Das Evangelium – Ihre Einladung ins Reich Gottes
Jeder hat eine Vorstellung von richtig und falsch, und jeder hat schon etwas Falsches getan selbst nach seiner eigenen Vorstellung. „Irren ist menschlich“, sagt ein bekanntes Sprichwort. Jeder hat schon einmal einen Freund enttäuscht, ein Versprechen gebrochen, die Gefühle eines anderen verletzt. Jeder kennt Schuldgefühle.
Die Menschen möchten deshalb nichts mit Gott zu tun haben. Sie wollen keinen Tag des Gerichts, weil sie wissen, dass sie nicht reinen Gewissens vor Gott stehen können. Sie wissen, dass sie ihm gehorchen sollten, doch sie wissen auch, dass sie es nicht getan haben. Sie schämen sich und fühlen sich schuldig. Wie kann ihre Schuld getilgt werden? Wie das Bewusstsein gereinigt werden? „Vergeben ist göttlich“, schliesst das Stichwort. Gott selbst ist es, der vergibt.
Viele Menschen kennen dieses Sprichwort, doch sie glauben nicht, dass Gott göttlich genug ist, um ihre Sünden zu vergeben. Sie fühlen sich immer noch schuldig. Sie fürchten immer noch die Erscheinung Gottes und den Tag des Gerichts.
Doch Gott ist schon einmal erschienen – in der Person Jesus Christus. Er kam nicht, um zu verdammen, sondern um zu erretten. Er brachte eine Botschaft der Vergebung, und er starb an einem Kreuz, um zu garantieren, dass uns vergeben werden kann.
Die Botschaft Jesu, die Botschaft des Kreuzes, ist gute Nachricht für alle, die sich schuldig fühlen. Jesus, Gott und Mensch in einem, hat unsere Strafe auf sich genommen. Allen Menschen, die demütig genug sind, das Evangelium Jesu Christi zu glauben, wird Vergebung zuteil. Wir brauchen diese gute Nachricht. Christi Evangelium bringt Seelenfrieden, Glück und einen persönlichen Sieg.
Das wahre Evangelium, die gute Nachricht, ist das Evangelium, das Christus predigte. Ebendieses Evangelium predigten auch die Apostel: Jesus Christus, den Gekreuzigten (1. Korinther 2,2), Jesus Christus in Christen, die Hoffnung der Herrlichkeit (Kolosser 1,27), die Auferstehung von den Toten, die Botschaft von Hoffnung und Erlösung für die Menschheit. Das ist das Evangelium vom Reich Gottes, das Jesus predigte.
Die gute Nachricht für alle Menschen
„Nachdem aber Johannes gefangen genommen war, kam Jesus nach Galiläa und predigte das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Busse [Bereut, kehrt um] und glaubt an das Evangelium!“ (Markus 1,14”15). Dieses Evangelium, das Jesus brachte, ist die „gute Nachricht“ – eine macht” volle Botschaft, die das Leben verändert und verwandelt. Das Evangelium überführt und bekehrt nicht nur, sondern wird am Ende alle bestürzt machen, die ihm ablehnend gegenüberstehen. Das Evangelium ist „eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben“ (Römer 1,16). Das Evangelium ist Gottes Einladung an uns, ein Leben auf einer ganz anderen Ebene zu führen. Es ist die gute Nachricht, dass auf uns ein Erbe wartet, das ganz in unseren Besitz gelangen wird, wenn Christus wiederkommt. Es ist auch eine Einladung zu einer belebenden geistlichen Realität, die uns schon jetzt gehören kann. Paulus nennt das Evangelium „Evan” gelium von Christus“ (1. Korinther 9,12).
