Sünde ist Gesetzlosigkeit, ein Zustand der Rebellion gegen Gott. Seit der Zeit, da die Sünde durch Adam und Eva in die Welt kam, steht der Mensch unter dem Joch der Sünde – einem Joch, das nur durch Gottes Gnade durch Jesus Christus weggenommen werden kann. Der sündige Zustand der Menschheit zeigt sich in der Tendenz, sich selbst und die eigenen Interessen über Gott und seinen Willen zu stellen. Sünde führt zu Entfremdung von Gott und zu Leid und Tod. Weil alle Menschen Sünder sind, bedürfen sie auch alle der Erlösung, die Gott durch seinen Sohn anbietet. (1. Johannes 3,4; Römer 5,12; 7,24-25; Markus 7,21-23; Galater 5,19-21; Römer 6,23; 3,23-24)
“OK, ich verstehe es schon: Das Blut Christi tilgt alle Sünden. Und mir ist darüber hinaus klar, dass dem nichts hinzuzufügen ist. Aber ich habe dazu doch noch eine Frage: Wenn Gott mir um Christi willen all meine Sünden – die zurückliegenden ebenso wie die, die ich jetzt oder in Zukunft begehe – vollkommen vergeben hat, was sollte mich dann davon abhalten, nach Herzenslust weiter zu sündigen? Ich meine, ist das Gesetz für Christen etwa bedeutungslos? Sieht Gott jetzt stillschweigend darüber hinweg, wenn ich sündige? Will er gar nicht, dass ich aufhöre zu sündigen?“ Das sind schon vier Fragen – und sehr wichtige noch dazu. Wir wollen sie der Reihe nach beleuchten – vielleicht tauchen dabei ja noch weitere auf.
Zunächst einmal sagten Sie, Ihnen sei klar, dass das Blut Christi alle Sünden tilge. Das ist schon ein bedeutsamer Ansatz. Viele Christen sind sich dessen nicht bewusst. Sie glauben, die Sündenvergebung sei ein Geschäft, eine Art Handel zwischen Mensch und Gott, wobei man selber sich gottgerecht verhält und der himmlische Vater einem, quasi im Gegenzug, Vergebung und Erlösung zusagt.
Nach diesem Denkmodell setzen Sie beispielsweise Ihren Glauben an Jesus Christus ein und Gott belohnt Sie dafür, indem er mit dem Blut seines Sohnes Ihre Sünden tilgt. Wie du mir, so ich dir. Das wäre gewiss ein guter Handel, aber eben immer noch ein Handel, ein Geschäft und ganz sicher kein reiner Gnadenakt, wie ihn das Evangelium verkündet. Diesem Denkmodell zufolge fallen die meisten Menschen der Verdammnis anheim, weil sie mit ihrem Einsatz zu spät kommen und Gott das Blut Jesu nur einigen wenigen zuteil werden lässt – der Erlösung der ganzen Welt dient es demnach jedenfalls nicht.
Viele Kirchen aber belassen es noch nicht einmal dabei. Potenzielle Gläubige lassen sich von der Verheissung anlocken, durch Gnade allein Errettung zu erfahren; einmal der Kirche beigetreten, sieht sich der Gläubige dann allerdings mit einer Reihe von Richtlinien konfrontiert, wonach nichtkonformes Verhalten sehr wohl mit einem Ausschluss – nicht nur aus der Kirche, sondern unter Umständen sogar aus dem Reich Gottes selber – geahndet werden kann. Soviel zum Thema „durch Gnade errettet“.
Es gibt zwar der Bibel gemäss tatsächlich einen Grund, jemanden aus der Gemeinschaft der Kirche (aber natürlich nicht aus dem Reich Gottes) auszuschliessen, aber das ist ein anderes Thema. Für den Moment wollen wir es bei der Aussage belassen, dass man in Glaubenskreisen Sünder häufig nicht so gern dabei hat, wo doch das Evangelium ihnen ausdrücklich die Türe offen hält.
Laut Evangelium ist Jesus Christus nicht allein das Sühneopfer für unsere Sünden, sondern für die Sünden der ganzen Welt (1. Johannes 2,2). Und das bedeutet im Gegensatz zu dem, was vielen Christen von ihren Predigern gesagt wird, dass er wirklich für jeden Einzelnen die Schuld auf sich genommen hat.
