Vor einigen Jahren war ich in Harare, Simbabwe, um kirchliche Vorträge zu halten. Nachdem ich mich in meinem Hotel einquartiert hatte, machte ich einen Nachmittagsspaziergang durch die Strassen der geschäftigen Hauptstadt. Eines der Gebäude im Stadtzentrum fiel mir aufgrund seines Architekturstils besonders auf. Ich machte ein paar Fotos, da hörte ich plötzlich jemanden schreien: „Hey! Hey! Hey Sie da!“ Als ich mich umdrehte, sah ich direkt in die mich wütend anstarrenden Augen eines Soldaten. Er war mit einem Gewehr bewaffnet und richtete es voller Zorn auf mich. Dann fing er an, mir mit der Mündung seines Gewehrs gegen meine Brust zu stossen und brüllte mich an: „Das ist ein Sicherheitsbereich – es ist verboten, hier Fotos zu machen!“ Ich war sehr erschrocken. Ein Sicherheitsbereich mitten in der Stadt? Wie konnte das passieren? Die Leute hielten an und starrten auf uns. Die Situation war angespannt, aber seltsamerweise hatte ich keine Angst. Ich sagte ruhig: „Es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass hier ein Sicherheitsbereich ist. Ich werde keine Fotos mehr machen.“ Das aggressive Geschrei des Soldaten ging weiter, aber je lauter er schrie, desto mehr senkte ich meine Stimme. Wieder entschuldigte ich mich. Dann passierte etwas Erstaunliches. Auch er senkte nach und nach seine Lautstärke (und sein Gewehr!), änderte seinen Tonfall und hörte mir zu, anstatt mich anzugreifen. Nach einiger Zeit hatten wir ein recht erfreuliches Gespräch, das schliesslich damit endete, dass er mir den Weg zur örtlichen Buchhandlung zeigte!
Als ich wegging und in mein Hotel zurückkehrte, kam mir immer wieder ein bekannter Spruch in den Sinn: „Eine linde Antwort stillt den Zorn“ (Sprüche 15,1). Durch diesen bizarren Vorfall hatte ich die dramatische Wirkung der weisen Worte Salomos erlebt. Ich erinnerte mich auch daran, an diesem Morgen ein konkretes Gebet gesprochen zu haben, das ich später mit Ihnen teilen werde.
In unserer Kultur ist es nicht üblich, eine linde Antwort zu geben – eher ist es das Gegenteil. Wir werden dazu gedrängt, „unsere Gefühle rauszulassen“ und zu „sagen, was wir fühlen“. Die Bibelstelle in Sprüche 15,1 scheint uns zu ermutigen, dass wir uns alles gefallen lassen sollen. Aber jeder Narr kann schreien oder beleidigen. Es braucht viel mehr Charakter, um einem verärgerten Menschen mit Ruhe und Sanftmut zu begegnen. Es geht darum, dass wir in unserem täglichen Leben christus-ähnlich sind (1. Johannes 4,17). Ist das nicht leichter gesagt als getan? Ich habe einige wertvolle Lektionen gelernt (und lerne immer noch!), wenn ich es mit einer wütenden Person zu tun habe und eine linde Antwort verwende.
Ist es nicht so, wenn Sie sich mit jemanden streiten, dann wird der andere versuchen, zurückzuschlagen? Wenn der Gegner schneidende Bemerkungen macht, dann wollen wir ihn zurechtstutzen. Wenn er losschreit oder brüllt, dann schreien wir möglichst noch lauter. Jeder will das letzte Wort haben, einen letzten Treffer landen oder einen letzten Hieb versetzen. Aber wenn wir einfach unsere Geschütze zurückfahren und nicht versuchen, dem anderen zu beweisen, dass er im Unrecht ist und nicht aggressiv sind, dann beruhigt sich der andere oft schnell. Viele Streitigkeiten können durch die Art der Antwort, die wir geben, noch mehr aufgeheizt oder entschärft werden.
Ich habe auch gelernt, dass etwas nicht immer so ist, wie wir denken, wenn jemand sich über uns zu ärgern scheint. Der verrückte Fahrer, der Ihnen heute den Weg abgeschnitten hat, ist heute Morgen nicht aufgewacht mit der Absicht, Sie von der Strasse zu vertreiben! Er kennt Sie nicht mal, aber er kennt seine Frau und ist wütend auf sie. Zufälligerweise waren Sie ihm nur im Weg! Die Intensität dieser Wut steht oft in keinem Verhältnis zur Bedeutung des Ereignisses, das sie zum Ausbruch brachte. Der gesunde Menschenverstand wird durch Ärger, Frustration, Enttäuschung und Feindseligkeit gegenüber den falschen Leuten ersetzt. Deshalb haben wir es dann mit einem aggressiven Fahrer im Strassenverkehr, einem unhöflichen Kunden in der Kassenschlange oder einem schreienden Chef zu tun. Sie sind gar nicht derjenige, auf den sie wütend sind, also nehmen Sie deren Ärger nicht persönlich!
Wenn wir auf eine verärgerte Person mit einer linden Antwort reagieren wollen, muss zuerst unsere Herzenshaltung stimmen. Früher oder später werden sich unsere Gedanken gewöhnlich in unseren Worten und Verhaltensweisen widerspiegeln. Das Buch der Sprüche lehrt uns, dass „das Herz eines weisen Mannes sich durch kluge Reden auszeichnet“ (Sprüche 16,23). Wie ein Eimer Wasser aus einem Brunnen schöpft, so nimmt die Zunge auf, was im Herzen ist, und schüttet es aus. Wenn die Quelle sauber ist, dann ist es auch das, was die Zunge redet. Wenn sie verunreinigt ist, wird auch die Zunge Unreines sprechen. Wenn unser Verstand mit bitteren und verärgerten Gedanken verseucht ist, wird unsere reflexartige Reaktion auf eine verärgerte Person hart, beleidigend und vergeltend sein. Merken Sie sich den Spruch: „Eine linde Antwort stillt den Zorn; aber ein hartes Wort erregt Grimm“ (Sprüche 15,1). Verinnerlichen Sie ihn. Salomo sagt: „Halte sie dir stets vor Augen und bewahre sie in deinem Herzen. Denn wer sie gefunden hat, dem bringen sie Leben und sind heilsam für seinen ganzen Körper“ (Sprüche 4,21-22 Neue Genfer Übersetzung).
Wann immer wir jemandem begegnen, der wütend ist, haben wir die Wahl, wie wir auf ihn reagieren. Dies jedoch aus eigener Kraft zu versuchen und entsprechend zu handeln, können wir nicht. Das bringt mich zu meinem oben angekündigten Gebet: „Vater, lege deine Gedanken in meinen Geist. Lege deine Worte auf meine Zunge, damit deine Worte zu meinen Worten werden. In deiner Gnade hilf mir heute für andere wie Jesus zu sein.“ Wütende Menschen tauchen in unserem Leben auf, wenn wir es am wenigsten erwarten. Seien Sie vorbereitet.
von Gordon Green