„Evangelium Gottes“ (Römer 15,16) und „Evangelium des Friedens“ (Epheser 6,15). Ausgehend von Jesus, beginnt er, die jüdische Meinung vom Reich Gottes neu zu definieren, und stellt dabei die universale Bedeutung des ersten Kommens Christi in den Mittelpunkt. Der Jesus, der über die staubigen Strassen von Judäa und Galiläa wanderte, ist, so lehrt Paulus, nun der auf” erstandene Christus, der zur Rechten Gottes sitzt und „das Haupt aller Mächte und Gewalten“ ist (Kolosser 2,10). Tod und Auferstehung Jesu Christi kommen Paulus zufolge „als erstes“ im Evangelium; sie sind die Schlüsselereignisse in Gottes Plan (1. Korinther 15,1-11). Das Evangelium ist die frohe Botschaft für die Armen und Unterdrück” ten. Die Geschichte hat ein Ziel. Am Ende wird das Recht triumphieren, nicht die Macht.
Die durchbohrte Hand hat über die gepanzerte Faust gesiegt. Das Reich des Bösen weicht dem Reich Jesu Christi, einer Ordnung der Dinge, die Christen zum Teil schon erleben.
Paulus unterstrich diesen Aspekt des Evangeliums gegenüber den Kolossern: „Mit Freuden sagt Dank dem Vater, der euch tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht. Er hat uns errettet von der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes, in dem wir die Erlösung haben, nämlich die Vergebung der Sünden“ (Kolosser 1,12 und 14).
Für alle Christen ist und war das Evangelium gegenwärtige Realität und zukünftige Hoffnung. Der auferstandene Christus, der Herr ist über Zeit, Raum und alles, was hier unten geschieht, ist der Streiter für die Christen. Der, der in den Himmel erhoben wurde, ist die allgegenwärtige Quelle der Kraft (Eph3,20-21).
Die frohe Botschaft ist, dass Jesus Christus in seinem irdischen Leben jedes Hindernis überwunden hat. Der Weg des Kreuzes ist ein harter, aber siegreicher Weg in das Reich Gottes. Deshalb kann Paulus das Evangelium auf die knappe Formel bringen, „Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten“ (1. Korinther 2,2).
Die grosse Umkehr
Als Jesus in Galiläa auftrat und mit Ernst das Evangelium predigte, erwartete er eine Antwort. Er erwartet auch von uns heute eine Antwort. Doch Jesu Einladung zum Eintritt ins Reich war nicht in einem Vakuum gehalten. Jesu Aufruf für das Reich Gottes war mit beeindruckenden Zeichen und Wundern begleitet, die ein Land, das unter der römischen Herrschaft litt, aufhorchen liess. Das ist ein Grund, warum Jesus klarstellen musste, was er mit dem Königreich Gottes meinte. Die Juden zur Zeit Jesu warteten auf einen Führer, der ihrer Nation die Herrlichkeit der Zeit von David und Salomo wiederbringen würde. Doch die Botschaft Jesu war „doppelt revolutionär“, wie der Oxford”Gelehrte N.T. Wright schreibt. Erstens nahm er die gängige Erwartung, dass ein jüdischer Superstaat das römische Joch abwerfen würde, und verwandelte sie in etwas völlig anderes. Er machte aus der verbreiteten Hoffnung auf politische Befreiung eine Botschaft geistlicher Erlösung: das Evangelium!
„Das Reich Gottes ist herbeigekommen, schien er zu sagen, aber es ist nicht so, wie ihr es euch vorgestellt habt“. Jesus schockierte die Menschen mit den Konsequenzen seiner guten Nachricht. „Aber viele, die die Ersten sind, werden die Letzten und die Letzten werden die Ersten sein“ (Matthäus 19,30).
„Da wird Heulen und Zähneklappern sein“, sagte er zu seinen jüdischen Landsleuten, „wenn ihr sehen werdet Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes, euch aber hinausgestossen“ (Lukas 13,28).
Das grosse Abendmahl war für alle da (Lukas 14,16-24). Auch die Heiden waren eingeladen in das Reich Gottes. Und ein Zweites war nicht weniger revolutionär.
