Gebetspraxis
Viele von Ihnen wissen, wenn ich auf Reisen bin, ich meine Grüsse in der jeweiligen Landessprache aussprechen möchte. Ich freue mich über ein einfaches "Hallo" hinauszugehen. Manchmal bringt mich jedoch eine Nuance oder Feinheit der Sprache durcheinander. Obwohl ich über die Jahre ein paar Worte in verschiedenen Sprachen und etwas Griechisch und Hebräisch in meinem Studium gelernt habe, bleibt Englisch die Sprache meines Herzens. So ist sie auch die Sprache, in der ich bete.
Indem ich über das Gebet nachdenke, erinnere ich mich an eine Geschichte. Da gab es einen Mann, der sich wünschte, so gut zu beten, wie er nur konnte. Als Jude war er sich bewusst, dass das traditionelle Judentum betont auf Hebräisch betet. Als Ungebildeter kannte er die hebräische Sprache nicht. So tat er das Einzige, was er zu tun wusste. Er wiederholte in seinen Gebeten immer wieder das hebräische Alphabet. Ein Rabbi hörte, wie der Mann betete und fragte ihn, weshalb er das tue. Der Mann antwortete: "Der Heilige, gesegnet sei er, weiss, was in meinem Herzen ist. Ich gebe ihm die Buchstaben und er setzt die Worte zusammen."
Ich glaube, Gott hörte die Gebete des Mannes, denn als erstes interessiert Gott das Herz dessen, der betet. Worte sind ebenfalls wichtig, denn sie vermitteln die Bedeutung des Gesagten. Gott, der El Shama ist (der Gott, der hört, Psalm 17,6), hört das Gebet in allen Sprachen und versteht die innewohnenden Feinheiten und Nuancen eines jeden Gebetes.
Wenn wir die Bibel in Englisch lesen, kann es leicht passieren, einige Feinheiten und Nuancen der Bedeutung, die uns die biblischen Ursprachen in Hebräisch, Aramäisch und Griechisch vermitteln, zu verpassen. Zum Beispiel wird das hebräische Wort Mitzwa typischerweise in das englische Wort Gebot übersetzt. Aber aus dieser Perspektive betrachtet, ist man geneigt, Gott als strengen Zuchtmeister zu sehen, der belastende Vorschriften verwaltet. Aber Mitzwa bezeugt, dass Gott sein Volk segnet und privilegiert, nicht belastet. Als Gott seinem auserwählten Volk sein Mitzwa gab, legte er zuvor die Segnungen fest, die Gehorsam hervorbringen, im Gegensatz zu den Flüchen, die aus Ungehorsam kommen. Gott sagte seinem Volk: "Ich möchte, dass ihr auf diese Art und Weise leben sollt, auf dass ihr das Leben habt und anderen ein Segen seid." Das auserwählte Volk war geehrt und privilegiert mit Gott im Bunde zu sein, und war eifrig bemüht, ihm zu dienen. Gnädig unterwies sie Gott, in dieser Gottesbeziehung zu leben. Aus dieser Beziehungsperspektive sollten auch wir das Thema Gebet angehen.
Der Judaismus interpretierte die hebräische Bibel dahingehend, dass formale Gebete dreimal täglich erforderlich seien, und am Sabbat und den Festtagen zusätzliche Male. Es gab vor den Mahlzeiten besondere Gebete und dann, wenn neue Kleider angezogen, die Hände gewaschen und Kerzen angezündet wurden. Ebenso gab es spezielle Gebete, wenn etwas Ungewöhnliches zu sehen war, ein majestätischer Regenbogen oder andere aussergewöhnlich schöne Ereignisse. Wenn sich die Wege mit einem König oder anderen Honoraren kreuzten oder sich grosse Tragödien ereigneten, wie z. B. ein Kampf oder Erdbeben. Es gab spezielle Gebete, wenn etwas aussergewöhnlich Gutes oder Schlechtes geschehen ist. Gebete vor dem Schlafengehen am Abend und nach dem Aufstehen am Morgen. Obwohl dieser Gebetsansatz zum Ritual oder lästig werden könnte, war es dessen Absicht, eine ständige Kommunikation mit dem Einen zu erleichtern, der über sein Volk wacht und es segnet. Der Apostel Paulus übernahm diese Absicht, als er in 1. Thessalonicher 5,17 Christi Nachfolger ermahnte : "Hört niemals auf zu beten". Dies zu tun bedeutet, das Leben mit gewissenhaftem Vorsatz vor Gott zu leben, in Christus zu sein und sich mit ihm im Dienst zu vereinen.
