jüngsten Gericht oder dem Tag des Gerichts, oder wir könnten sagen, der Beginn des «ewigen Gerichts». Hier handelt es sich nicht um einen kurzen Schuldspruch, sondern um einen Prozess der längere Zeit dauern kann und beinhaltet auch die Möglichkeit zur Umkehr.
In der Tat werden sich die Menschen anhand ihrer Antwort dem Richter Jesus Christus gegenüber selbst beurteilen und verurteilen. Werden sie den Weg der Liebe, Demut, Gnade und Güte wählen oder werden sie Selbstsucht, Selbstgerechtigkeit und Selbstbestimmung bevorzugen? Wollen sie mit Gott zu seinen Bedingungen gemeinsam leben oder woanders zu ihren eigenen Bedingungen? In diesem Urteil ist das Scheitern dieser Menschen nicht darauf zurückzuführen, dass Gott sie ablehnt, sondern darauf, dass sie Gott und sein Gnadenurteil in und durch Jesus Christus ablehnen.
Mit dieser Übersicht können wir nun die Verse über das Urteil untersuchen. Es ist ein ernstes Ereignis für alle Menschen: «Ich sage euch aber, dass die Menschen Rechenschaft geben müssen am Tage des Gerichts von jedem nichtsnutzigen Wort, das sie reden. Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden» (Matthäus 12,36-37).
Jesus fasste das kommende Gericht in Bezug auf das Schicksal der Gerechten und der Bösen zusammen: «Wundert euch darüber nicht. Es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören werden, und es werden hervorgehen, die Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Böses getan haben, zur Auferstehung des Gerichts» (Johannes 5,28-29).
Diese Verse müssen im Lichte einer anderen biblischen Wahrheit verstanden werden; jeder Mensch hat Böses getan und ist ein Sünder. Das Urteil beinhaltet nicht nur, was die Menschen getan haben, sondern auch, was Jesus für sie getan hat. Er hat bereits die Schuld für die Sünden für alle Menschen bezahlt.
Jesus beschrieb das Wesen des Jüngsten Gerichts in einer symbolischen Form: «Wenn aber der Menschensohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er sich setzen auf den Thron seiner Herrlichkeit, und alle Völker werden vor ihm versammelt werden. Und er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet, und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken» (Matthäus 25,31-33).
Die Schafe zu seiner Rechten werden mit folgenden Worten von ihrem Segen erfahren: «Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! » (Vers 34).
Weshalb entscheidet er sich für sie? «Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen» (Vers 35-36).
Auch die Böcke zu seiner Linken werden über ihr Schicksal informiert: «Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!» (Vers 41).
Dieses Gleichnis zeigt uns keine Einzelheiten über das Gerichtsverfahren und was es für ein Urteil beim «Jüngsten Gericht» sprechen wird. Es gibt in diesen Versen keine Erwähnung von Vergebung oder Glauben. Die Schafe waren sich nicht bewusst, dass Jesus an dem beteiligt war, was sie taten. Den Bedürftigen zu helfen ist eine gute Sache, aber es ist nicht das Einzige, was am endgültigen Urteil wichtig und massgebend ist. Das Gleichnis lehrte zwei neue Punkte: Der Richter ist der Menschensohn, Jesus Christus selbst. Er will, dass die Menschen den Bedürftigen helfen, anstatt sie zu missachten. Gott lehnt uns Menschen nicht ab, sondern schenkt uns Gnade, besonders die Gnade der Vergebung. Mitgefühl und Freundlichkeit gegenüber denen, die Barmherzigkeit und Gnade brauchen, werden in Zukunft mit Gottes eigener, ihnen gegebener Gnade belohnt. «Du aber, mit deinem verstockten und unbussfertigen Herzen, häufst dir selbst Zorn an für den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes» (Römer 2,5).
Paulus bezieht sich auch auf den Tag des Gerichts und bezeichnet ihn als den «Tag des Zorns Gottes» an dem sein gerechtes Gericht offenbart wird: «Der einem jeden geben wird nach seinen Werken: ewiges Leben denen, die in aller Geduld mit guten Werken trachten nach Herrlichkeit, Ehre und unvergänglichem Leben; Zorn und Grimm aber denen, die streitsüchtig sind und der Wahrheit nicht gehorchen, gehorchen aber der Ungerechtigkeit» (Römer 2,6-8).
Auch dies kann nicht als vollständige Beschreibung des Urteils angesehen werden, da darin weder Gnade noch Glaube erwähnt werden. Er sagt, dass wir nicht durch unsere Werke, sondern durch den Glauben gerechtfertigt sind. «Doch weil wir wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an Christus Jesus gekommen, damit wir gerecht werden durch den Glauben an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch des Gesetzes Werke wird kein Mensch gerecht» (Galater 2,16).
Gutes Benehmen ist gut, kann uns aber nicht retten. Wir werden nicht aufgrund unserer eigenen Handlungen als gerecht erklärt, sondern weil wir die Gerechtigkeit Christi empfangen und damit an ihr teilhaben: «Durch ihn aber seid ihr in Christus Jesus, der für uns zur Weisheit wurde durch Gott und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung» (1. Korinther 1,30). Die meisten Verse über das letzte Gericht sagen nichts über die Gnade und Liebe Gottes aus, die ein zentraler Bestandteil des christlichen Evangeliums ist.
Wenn wir über das Gericht nachdenken, müssen wir uns immer daran erinnern, dass Gott uns zu einem bestimmten Zweck geschaffen hat. Er will, dass wir mit ihm in ewiger Gemeinschaft und in einer engen Beziehung leben. «Wie den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht: so ist auch Christus einmal geopfert worden, die Sünden vieler wegzunehmen; zum zweiten Mal erscheint er nicht der Sünde wegen, sondern zur Rettung derer, die ihn erwarten» (Hebräer 9,27-28).
