Israels Geschichte kann man nur mit dem Wort Versagen auf den Punkt bringen. Gottes Beziehung mit dem Volk Israel wird in den Büchern Mose als ein Bund bezeichnet, eine Beziehung, in dem Treuegelübte und Verheissungen ausgesprochen wurden. Doch wie die Bibel aufzeigt, gab es seitens der Israeliten zahlreiche Fälle, in denen sie versagt haben. Sie vertrauten Gott nicht und murrten über Gottes Taten. Ihr typisches Verhalten des Misstrauens und Ungehorsams durchzieht die ganze Geschichte Israels.
Die Treue Gottes ist das Highlight in der Geschichte des Volkes Israel. Daraus schöpfen wir heute grosses Vertrauen. Da Gott sein Volk damals nicht zurückwies, wird er uns auch nicht zurückweisen, selbst wenn wir Zeiten des Versagens durchmachen. Aufgrund schlechter Entscheidungen mögen wir Schmerz und Leid erfahren, aber wir müssen keine Angst haben, dass Gott uns nicht mehr liebt. Er ist immer treu.
Während der Zeit der Richter befand sich Israel ständig in einem Kreislauf von Ungehorsam – Unterdrückung – Reue – Befreiung. Nach dem Tod des jeweiligen Führers begann der Kreislauf wieder von vorn. Nach mehreren solcher Abläufe, bat das Volk den Propheten Samuel um einen König, eine königliche Familie, so dass stets ein Nachkomme vorhanden sei, um die nächste Generation zu führen. Gott erklärte Samuel: „sie haben nicht dich, sondern mich verworfen, dass ich nicht mehr König über sie sein soll. Sie tun dir, wie sie immer getan haben von dem Tage an, da ich sie aus Ägypten führte, bis auf diesen Tag, dass sie mich verlassen und andern Göttern gedient haben“ (1. Samuel 8,7-8). Gott war ihr unsichtbarer Führer, doch das Volk vertraute ihm nicht. Deshalb gab Gott ihnen eine Person, die als Mittler dienen sollte, die als Repräsentant das Volk in seinem Auftrage regieren könnte.
Saul, der erste König, war ein Versager, weil er Gott nicht vertraute. Daraufhin salbte Samuel David zum König. Obwohl David in seinem Leben in schlimmster Weise versagte, war sein Verlangen vor allem darauf ausgerichtet, Gott anzubeten und ihm zu dienen. Nachdem er grösstenteils für Frieden und Wohlstand sorgen konnte, bot er Gott an, ihm einen grossen Tempel in Jerusalem zu bauen. Dieser sollte ein Symbol der Beständigkeit, nicht nur für die Nation, sondern auch für deren Anbetung des wahren Gottes sein.
In einem hebräischen Wortspiel sagte Gott: „Nein, David, du wirst mir kein Haus bauen. Es wird umgekehrt sein: Ich werde dir ein Haus bauen, das Haus Davids. Es wird ein Königtum sein, das ewiglich bestehen wird und einer deiner Nachkommen wird den Tempel für mich bauen“ (2. Samuel 7,11-16, eigene Zusammenfassung). Gott benutze die Bundesformel: „Ich will sein Vater sein, und er soll mein Sohn sein“ (V 14). Er verhiess, dass Davids Königtum ewiglich bestehen werde (V 16).
Aber nicht einmal der Tempel bestand ewig. Das Königtum Davids ging unter – religiös und militärisch. Was ist aus Gottes Verheissung geworden? Die Verheissungen an Israel wurden in Jesus erfüllt. Er steht im Zentrum der Beziehung Gottes mit seinem Volk. Die Sicherheit, die das Volk suchte, konnte nur in einer Person gefunden werden, die dauerhaft existiert und immer treu ist. Die Geschichte Israels weist uns auf Grösseres als Israel hin, dennoch ist es auch Bestandteil der Geschichte Israels.
Während der Wüstenwanderung des Volkes Israel wohnte Gott in der Stiftshütte: „ich bin umhergezogen in einem Zelt als Wohnung“ (2. Samuel 7,6). Salomos Tempel wurde als neuer Wohnsitz Gottes errichtet und „die Herrlichkeit des Herrn erfüllte das Haus Gottes“ (2. Chr 5,14). Das war symbolisch zu verstehen, da das Volk wusste, dass der Himmel und aller Himmel Himmel Gott nicht würden fassen können (2. Chr 6,18).
Gott versprach, für immer unter den Israeliten zu wohnen, wenn sie ihm gehorsam wären (1. Kön 6,12-13). Da sie ihm jedoch nicht gehorchten, entschied er, „dass er sie von seinem Angesicht täte” (2. Kön 24,3), d.h. er liess sie in ein anderes Land in Gefangenschaft wegführen. Aber wieder blieb Gott treu und hat sein Volk nicht verworfen. Er versprach, dass er ihren Namen nicht austilgen wolle (2. Kön 14,27). Sie würden zur Reue kommen und seine Nähe suchen, selbst in einem fremden Land. Gott hatte ihnen versprochen, dass wenn sie zu ihm umkehren würden, er sie in ihr Land zurückbringen werde, wodurch auch die Wiederherstellung der Beziehung symbolisch zum Ausdruck kommen sollte (5. Mose 30,1-5; Nehemia 1,8-9).
Gott versprach David: „Und ich will meinem Volk Israel eine Stätte geben und will es pflanzen, dass es dort wohnen soll, und es soll sich nicht mehr ängstigen, und die Gewalttätigen sollen es nicht mehr aufreiben wie vormals“ (1. Chr 17,9). Diese Verheissung ist erstaunlich, da sie in einem Buch vorkommt, das nach dem Exil Israels geschrieben wurde. Die Geschichte des Volkes Israels weist über deren Geschichte hinaus – es ist eine Verheissung, deren Erfüllung noch aussteht. Die Nation brauchte einen Führer, der von David abstammte, und doch grösser als David war. Sie brauchten die Gegenwart Gottes, die sich nicht nur in einem Tempel symbolisierte, sondern für jeden Menschen Wirklichkeit sein würde. Sie brauchten ein Land, in dem Frieden und Wohlstand nicht nur von Dauer wären, sondern eine Veränderung der ganzen Welt, so dass es nie wieder Unterdrückung gibt. Israels Geschichte verweist auf eine zukünftige Wirklichkeit. Doch gab es auch eine Wirklichkeit im alten Israel. Gott hatte einen Bund mit Israel geschlossen und hielt ihn treu ein. Sie waren sein Volk, selbst als sie ungehorsam waren. Obwohl viele Menschen vom rechten Weg abgekommen sind, gab es auch viele, die fest blieben. Obwohl sie gestorben sind, ohne die Erfüllung gesehen zu haben, werden sie wieder leben, um den Führer, das Land und das Beste von allem, ihren Heiland zu sehen und in seiner Gegenwart ewiges Leben zu haben.
von Michael Morrison