Jesus sagte: „Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen“ (Johannes 12,32). Jesus ist Gott der Sohn, durch den alles existiert (Hebräer 1,2-3) und dessen Blut wirklich alles versöhnt, was er erschaffen hat (Kolosser 1,20).
Sie sagten darüber hinaus, Ihnen sei bewusst, dass die Regelung, die Gott für Sie in Christus getroffen hat, nicht durch Ihr Hinzutun zu Ihrem Vorteil verändert werden kann. Auch in diesem Punkt haben Sie anderen einiges voraus. Die Welt ist voller Sünden bekämpfender Moralprediger, die ihre eingeschüchterten Anhänger Woche für Woche auf einen mit möglichen Fehltritten gepflasterten Parcours schicken, in dessen Verlauf sie einer ganzen Reihe von besonderen Auflagen und Unterlassungen gerecht werden müssen und deren Befolgen oder Nichtbefolgen Gottes Geduldsfaden ständig reissen zu lassen droht, womit sich das ganze mitleiderregende Häuflein ständig der Gefahr ausgesetzt sieht, als geistliche Versager die Feuerqualen der Hölle erleiden zu müssen.
Das Evangelium hingegen verkündet, dass Gott die Menschen liebt. Er hat es nicht auf sie abgesehen und ist nicht gegen sie. Er wartet nicht ab, bis sie straucheln, um sie dann wie Ungeziefer zu zerquetschen. Er ist, ganz im Gegenteil, auf ihrer Seite und liebt sie so sehr, dass er alle Menschen, wo immer sie auch leben mögen, durch das Sühneopfer seines Sohnes von aller Sünde befreit hat (Johannes 3,16).
In Christus ist die Tür zum Reich Gottes offen. Die Menschen können Gottes Wort vertrauen (glauben), sich ihm zuwenden (bereuen) und das ihnen so grosszügig geschenkte Erbe antreten – oder aber weiterhin Gott als ihren Vater verleugnen und ihre Rolle in der Familie Gottes verschmähen. Der Allmächtige gesteht uns Wahlfreiheit zu. Wenn wir ihn verleugnen, respektiert er unsere Entscheidung. Die von uns getroffene Wahl ist dann zwar nicht die uns seinerseits zugedachte, aber er lässt uns die Freiheit, uns so zu entscheiden.
Gott hat alles Erdenkliche für uns getan. In Christus hat er „Ja“ zu uns gesagt. Nun liegt es bei uns, auf sein „Ja“ unsererseits mit „Ja“ zu antworten. Die Bibel aber weist darauf hin, dass es erstaunlicherweise tatsächlich Menschen gibt, die auf sein Angebot mit „Nein“ antworten. Es sind die Gottlosen, die Hasserfüllten, jene, die gegen den Allmächtigen und sich selbst sind.
Letzten Endes nehmen sie für sich in Anspruch, einen besseren Weg zu kennen; sie brauchen ihren himmlischen Vater nicht. Sie respektieren weder Gott noch Mensch. Sein Angebot, uns all unsere Sünden zu erlassen und bis in alle Ewigkeit von ihm gesegnet zu sein, ist in ihren Augen keinen Pfifferling wert, sondern blanker Hohn – ohne Bedeutung und Wert. Gott, der seinen Sohn auch für sie hingab, nimmt ihre furchtbare Entscheidung, Kinder des Teufels zu bleiben, dem sie Gott gegenüber den Vorzug geben, schlicht und einfach zur Kenntnis.
Er ist der Erlöser und kein Zerstörer. Und sein ganzes Tun gründet sich auf nichts anderes als seinen Willen – und er kann tun, was er will. Er ist an keine fremden Regeln gebunden, aber er bleibt aus freien Stücken seiner feierlich gelobten Liebe und seinem Versprechen unwiderruflich treu. Er ist, wer er ist, und er ist genau der, der er sein will; er ist unser Gott voller Gnade, Wahrheit und Treue. Er vergibt uns unsere Sünden, weil er uns liebt. So will er es, und so ist es.
Es gibt kein Gesetz, das uns zum ewigen Leben verhelfen könnte (Galater 3,21). Wir Menschen halten uns ganz einfach nicht an Gesetze. Wir können zwar den ganzen Tag darüber debattieren, ob es uns theoretisch möglich wäre, uns gesetzestreu zu verhalten, aber letzten Endes tun wir es dann doch nicht. So war es in der Vergangenheit und so wird es auch künftig sein. Der einzige, der dies zu tun vermochte, war Jesus allein.