Dieser Prophet aus Nazareth schien eine Menge Zeit für die Rechtlosen zu haben – von den Aussätzigen und Krüppeln bis zu geldgierigen Steuereinnehmern – und manchmal sogar für die verhassten römischen Unterdrücker. Die gute Nachricht, die Jesus brachte, widersprach allen Erwartungen, selbst denen seiner treuen Jünger (Lukas 9,51-56). Immer wieder sagte Jesus, das Reich, das sie in der Zukunft erwarteten, sei in seinem Wirken bereits dynamisch gegenwärtig. Nach einer besonders dramatischen Episode sagte er: „Wenn ich aber durch Gottes Finger die bösen Geister austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen“ (Lukas 11,20). Mit anderen Worten: Die Menschen, die das Wirken Jesu sahen, erlebten die Gegenwart der Zukunft. In mindestens dreifacher Hinsicht stellte Jesus die gängigen Erwartungen auf den Kopf:
- Jesus lehrte die gute Nachricht, dass das Reich Gottes ein reines Geschenk ist – die Herrschaft Gottes, die schon Heilung mit sich brachte. So setzte Jesus das „Gnadenjahr des Herrn“ ein (Lukas 4,19; Jesaja 61,1-2). Doch „zugelassen“ zum Reich waren die Mühseligen und Beladenen, die Armen und Bettler, straffällige Kinder und reuige Zöllner, reuevolle Huren und Aussenseiter der Gesellschaft. Für schwarze Schafe und geistlich verlorene Schafe erklärte er sich zu ihrem Hirten.
- Die gute Nachricht Jesu war auch für die Menschen da, die bereit waren, sich durch aufrichtige Reue Gott zuzuwenden. Diese aufrichtig reuevollen Sünder würden in Gott einen grosszügigen Vater finden, der den Horizont nach seinen umherwandernden Söhnen und Töchtern absucht und sie sieht, wenn sie „noch weit entfernt“ sind (Lukas 15,20). Die gute Nachricht des Evangeliums bedeutete, dass jeder, der von Herzen sagt: „Gott, sei mir Sünder gnädig“ (Lukas 18,13) und es aufrichtig meint, bei Gott mitfühlendes Gehör finden würde. Immer. „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan“ (Lukas 11,9). Für diejenigen, die glaubten und sich von den Wegen der Welt abwandten, war dies die beste Nachricht, die sie hören konnten.
- Das Evangelium Jesu bedeutete auch, dass nichts den Sieg des Reiches, das Jesus gebracht hatte, aufhalten konnte – auch wenn es nach dem Gegenteil aussah. Dieses Reich würde auf erbitterten, gnadenlosen Widerstand stossen, aber letztlich würde es in übernatürlicher Kraft und Herrlichkeit triumphieren.
Christus sagte seinen Jüngern: „Wenn aber der Menschensohn kommen wird in seiner Herrlichkeit, und alle Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit, und alle Völker werden vor ihm versammelt werden. Und er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet“ (Matthäus 25,31-32).
So besass die gute Nachricht Jesu eine dynamische Spannung zwischen dem „Schon jetzt“ und dem „Noch nicht“. Das Evangelium vom Reich bezog sich auf die Herrschaft Gottes, die jetzt schon bestand – „Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf, und Armen wird das Evangelium gepredigt“ (Matthäus 11,5).
Doch das Reich war „noch nicht“ da in dem Sinn, als seine volle Erfüllung noch bevorstand. Das Evangelium verstehen heisst, diesen zweifachen Aspekt begreifen: einerseits die verheissene Gegenwart des Königs, der schon jetzt in seinem Volk lebt, und andererseits seine dramatische Wiederkunft.
Die gute Nachricht von Ihrer Erlösung
Der Missionar Paulus trug dazu bei, die zweite Grosse Bewegung des Evangeliums auszulösen – seine Verbreitung vom winzigen Judäa in die hochkultivierte griechisch”römische Welt der Mitte des ersten Jahrhunderts. Paulus, der bekehrte Christenverfolger, lenkt das blendende Licht des Evangeliums durch das Prisma des Alltagslebens. Während er den verherrlichten Christus preist, geht es ihm auch um die praktischen Konsequenzen des Evangeliums. Dem fanatischen Widerstand zum Trotz vermittelt Paulus den anderen Christen die atemberaubende Bedeutung von Jesu Leben, Tod und Auferstehung: „Auch euch, die ihr einst fremd und feindlich gesinnt wart in bösen Werken, hat er nun versöhnt durch den Tod seines sterblichen Leibes, damit er euch heilig und untadelig und makellos vor sein Angesicht stelle; wenn ihr nur bleibt im Glauben, gegründet und fest, und nicht weicht von der Hoffnung des Evangeliums, das ihr gehört habt und das gepredigt ist allen Geschöpfen unter dem Himmel. Sein Diener bin ich, Paulus, geworden“ (Kolosser 1,21und 23). Versöhnt. Makellos. Gnade. Erlösung. Vergebung. Und nicht nur in der Zukunft, sondern hier und jetzt. Das ist das Evangelium des Paulus.