Diejenigen, die ihm vertrauen und durch sein Erlösungswerk gerecht gemacht werden, müssen das Urteil nicht fürchten. Johannes versichert seinen Lesern: «Darin ist die Liebe bei uns vollendet, auf dass wir die Freiheit haben, zu reden am Tag des Gerichts; denn wie er ist, so sind auch wir in dieser Welt» (1. Johannes 4,17). Diejenigen, die zu Christus gehören, werden belohnt.
Ungläubige, die sich weigern, Busse zu tun, ihr Leben zu ändern und zuzugeben, dass sie die Barmherzigkeit und Gnade Christi und das Recht Gottes, das Böse zu beurteilen, brauchen, sind die Gottlosen, und sie werden ein anderes Urteil erhalten: «So werden auch jetzt Himmel und Erde durch dasselbe Wort aufgespart für das Feuer, bewahrt für den Tag des Gerichts und der Verdammnis der gottlosen Menschen» (2. Petrus 3,7).
Die gottlosen Menschen, die beim Gericht nicht bereuen, werden den zweiten Tod erleben und nicht ewig gequält. Gott wird etwas gegen das Böse tun. Indem er uns vergibt, wischt er nicht nur unsere bösen Gedanken, Worte und Taten weg, als ob sie keine Rolle spielen würden. Nein, er hat den Preis für uns bezahlt, um dem Bösen ein Ende zu setzen und uns aus der Macht des Bösen zu retten. Er hat die Folgen unseres Bösen erlitten, überwunden und besiegt.
Es wird eine Zeit kommen, in der Gut und Böse getrennt werden und das Böse nicht mehr sein wird. Für einige wird es eine Zeit sein, in der sie als selbstsüchtig, rebellisch und böse entlarvt werden. Für andere wird es eine Zeit sein, in der sie vor Übeltätern und vor dem Bösen gerettet werden, das in jedem Menschen liegt - es wird eine Zeit der Erlösung sein. Beachten Sie, dass «Urteil» nicht zwangsläufig «Verurteilung» bedeutet. Stattdessen bedeutet dies, dass das Gute und das Böse aussortiert und klar voneinander unterschieden werden. Das Gute wird identifiziert, vom Bösen getrennt und das Böse wird vernichtet. Der Tag des Gerichts ist eine Zeit der Erlösung, wie folgende drei Schriftstellen es aussagen:
Die geretteten Menschen, die durch sein Erlösungswerk gerecht gemacht wurden, brauchen das Jüngste Gericht nicht zu fürchten. Diejenigen, die Christus angehören, werden ihre ewige Belohnung empfangen. Die Gottlosen aber werden den ewigen Tod erleiden.
Die Ereignisse des Jüngsten oder ewigen Gerichts stimmen nicht damit überein, was viele Christen angenommen haben. Die verstorbene reformierte Theologin, Shirley C. Guthrie, schlägt vor, dass wir gut daran tun, unser Denken über dieses Krisenereignis neu auszurichten: Der erste Gedanke, den Christen haben, wenn sie an das Ende der Geschichte denken, sollte nicht ängstliche oder rachsüchtige Spekulation darüber sein, wer «drinnen» sein wird oder «hinauffahren» oder wer «draussen» sein oder «hinunterfahren» wird. Es sollte der dankbare und freudige Gedanke sein, dass wir mit Zuversicht der Zeit entgegensehen können, wann der Wille des Schöpfers, Versöhners, Erlösers und Wiederherstellers ein für alle Mal die Oberhand haben wird – wenn Gerechtigkeit über Ungerechtigkeit, Liebe über Hass, Gleichgültigkeit und Gier, Frieden über Feindseligkeit, Menschlichkeit über Unmenschlichkeit, das Reich Gottes über die Mächte der Finsternis triumphieren wird. Das Jüngste Gericht wird nicht gegen die Welt, sondern zum Nutzen der ganzen Welt sein. «Das ist eine gute Nachricht nicht nur für Christen, sondern auch für alle Menschen!»
Der Richter im letzten Gericht ist Jesus Christus, der für die Menschen gestorben ist, die er richten wird. Er hat die Strafe der Sünde für sie alle bezahlt und die Dinge ins Lot gebracht. Derjenige, der die Gerechten und die Ungerechten richtet, ist derjenige, der sein Leben gegeben hat, damit sie ewig leben können. Jesus hat bereits das Urteil über Sünde und Sündhaftigkeit auf sich genommen. Der barmherzige Richter Jesus Christus wünscht sich so sehr, dass alle Menschen ewiges Leben erhalten - und er hat es allen zur Verfügung gestellt, die bereit sind, umzukehren und ihm zu vertrauen.
Wenn Sie, lieber Leser erkennen, was Jesus für Sie getan hat und an Jesus glauben, können Sie mit Zuversicht und Freude dem Gericht entgegensehen im Wissen, dass Ihre Erlösung in Jesus Christus sicher ist. Diejenigen, die keine Gelegenheit hatten, das Evangelium zu hören und den Glauben Christi anzunehmen, werden auch feststellen, dass Gott bereits für sie Vorsorge getroffen hat. Das letzte Gericht sollte eine Zeit der Freude für jeden sein, da es die Herrlichkeit des ewigen Reiches Gottes einläuten wird, wo in alle Ewigkeit nichts als Liebe und Güte existieren wird.
von Paul Kroll