Das Problem des Bösen in dieser Welt

Es gibt viele Gründe, warum sich Menschen vom Glauben an Gott abwenden. Ein Grund, der besonders hervortritt, ist “das Problem des Bösen“ – das der Theologe Peter Kreeft als “den grössten Glaubenstest, die grösste Versuchung zum Unglauben“ bezeichnet. Agnostiker und Atheisten benutzen das Problem des Bösen oft als ihr Argument, um Zweifel zu säen oder die Existenz Gottes zu bestreiten. Sie behaupten, eine Koexistenz des Bösen und Gottes sei unwahrscheinlich (so die Agnostiker) oder unmöglich (so die Atheisten). Die Argumentationskette der nachfolgenden Aussage stammt aus der Zeit des griechischen Philosophen Epikur (ca. 300 v. Chr.). Sie wurde Ende des 18. Jahrhunderts vom schottischen Philosophen David Hume aufgegriffen und populär gemacht.

Hier nun die Aussage:
“Wenn es Gottes Wille ist, das Böse zu verhindern, es aber nicht kann: Dann ist er nicht allmächtig. Oder er kann es, aber es ist nicht sein Wille: Dann ist Gott missgünstig. Wenn beides zutrifft, er kann und will es verhindern: Woher kommt dann das Böse? Und wenn beides nicht zutrifft, weder Wollen noch Können: Warum sollten wir ihn dann Gott nennen?“

Epikur und später Hume zeichneten ein Bild von Gott, das ihm keinesfalls entspricht. Ich habe hier nicht genügend Platz für eine umfassende Erwiderung (Theologen nennen es eine Theodizee). Aber ich möchte eindringlich darauf hinweisen, dass diese Argumentationskette nicht einmal annähernd als K.-o.Argument gegen die Existenz Gottes bestehen kann. Wie von vielen christlichen Apologeten (Apologeten bezeichnet Theologen, welche sich mit ihrer wissenschaftlichen “Rechtfertigung“ und Verteidigung von Glaubenslehrsätzen beschäftigen) aufgezeigt, ist die Existenz des Bösen in der Welt eher ein Beweis für, statt gegen die Existenz Gottes. Darauf möchte ich jetzt näher eingehen.

Das Böse bedingt das Gute

Die Feststellung, dass das Böse als objektives Merkmal in unserer Welt vorhanden ist, erweist sich als zweischneidiges Schwert, das die Agnostiker und Atheisten viel tiefer spaltet, als dies bei den Theisten der Fall ist. Um argumentieren zu können, dass die Gegenwart des Bösen die Existenz Gottes widerlegt, ist es erforderlich, die Existenz des Bösen anzuerkennen. Daraus folgt, es muss ein absolutes sittliches Gesetz geben, welches das Böse als böse definiert. Man kann nicht ein logisches Konzept des Bösen entwickeln, ohne ein höchstes sittliches Gesetz vorauszusetzen. Das bringt uns in ein grosses Dilemma, da es die Frage nach dem Ursprung dieses Gesetzes aufwirft. Mit anderen Worten: Wenn das Böse das Gegenteil des Guten ist, wie bestimmen wir dann, was gut ist? Und woher kommt das Verständnis für diese Überlegung?

Das 1. Buch Mose lehrt uns, dass die Schöpfung der Welt gut war und nicht böse. Dennoch berichtet es auch vom Fall der Menschheit, der durch das Böse verursacht wurde und das Böse nach sich zog. Aufgrund des Bösen ist diese Welt nicht die beste aller möglichen Welten. Folglich macht das Problem des Bösen die Abweichung vom “wie es sein sollte“ deutlich. Wenn die Dinge jedoch nicht so sind, wie sie sein sollten, dann muss es doch einen Wenn es diesen Weg gibt, dann muss es ein transzendentales Design, einen Plan und Zweck geben, um diesen SollZustand zu erreichen. Dies setzt wiederum ein transzendentales Wesen (Gott) voraus, das der Urheber dieses Planes ist. Wenn es keinen Gott gibt, dann gibt es auch keine Art und Weise, wie Dinge sein sollten, und folglich gäbe es das Böse nicht. Das mag sich alles ein bisschen konfus anhören, ist es aber nicht. Es ist eine sorgfältig erarbeitete logische Schlussfolgerung.

Recht und Unrecht stehen sich gegenüber

C.S. Lewis trieb diese Logik auf die Spitze. In seinem Buch Pardon, ich bin Christ lässt er uns wissen, dass er Atheist war und zwar hauptsächlich aufgrund der Präsenz des Bösen, der Grausamkeit und des Unrechts in der Welt. Doch je mehr er über seinen Atheismus nachdachte, umso mehr erkannte er deutlich, eine Definition des Unrecht gibt es nur in Abhängigkeit von einer absoluten Rechtsauffassung. Das Recht setzt einen gerechten Jemand voraus, der über der Menschheit steht und der die Autorität hat, geschaffene Realität zu gestalten und Regeln des Rechts darin aufzustellen.

Darüber hinaus erkannte er, der Ursprung des Bösen ist nicht auf Gott den Schöpfer zurückzuführen, sondern auf die Geschöpfe, die der Versuchung nachgaben, Gott zu misstrauen und sich für die Sünde entschieden. Lewis erkannte auch, dass Menschen nicht objektiv sein können, wenn sie der Ursprung von Gut und Böse waren, da sie Veränderungen unterworfen sind. Weiterhin schlussfolgerte er, eine Gruppe von Menschen könne Urteile über andere fällen, ob sie gut oder schlecht gehandelt haben, aber dann kann die andere Gruppe mit ihrer Version von Gut und Böse dagegenhalten. Somit stellt sich die Frage, welche Autorität hinter diesen konkurrierenden Versionen von Gut und Böse steht? Wo bleibt die objektive Norm, wenn in der einen Kultur etwas für nicht akzeptabel gehalten wird, es aber in der anderen als zulässig erachtet wird? Wir sehen dieses Dilemma überall in der Welt am Werk, (leider) oft im Namen der Religion oder anderen Ideologien.