Es gibt nur einen Weg, Erlösung zu erlangen, und das ist durch Gottes Geschenk, das wir ohne Gegenleistung und Auflagen entgegennehmen dürfen (Epheser 2,8-10). Wie jedes andere Geschenk auch können wir es annehmen oder zurückweisen. Und wie auch immer wir uns entscheiden mögen, gehört es uns allein schon aus Gottes Gnade, aber Nutzen und Freude wird es uns nur bringen, wenn wir es tatsächlich annehmen. Es ist einfach eine Frage des Vertrauens. Wir glauben Gott und wenden uns ihm zu.
Wenn wir aber andererseits tatsächlich so dumm sind, es zurückzuweisen, werden wir, so traurig es ist, in unserer selbst gewählten Dunkelheit des Todes weiterleben, so als sei uns der Licht und Leben schenkende goldene Kelch nie gereicht worden.
Wer sich so entscheidet und mit derartiger Geringschätzung Gottes durch nichts zu erkaufendes Geschenk zurückweist – ein Geschenk, das mit dem Blut seines Sohnes, durch den alles Bestehende existiert, teuer bezahlt ist –, wählt nichts anderes als die Hölle. Aber wie dem auch sei, Gottes Angebot des uns so teuer erkauften Lebens gilt für die Menschen, die sich für diesen Weg entscheiden, gleichermassen wie für jene, die sein Geschenk annehmen. Jesu Blut sühnt alle Sünden, nicht nur einige (Kolosser 1,20). Sein Sühneopfer gilt der ganzen Schöpfung und nicht nur einem Teil von ihr.
Jenen, die ein solches Geschenk verschmähen, bleibt der Zugang zu Gottes Reich nur deshalb versagt, weil sie sich selber dagegen entschieden haben. Sie wollen keinen Anteil daran haben, und obwohl Gott nie aufhört, sie zu lieben, wird er ihren Verbleib dort auch nicht dulden, damit sie das ewig währende Freudenfest nicht mit dem von ihnen vergötterten Stolz, Hass und Unglauben verderben können. So gehen sie dorthin, wo es ihnen am besten gefällt – geradeweg in die Hölle, wo niemand ist, der Spass daran hat, ihre elende Selbstzentriertheit zu vermiesen.
Ohne Gegenleistung gewährte Gnade – welch eine gute Nachricht! Obgleich wir es in keinster Weise verdienen, entschied Gott, uns in seinem Sohn das ewige Leben zu schenken. Ob wir es nun glauben oder verspotten. Wie auch immer wir uns entscheiden mögen, soviel ist für immer und ewig wahr: Mit dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi hat Gott uns konkret gezeigt, wie sehr er uns liebt und wie weit er geht, um uns unsere Sünden zu vergeben und uns mit ihm auszusöhnen.
Grosszügig verschenkt er in nie enden wollender Liebe allerorts seine Gnade an wirklich jedermann. Gott macht uns aus reiner Gnade und ohne eine Gegenleistung dafür einzufordern das Geschenk der Erlösung, und wirklich jeder, der sein Wort glaubt und ihn zu seinen Bedingungen annimmt, kann in seinen Genuss kommen.
So weit, so gut. Kommen wir nun wieder zu Ihren Fragen. Wenn Gott mir denn schon meine Sünden vergeben hat, noch bevor ich sie begangen habe, was sollte mich dann daran hindern zu sündigen, was das Zeug hält?
Lassen Sie uns zunächst einmal etwas klarstellen. Die Sünde entspringt in erster Linie dem Herzen und ist keine blosse Aneinanderreihung einzelner Missetaten. Sünden kommen nicht aus dem Nichts; sie haben ihren Ursprung in unseren verstockten Herzen. Zur Lösung unserer Sündenproblematik bedarf es folglich eines gefestigten Herzens, und dazu müssen wir das Problem an der Wurzel packen, anstatt lediglich seine Auswirkungen zu kurieren.
Gott hat kein Interesse an sich beständig wohl verhaltenden Robotern. Er möchte eine von Liebe getragene Beziehung mit uns pflegen. Er liebt uns. Deshalb kam auch Christus, um uns zu erretten. Und Beziehungen gründen sich auf Vergebung und Gnade – nicht auf erzwungene Fügsamkeit.