Diese Beziehungsperspektive bedeutet nicht, auf festgelegte Gebetszeiten zu verzichten und sich ihm im Gebet nicht strukturiert zu nahen. Ein Zeitgenosse sagte zu mir: "Ich bete, wenn ich mich dazu inspiriert fühle." Ein anderer sagte: "Ich bete, wenn es sinnvoll ist, dies zu tun." Ich denke, beide Kommentare übersehen die Tatsache, in welcher das andauernde Gebet Ausdruck unserer innigen Gottesbeziehung im Alltag ist. Das erinnert mich an Birkat HaMazon, eines der bedeutsamsten Gebete im Judentum, welches bei gewöhnlichen Mahlzeiten gesprochen wird. Es bezieht sich auf 5. Mose 8,10, wo es heisst: "Wenn ihr dann reichlich zu essen habt, preist den Herrn, euren Gott, für das gute Land, das er euch geschenkt hat." Wenn ich ein köstliches Mahl genossen habe, kann ich nichts weiter tun, als Gott dankbar zu sein, der es mir gegeben hat. Unser Gottesbewusstsein und Gottes Rolle in unserem täglichen Leben zu erhöhen, ist eines der grossen Absichten des Gebetes.
Wenn wir nur beten, wenn wir uns dazu inspiriert fühlen, wenn wir also schon Kenntnis von Gottes Gegenwart haben, werden wir unser Gottesbewusstsein nicht erhöhen. Demut und Ehrfurcht vor Gott kommen nicht einfach so zu uns. Das ist ein weiterer Grund, das Gebet zu einem täglichen Bestandteil der Zwiesprache mit Gott zu machen. Beachten Sie, wenn wir in diesem Leben etwas gut machen wollen, müssen wir das Gebet fortwährend üben, selbst wenn uns gefühlsmässig nicht danach zu Mute ist. Das gilt für das Gebet, ebenso für den Sport oder der Beherrschung eines Musikinstruments und nicht zuletzt auch, um ein guter Schriftsteller zu werden (und viele von Ihnen wissen, dass das Schreiben nicht eine meiner Lieblings-Aktivitäten ist).
Ein orthodoxer Priester erzählte mir einmal, dass er sich in alter Tradition während des Gebetes bekreuzige. Wenn er aufwache, danke er als Erstes dafür, einen weiteren Tag in Christus zu leben. Während er sich selbst bekreuzigt, beendet er das Gebet mit den Worten: "Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Einige sagen, diese Praxis sei unter der Obhut Jesu als Ersatz für die jüdische Praxis, Gebetsriemen zu tragen, entstanden. Andere sagen, es ist nach der Auferstehung Jesu entstanden. Mit dem Zeichen des Kreuzes ist es die Kurzform für Jesu Sühnewerk. Sicher wissen wir, dass es in den Jahren 200 nach Christus eine gängige Praxis war. Tertullian schrieb damals: "Bei allem, was wir unternehmen, setzen wir das Zeichen des Kreuzes auf die Stirn. Sooft wir einen Ort betreten oder verlassen; bevor wir uns kleiden; bevor wir baden; wenn wir unsere Mahlzeiten nehmen; wenn wir abends die Lampen anzünden; bevor wir schlafen gehen; wenn wir uns hinsetzen, um zu lesen; vor jeder Aufgabe zeichnen wir das Zeichen des Kreuzes auf die Stirn."
Obwohl ich nicht sage, dass wir irgendwelche besonderen Gebetsrituale annehmen müssen, einschliesslich uns selbst zu bekreuzigen, bitte ich dringend, regelmässig, konsequent und unablässig zu beten. Dies gibt uns viele hilfreiche Möglichkeiten zu erkennen, wer Gott ist und wer wir in Bezug zu ihm sind, um stets beten zu können. Können Sie sich vorstellen, wie sich unsere Beziehung zu Gott vertiefen würde, wenn wir morgens beim Aufwachen, während des ganzen Tages, und bevor wir einschlafen, an Gott denken und ihn anbeten? Wenn wir auf diese Weise handeln, wird es gewiss dazu beitragen, den Tag, gedanklich mit Jesus verbunden, bewusst mit ihm zu „wandeln“.
Hören Sie nie auf zu beten,
Joseph Tkach
Präsident GRACE COMMUNION INTERNATIONAL
PS: Bitte vereinen Sie sich mit mir und vielen anderen Gliedern des Leibes Christi im Gebet für die Lieben der Opfer, die durch eine Schiesserei während einer Gebetsversammlung in der Emanuel African Methodist Episcopal (AME) Kirche in der Innenstadt von Charleston, South Carolina, gestorben sind. Neun unserer christlichen Brüder und Schwestern wurden ermordet. Dieser schändliche, hasserfüllte Vorfall zeigt uns auf schockierende Weise, dass wir in einer gefallenen Welt leben. Es zeigt uns deutlich, wir haben den Auftrag, inständig für das letztendliche Kommen des Reiches Gottes, und für die Wiederkunft Jesu Christi, zu beten. Mögen wir alle im Gebet Fürbitte für die Familien leisten, die unter diesem tragischen Verlust leiden. Lassen Sie uns auch für die AME-Gemeinde beten. Ich staune über die Art und Weise, wie sie, gegründet auf Gnade, geantwortet haben. Eine sich als hochherzig erweisende Liebe und Vergebung inmitten überwältigender Trauer. Was für ein gewaltiges Zeugnis des Evangeliums!
Schliessen wir auch alle Menschen in unsere Gebete und Fürbitten ein, die in diesen Tagen unter Menschengewalt, Krankheiten oder anderen Nöten leiden.