Die Auferstehung, der Höhepunkt, auf den die Synoptiker und Johannes ihre Leser hinfuhren (Johannes 20,31), setzt die innere Kraft des Evangeliums frei für das tägliche Leben des Christen. Die Auferstehung Christi bestätigt das Evangelium.
Deshalb, so lehrt Paulus, geben jene Ereignisse im fernen Judäa allen Menschen Hoffnung: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen. Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben“. (Römer 1,16-17).
Ein Ruf, die Zukunft schon hier und jetzt zu leben
Der Apostel Johannes bereichert das Evangelium um eine weitere Dimension. Es stellt Jesus dar, wie sich der „Jünger, den er lieb hatte“ (Johannes 19,26), an ihn erinnert, ein Mann mit dem Herzen eines Hirten, ein Kirchenführer mit einer tiefen Liebe für die Menschen mit ihren Sorgen und Ängsten.
„Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch. Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen“ (Johannes 20,30-31).
Die Darstellung des Evangeliums seitens Johannes hat ihren Kern in der bemerkenswerten Aussage: „damit ihr durch den Glauben das Leben habt“. Johannes vermittelt auf wunderbare Weise einen weiteren Aspekt des Evangeliums: Jesus Christus in Momenten grösster persönlicher Nähe. Johannes gibt einen lebendigen Bericht von der persönlichen, dienenden Gegenwart des Messias.
Im Johannesevangelium begegnen wir einem Christus, der ein machtvoller öffentlicher Prediger war (Johannes 7,37-46). Wir sehen Jesus warm und gast freundlich. Von seiner einladenden Aufforderung „Kommt und seht!“ (Johannes 1,39) bis zur Herausforderung an den zweifelnden Thomas, seinen Finger in die Wundmale an seinen Händen zu legen (Johannes 20,27), wird hier auf unvergessliche Weise der porträtiert, der Fleisch ward und unter uns wohnte (Johannes 1,14).
Die Menschen fühlten sich bei Jesus so willkommen und wohl, dass sie einen regen Austausch mit ihm hatten (Johannes 6,58). Sie lagen beim Essen neben ihm und assen von demselben Teller (Johannes 13,23-26). Sie liebten ihn so innig, dass sie ans Ufer schwammen, sobald sie ihn erblickten, um gemein sam Fische zu essen, die er selber gebraten hatte (Johannes 21,7-14).
Das Johannesevangelium erinnert uns daran, wie sehr das Evangelium sich um Jesus Christus dreht, sein Beispiel und das ewige Leben, das wir durch ihn empfangen (Johannes 10,10).
Es erinnert uns, dass es nicht genügt, das Evangelium zu predigen. Wir müssen es auch leben. Der Apostel Johan nes macht uns Mut: Andere könnten durch unser Beispiel dafür gewonnen werden, die gute Nachricht vom Reich Gottes mit uns zu teilen. So erging es der Samariterin, die Jesus Christus am Brunnen traf (Johannes 4,27-30), und Maria von Magdala (Johannes 20,10-18).
Der, der am Grab des Lazarus weinte, der demütige Knecht, der seinen Jüngern die Füsse wusch, lebt auch heute. Er schenkt uns seine Gegenwart durch das Innewohnen des Heiligen Geistes:
„Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen ... Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht“ (Johannes 14,23 und 27).
Jesus führt sein Volk heute aktiv durch den Heiligen Geist. Seine Einladung ist so persönlich und ermutigend wie eh und je: „Kommt und seht!“ (Johannes 1,39).
von Neil Earle