Wenn ich beispielsweise will, dass meine Frau mich liebt, zwinge ich sie dann, so zu tun als ob? Wenn ich es täte, würde mein Verhalten vielleicht Gefügigkeit zur Folge haben, ganz sicher aber würde ich sie damit nicht dazu bewegen können, mich wirklich zu lieben. Liebe lässt sich nicht erzwingen. Zwingen kann man Menschen nur zu bestimmtem Handeln.
Durch Selbstaufopferung hat Gott uns gezeigt, wie sehr er uns liebt. Durch Vergebung und Gnade hat er seine grosse Liebe unter Beweis gestellt. Indem er an unserer statt für unsere Sünden litt, hat er gezeigt, dass uns nichts von seiner Liebe trennen kann (Römer 8,38).
Gott will Kinder, keine Sklaven. Er will einen Bund der Liebe mit uns und keine Welt voller zur Fügsamkeit gezwungener Duckmäuser. Er machte uns zu freien Geschöpfen, denen echte Entscheidungsfreiheit gegeben ist – und unsere Entscheidungen bedeuten ihm viel. Er will, dass wir uns für ihn entscheiden.
Gott schenkt uns die Freiheit, uns so zu verhalten, wie wir es für richtig halten, und er vergibt uns unsere Fehltritte. Er tut dies aus freien Stücken. So wollte er es, und so geschieht es, ohne Abstriche. Und wenn wir auch nur ein Fünkchen Verstand haben, erkennen wir, wie seine Liebe gemeint ist, und halten an ihm fest, so als sei heute der letzte Tag.
Was sollte uns nun also daran hindern, nach freiem Belieben zu sündigen? Nichts. Absolut nichts. Und es ist nie anders gewesen. Das Gesetz hielt nie jemanden davon ab zu sündigen, wenn er es denn wollte (Galater 3,21-22). Und so haben wir immer gesündigt, und Gott hat es immer zugelassen. Er hat uns nie daran gehindert. Er heisst unser Tun nicht gut. Und er sieht auch nicht stillschweigend darüber hinweg. Er billigt es nicht. Ja, es schmerzt ihn. Und doch lässt er es immer zu. Das nennt man Freiheit.
Wenn die Bibel davon spricht, dass wir Gerechtigkeit in Christus haben, so ist es genauso gemeint, wie es da steht (1. Korinther 1,30; Philipper 3,9).
Gerechtigkeit vor Gott haben wir nicht aus uns selbst heraus, sondern nur in Christus. Aus uns selbst heraus sind wir aufgrund unserer Sündhaftigkeit tot, gleichzeitig aber sind wir in Christus lebendig – unser Leben ist in Christus verborgen (Kolosser 3,3).
Ohne Christus ist unsere Lage hoffnungslos; ohne ihn sind wir unter die Sünde verkauft und haben keine Zukunft. Christus aber errettete uns. Das ist das Evangelium – welch gute Nachricht! Durch seine Rettung erlangen wir, so wir denn sein Geschenk annehmen, eine völlig neue Beziehung zu Gott.
Aufgrund all dessen, was Gott in Christus für uns getan hat – wozu auch sein Ermuntern, ja Drängen gehört, ihm zu vertrauen –, ist Christus jetzt in uns. Und um Christi willen (denn er tritt für uns ein; er lässt die Toten wiederauferstehen) haben wir, obwohl wir um der Sünde willen tot sind, Gerechtigkeit vor Gott und werden von ihm angenommen. Und all das geschieht von Anfang bis Ende nicht durch uns, sondern durch Gott, der uns nicht durch Zwang, sondern kraft seiner bis zur Selbstaufopferung gehenden Liebe, wie sie sich im Dahingeben seiner Selbst manifestiert, für sich gewinnt.
Paulus machte unmissverständlich klar, worin der Sinn des Gesetzes liegt. Es führt uns vor Augen, dass wir Sünder sind (Römer 7,7). Es macht deutlich, dass wir der Sünde sklavisch verfallen sind, damit wir durch den Glauben gerechtfertigt würden, als Christus kam (Galater 3,19-27).