Übrig bleibt dies: Wenn es keinen höchsten Schöpfer und moralischen Gesetzgeber gibt, dann kann es auch keine objektive Norm für Gutes geben. Wenn es keine objektive Norm für Gutes gibt, wie kann jemand herausfinden, ob etwas gut ist? Lewis hat dies veranschaulicht: “Wenn es kein Licht im Universum gäbe und somit auch keine Geschöpfe mit Augen, dann wüssten wir niemals, dass es dunkel ist. Das Wort dunkel hätte keine Bedeutung für uns.“

Unser persönlicher und guter Gott besiegt das Böse

Nur wenn es einen persönlichen und guten Gott gibt, der sich dem Bösen entgegenstellt, macht es Sinn, Anklage gegen das Böse zu erheben oder einen Aufruf zum Einschreiten zu starten. Gäbe es einen solchen Gott nicht, könnte man sich auch nicht an ihn wenden. Es bestünde keine Grundlage für eine Auffassung, die darüber hinausgeht, was wir als das Gute und das Böse bezeichnen. Es bliebe nichts weiter als das, wofür wir eine Vorliebe haben mit dem Aufkleber “gut“ zu versehen; wenn sie jedoch im Konflikt mit einer Vorliebe von jemand anderem stünde, würden wir sie mit dem Aufkleber “schlecht oder böse“ versehen. In einem solchen Fall gäbe es nichts, was man objektiv als böse bezeichnen könnte; nichts, worüber man sich wirklich beklagen könnte und auch niemanden, an den man sich mit einer Klage wenden könnte. Die Dinge wären einfach wie sie sind; man kann sie nennen wie es einem beliebt.

Nur durch den Glauben an einen persönlichen und guten Gott haben wir wirklich eine Grundlage, das Böse zu missbilligen und können uns an “jemanden“ wenden, damit es vernichtet wird. Die Überzeugung, dass es ein reales Problem des Bösen gibt und dieses eines Tages gelöst wird und alle Dinge zurecht gerückt werden, bietet eine gute Glaubensgrundlage dafür, dass ein persönlicher und guter Gott existiert.

Obwohl das Böse fortbesteht, ist Gott mit uns und wir haben Hoffnung

Das Böse existiert – man braucht sich nur die Nachrichten anzusehen. Wir alle haben Böses erlebt und kennen die zerstörerischen Auswirkungen. Wir wissen aber auch, dass Gott uns nicht in unserem gefallenen Zustand fortbestehen lässt. In einem früheren Artikel wies ich darauf hin, dass unser Sündenfall Gott nicht überrascht hat. Er musste nicht auf Plan B zurückgreifen, denn er hatte bereits seinen Plan zur Überwindung des Bösen in Kraft gesetzt und dieser Plan ist Jesus Christus und die Versöhnung. In Christus hat Gott das Böse durch seine authentische Liebe besiegt; dieser Plan lag seit Grundlegung der Welt bereit. Das Kreuz und die Auferstehung Jesu zeigen uns, das Böse wird nicht das letzte Wort haben. Aufgrund des Werkes Gottes in Christus hat das Böse keine Zukunft.

Sehnen Sie sich nach einem Gott, der das Böse sieht, der in seiner Gnade die Verantwortung dafür übernimmt, der sich verpflichtet hat, etwas dagegen zu unternehmen und der am Ende alles zurechtbringt? Dann habe ich eine gute Nachricht für Sie – das ist genau der Gott, den Jesus Christus offenbart hat. Obwohl wir in “dieser gegenwärtigen, bösen Welt“ (Galater 1,4) leben, wie Paulus schrieb, hat uns Gott weder aufgegeben noch ohne Hoffnung gelassen. Gott versichert uns allen, dass er mit uns ist; er ist durchgedrungen in das Hier und Jetzt unserer Existenz und schenkt uns so den Segen des Erhalts der “Erstlingsgabe“ (Römer 8,23) der “kommenden Welt“ (Lukas 18,30) – ein “Unterpfand“ (Epheser 1,13-14) der Güte Gottes, wie sie unter seiner Herrschaft in der Fülle seines Reiches gegenwärtig sein wird.

Durch die Gnade Gottes verkörpern wir jetzt durch unser gemeinsames Leben in der Kirche die Zeichen des Reiches Gottes. Der in uns wohnende dreieinige Gott befähigt uns schon jetzt, etwas von der Gemeinschaft zu erleben, die er seit Anbeginn für uns geplant hat. In der Gemeinschaft mit Gott und unter einander wird Freude sein – wahres Leben, das nie endet und in dem kein Übel geschieht. Ja, wir haben alle unsere Kämpfe auf dieser Seite der Herrlichkeit zu bestehen, doch wir sind getröstet im Wissen, dass Gott mit uns ist – seine Liebe lebt in uns für alle Zeit durch Christus – durch sein Wort und seinen Geist. Die Schrift stellt fest: “der in euch ist, ist grösser als der, der in der Welt ist“ (1. Johannes 4,4).

von Joseph Tkack


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