Eine Familie sein

598 eine familie seinEs war nie Gottes Absicht, dass die Kirche lediglich eine Institution werden sollte. Unser Schöpfer wollte immer, dass sie sich wie eine Familie verhält und in Liebe miteinander umgeht. Als er entschied, die Grundelemente für die menschliche Zivilisation festzulegen, schuf er die Familie als Einheit. Sie sollte als Vorbild für die Kirche dienen. Mit Kirche bezeichnen wir eine Gemeinschaft von Herausberufenen, die Gott und ihren Mitmenschen in Liebe dienen. Kirchen, die sich förmlich institutionalisiert haben, verlieren die Kraft, die sie nach Gottes Absicht haben sollten.

Als Jesus am Kreuz hing, waren seine Gedanken bei seiner Familie und im übertragenen Sinne bei seiner zukünftigen Kirche. «Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich» (Johannes 19,26-27). Er wandte sich an seine Mutter und an den Jünger Johannes und legte mit seinen Worten den Anfang zu dem, was die Kirche werden würde, Gottes Familie.

In Christus werden wir zu «Brüdern und Schwestern». Dies ist keine sentimentale Ausdrucksweise, sondern zeigt ein zutreffendes Bild von dem, was wir als Kirche sind: Herausberufene in Gottes Familie. Das ist ein ziemlich gemischter Haufen von belasteten Leuten. In dieser Familie gibt es ehemalige dämonenbesessene Menschen, Steuereintreiber, Ärzte, Fischer, politisch Radikale, Zweifler, ehemalige Prostituierte, Nichtjuden, Juden, Männer, Frauen, alte Menschen, junge Menschen, Akademiker, Arbeiter, Extrovertierte oder Introvertierte.

Nur Gott konnte all diese Menschen zusammenführen und sie zu einer auf Liebe gegründeten Einheit umwandeln. Die Wahrheit besteht darin, dass die Kirche wie eine echte Familie zusammenlebt. Durch Gottes Gnade und Berufung werden radikal unterschiedlichen Charakteren zu Gottes Ebenbildern umgestaltet und bleiben so in Liebe miteinander verbunden.

Wenn wir uns einig sind, dass das Familienkonzept ein Beispiel für das kirchliche Leben sein soll, was IST dann eine gesunde Familie? Eine Eigenschaft, die funktionierende Familien zeigen, ist, dass jedes Mitglied um die anderen besorgt ist. Gesunde Familien versuchen, das Beste füreinander hervorzubringen. Gesunde Familien sind bestrebt, jedem Mitglied so gut wie möglich zu helfen. Gott möchte sein Potential durch, mit und in ihm entwickeln. Das ist für uns Menschen nicht immer einfach, besonders angesichts der Vielfalt von Persönlichkeiten und Menschen mit Fehlern, die Gottes Familie darstellen. Zu viele Christen wandern auf der Suche nach der idealen kirchlichen Familie umher, aber Gott fordert uns auf, den zu lieben, mit dem man zusammen ist. Jemand sagte einmal: Jeder kann die ideale Kirche lieben. Die Herausforderung besteht darin, die wahre Kirche zu lieben. Gottes Kirche im Nächsten.

Liebe ist mehr als nur ein Gefühl. Sie beeinflusst auch unser Verhalten. Gemeinschaft und Freundschaft sind wesentliche Elemente in einer harmonierenden Familie. Nirgendwo gibt uns die Heilige Schrift die Erlaubnis, einfach aufzuhören, in die Kirche zu gehen, Familie zu sein, weil jemand uns etwas angetan hat. In der frühen Kirche gab es einen beträchtlichen Umfang an Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten, aber man hielt am Evangelium und seiner Verkündigung fest und überwand die Schwierigkeiten, dank Gottes Heiligem Geist.

Als Evodia und Syntyche nicht miteinander auskamen, ermutigte Paulus die beteiligten Parteien, ihre Differenzen zu überwinden (Philipper 4,2). Paulus und Barnabas hatten einmal einen heftigen Streit über Johannes Markus, dass sie sich voneinander trennten (Apostelgeschichte 15,36-40). Paulus widerstand Petrus von Angesicht zu Angesicht wegen seiner Heuchelei unter den Heiden und Juden (Galater 2,11).

Es wird sicher unangenehme Zeiten miteinander geben, aber ein Leib, eine Familie in Christus zu sein, bedeutet, dass wir sie miteinander durchhalten werden. Es ist die unreife Liebe, oder anders ausgedrückt Lieblosigkeit, die uns von Gottes Volk weggehen lässt. Das Zeugnis der Familie Gottes ist so wirkungsvoll, dass Jesus sagte, durch unsere Liebe zueinander würden alle Menschen wissen, dass wir zu ihm gehören.
Es gibt eine Geschichte von einem Bankier, der immer eine Münze in den Becher eines beinamputierten Bettlers warf, der auf der Strasse vor der Bank sass. Aber im Gegensatz zu den meisten Menschen bestand der Bankier immer darauf, einen der Bleistifte zu bekommen, die der Mann neben sich hatte. Sie sind ein Kaufmann, sagte der Bankier, und ich erwarte immer einen guten Gegenwert von Händlern, mit denen ich Geschäfte mache. Eines Tages war der beinamputierte Mann nicht auf dem Bürgersteig. Die Zeit verging, und der Bankier vergass ihn, bis er ein öffentliches Gebäude betrat und dort in einem Kiosk sass der ehemalige Bettler. Offensichtlich war er jetzt der Besitzer eines Kleinunternehmens. Ich habe immer gehofft, dass Sie eines Tages vorbeikommen würden, sagte der Mann. Sie sind weitgehend dafür verantwortlich, dass ich hier bin. Sie sagten mir immer wieder, dass ich «ein Kaufmann» sei. Ich begann, mich selbst so zu sehen, anstatt als Bettler, der Almosen erhält. Ich fing an, Bleistifte zu verkaufen – viele davon. Sie haben mir Selbstachtung gegeben und veranlassten mich, mich selbst anders zu sehen.

Worauf kommt es an?

Die Welt wird die Kirche vielleicht nie als das sehen, wie sie tatsächlich ist, aber wir sollten es! Christus ändert alles. In ihm gibt es eine echte Familie, die das ewige Leben miteinander verbringt. In ihm werden wir zu Brüdern und Schwestern, eine Familie trotz all unserer Unterschiede. Diese neuen Familienbande werden für immer in Christus bestehen. Lassen Sie uns weiterhin diese Botschaft in Wort und Tat, in der Welt um uns herum, verbreiten.


von Santiago Lange