Nehmen wir jetzt einmal für einen Moment an, Sie stellten sich dem Jüngsten Gericht in der festen
Überzeugung, vor Gott bestehen zu können, weil Ihr ganzes Streben stets darauf ausgerichtet war, dem himmlischen Vater zu gehorchen. Und so treten Sie, anstatt das am Eingang bereitgehaltene Hochzeitskleid anzulegen (das kostenfreie, reine Gewand, das den sündenbefleckten Menschen zugedacht ist, die wissen, dass sie es brauchen), angetan mit Ihrem eigenen, vom steten Mühen arg gezeichneten Alltagskleid, durch einen Seiteneingang ein, wobei Sie Ihr übler Geruch auf Schritt und Tritt begleitet, und nehmen Ihren Platz an der Tafel ein.
Der Herr des Hauses wird Ihnen entgegnen: „He, du da, woher nimmst du die Frechheit, hier einzutreten und mich vor all meinen Gästen mit deinen Drecksklamotten zu beleidigen?“ Und dann wird er die Bediensteten auffordern: „Legt diesem elenden Hochstapler Handschellen an und werft ihn hochkantig hinaus!“
Wir können ganz einfach nicht aus eigener Kraft unser eigenes schmutziges Gesicht mit unserem eigenen schmutzigen Wasser, unserer eigenen schmutzigen Seife und unserem eigenen schmutzigen Waschlappen reinwaschen und fröhlich weiter unseres Weges ziehen in der irrigen Annahme, unser hoffnungslos verdrecktes Gesicht sei nun rein. Es gibt nur einen Weg, die Sünde zu besiegen, und er liegt nicht in unserer Hand.
Vergessen wir nicht, dass wir um der Sünde willen tot sind (Römer 8,10), und Tote können sich per definitionem nun einmal nicht zum Leben erwecken. Stattdessen sollte unser geschärftes Schuldbewusstsein uns dazu bewegen, darauf zu vertrauen, dass Jesus uns von unserer Sündhaftigkeit reinwäscht (1. Petrus 5,10-11).
Gott hat uns Gnade und Erlösung in so überreichem Masse zuteil werden lassen, um uns von der Sünde zu befreien und nicht, um uns die Freiheit zu schenken, nach Belieben weiter zu sündigen. Damit sind wir nicht nur von der Sünde Schuld befreit, sondern auch in der Lage, die nackte Sünde so zu sehen, wie sie ist, und nicht in schöner Verbrämung, die dazu angetan ist, uns hinters Licht zu führen. Und so können wir auch ihre betrügerische und anmassende Macht, die sie auf uns ausübt, erkennen und abschütteln. Nichtsdestotrotz bleibt Jesu Sühneopfer für uns – wenngleich wir weiterhin sündigen, was ganz sicher der Fall sein wird – ohne Abstriche bestehen (1. Johannes 2,1-2).
Gott sieht keinesfalls stillschweigend über unsere Sündhaftigkeit hinweg, vielmehr verurteilt er sie schlicht und ergreifend. So billigt er unsere nüchterne, rein vernunftorientierte Betrachtungsweise ebenso wenig wie unsere komatöse Aussetzung des gesunden Menschenverstandes oder unsere völlig überstürzten Reaktionen auf Versuchungen jeglicher Art, angefangen beim Zorn, über die Wollust bis hin zu Verhöhnung und Stolz. Häufig genug lässt er uns sogar die natürlichen Folgen unseres selbstgewählten Tuns alleine tragen.
Jedoch schliesst er uns, die wir unseren Glauben und unser Vertrauen in ihn setzen (was bedeutet, dass wir das reine Hochzeitsgewand tragen, das er für uns bereithält) auch nicht (wie manche Prediger zu glauben scheinen) wegen unserer armseligen Entscheidungen, die wir treffen, von seinem Hochzeitsfest aus.
Ist Ihnen, wenn Sie sich in Ihrem Leben wieder einmal einer Sünde bewusst geworden sind, schon einmal aufgefallen, dass Sie Ihr Gewissen plagt, bis Sie Ihre Verfehlungen vor Gott bekannt haben? (Und wahrscheinlich gibt es da einige, die Sie ziemlich häufig beichten müssen.)
Warum tun Sie das? Etwa, weil Sie sich vorgenommen haben, „fortan nach Herzenslust zu sündigen“? Oder vielleicht doch eher, weil Ihr Herz in Christus ruht und Sie im Einklang mit dem Ihnen innewohnenden Heiligen Geist zutiefst betrübt sind, bis Sie wieder mit Ihrem Herrn im Reinen sind?
Der uns innewohnende Heilige Geist, so heisst es in Römer 8,15-17, „gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind“. Dabei sollten Sie zwei Punkte keinesfalls aus den Augen verlieren: 1. Sie sind, so bezeugt es der Heilige Geist Gottes selbst, in Christus und mit allen Heiligen ein Kind unseres himmlischen Vaters, und 2. Der Heilige Geist als der Ihnen innewohnende Zeuge Ihres wahren Ichs wird nicht ruhen, Sie aufzurütteln, wenn Sie so weiterleben wollen, als seien Sie noch immer „totes Fleisch“ wie vor Ihrer Erlösung durch Jesus Christus.
Machen Sie keinen Fehler! Die Sünde ist zugleich Gottes wie auch Ihr Feind, und wir müssen sie bis aufs Blut bekämpfen. Dabei dürfen wir jedoch nie glauben, unsere Erlösung hänge davon ab, wie erfolgreich wir gegen sie zu Felde ziehen. Unsere Erlösung hängt von Christi Sieg über die Sünde ab, und den hat unser Herr bereits für uns davongetragen. Die Sünde und der sie überschattende Tod sind bereits durch Jesu Tod und Auferstehung niedergerungen worden, und die von jenem Sieg ausgehende Kraft spiegelt sich von Anbeginn der Zeit bis in alle Ewigkeit in der ganzen Schöpfung wider. Die einzigen auf der Welt, die die Sünde überwunden haben, sind diejenigen, die fest darauf vertrauen, dass Christus ihre Auferstehung und ihr Leben ist.
Gott freut sich über die guten Werke seiner Kinder (Psalm 147,11; Offenbarung 8,4). Er ist beglückt über die Freundlichkeit, und Güte, die wir einander erweisen, über unsere Liebesopfer, unseren Gerechtigkeitseifer sowie über Aufrichtigkeit und Frieden (Hebräer 6,10).
Diese erwachsen, wie jedes andere gute Werk aus dem Wirken des Heiligen Geistes in uns, der uns dazu bewegt, Gott zu vertrauen, zu lieben und zu ehren. Sie sind unverbrüchlich mit der Liebesbeziehung verbunden, die er mit uns durch den Opfertod und die Auferstehung Jesu Christi, des Herrn des Lebens, eingegangen ist. Solche Taten und Werke entspringen dem Wirken Gottes in uns, die wir seine geliebten Kinder sind, und als solche sind sie nie vergeblich (1. Korinther 15,58).
Unser ehrlicher Eifer zu tun, was Gott gefällt, spiegelt die Liebe unseres Erlösers wider, aber unsere guten Werke, die wir in seinem Namen vollbringen, sind es nicht – das sei nochmals betont –, die uns erretten. Hinter der Gerechtigkeit, die in unseren Gottes Gesetzen Gehorsam zollenden Worten und Taten zum Ausdruck kommt, steht Gott selbst, der voller Freude und zu seiner Herrlichkeit in uns wirkt, um gute Frucht hervorzubringen.
So wäre es dumm, uns selbst zuschreiben zu wollen, was er in uns bewirkt. Genauso dumm wäre es anzunehmen, dass das Blut Jesu, das alle Sünden auslöscht, einen Teil unserer Sündhaftigkeit bestehen liesse. Denn wenn wir dies dächten, hätten wir immer noch keinen blassen Schimmer, wer dieser ewige, allmächtige dreieinige Gott ist – Vater, Sohn und Heiliger Geist –, der alles erschuf und uns in seinem Grossmut durch das Blut seines Sohnes erlöst, der durch den Heiligen Geist in uns wohnt und die ganze Schöpfung erneuert, ja der uns gemeinsam mit dem ganzen Universum (Jesaja 65,17) aus unbeschreiblich grosser Liebe neu erschafft (2. Korinther 5,17).
Obgleich Gott uns gebietet zu tun, was richtig und gut ist, bestimmt er über unsere Erlösung dennoch nicht nach Soll und Haben. Was auch gut für uns ist, denn wenn er dies täte, so würden wir alle als unzureichend zurückgewiesen werden.
Gott errettet uns aus Gnade, und wir können uns der Erlösung durch ihn erfreuen, wenn wir unser Leben ganz in seine Hände legen, uns ihm zuwenden und ihm allein vertrauen, uns von den Toten aufzuerwecken (Epheser 2,4-10; Jakobus 4,10).
Über unsere Erlösung bestimmt der Eine, der die Namen der Menschen im Buch des Lebens verzeichnet, und er hat bereits unser aller Namen mit dem Blut des Lammes in jenes Buch geschrieben (1. Johannes 2,2). Es ist schon äusserst tragisch, dass einige dies nicht glauben wollen; denn wenn sie dem Herrn des Lebens vertrauten, würden sie erkennen, dass das Leben, das sie mühsam zu retten versuchen, überhaupt nicht das eigentliche Leben ist, sondern der Tod, und dass ihr wahres Leben mit Christus in Gott verborgen ist und nur darauf wartet, offenbart zu werden. Unser himmlischer Vater liebt sogar seine Feinde, und sein Wunsch ist es, dass auch sie sich wie ihre Mitmenschen ihm zuwenden und in die Glückseligkeit seines Reiches eingehen (1 Tim 2,4. 6).
Lassen Sie uns also zusammenfassen. Sie fragten: „Wenn Gott mir um Christi willen all meine Sünden – die zurückliegenden ebenso wie die, die ich jetzt oder in Zukunft begehe – vollkommen vergeben hat, was sollte mich dann davon abhalten, nach Herzenslust weiter zu sündigen? Ich meine, ist das Gesetz für Christen etwa bedeutungslos? Sieht Gott jetzt stillschweigend darüber hinweg, wenn ich sündige? Will er gar nicht, dass ich aufhöre zu sündigen?“
Nichts wird uns davon abhalten, nach Belieben zu sündigen. Das ist auch nie anders gewesen. Gott hat uns einen freien Willen geschenkt und misst ihm auch einen hohen Stellenwert bei. Er liebt uns und möchte mit uns einen Bund der Liebe eingehen; eine solche Beziehung aber kommt nur zustande, wenn sie einer freien Entscheidung entspringt, die sich auf Vertrauen und Vergebung gründet und nicht durch Drohungen oder erzwungene Fügsamkeit herbeigeführt wurde.
Wir sind weder Roboter noch irgendwelche virtuellen Gestalten in einem vorherbestimmten Spiel. Wir sind als reale, freie Wesen von Gott in der ihm eigenen schöpferischen Freiheit erschaffen worden, und die persönliche Beziehung zwischen uns und ihm ist wirklich vorhanden.
Das Gesetz ist bei weitem nicht bedeutungslos; es dient dazu, uns unmissverständlich vor Augen zu führen, dass wir Sünder sind und als solche weit davon entfernt, Gottes vollkommenem Willen zu entsprechen. Der Allmächtige gesteht uns zu, dass wir sündigen, aber ganz bestimmt sieht er nicht stillschweigend darüber hinweg. Deshalb hat er noch nicht einmal vor der Selbstaufopferung zurückgeschreckt, um uns von der Sünde zu erlösen. Sie ist es nämlich, die uns und unseren Mitmenschen Schmerz zufügt und uns zerstört. Sie entspringt einem von Unglauben und egoistischer Auflehnung gegen die Urquelle unseres Lebens und Daseins verstockten Herzen. Sie nimmt uns die Kraft, uns dem wahren Leben, dem wirklichen Dasein zuzuwenden, und hält uns in der Dunkelheit des Todes und des Nichts gefangen.
Falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten: Die Sünde schmerzt höllisch – und das im wörtlichen Sinne –, denn ihrem Wesen nach ist sie die wahre Hölle. So macht es vergleichsweise genauso viel Sinn, „nach Herzenslust zu sündigen“, wie die eigene Hand in den Rasenmäher zu stecken. „Nun“, so hörte ich jemanden sagen, „wenn uns bereits vergeben ist, so könnten wir doch auch genauso gut Ehebruch begehen“.
Sicher, wenn es Ihnen nichts ausmacht, in ständiger Angst vor etwaigen Folgen zu leben, dem Risiko einer ungewollten Schwangerschaft bzw. irgendwelcher unangenehmer Geschlechtskrankheiten ausgesetzt zu sein und Ihrer Familie damit das Herz zu brechen, sich selbst in Misskredit zu bringen, Ihre Freunde zu verlieren, für Unterhaltszahlungen zu bluten, von einem schlechten Gewissen geplagt zu werden und es wahrscheinlich auch noch mit einem äusserst erzürnten Ehemann, Freund, Bruder oder Vater zu tun zu bekommen.
Sünde hat Folgen, negative Folgen, und genau aus diesem Grund wirkt Gott in Ihnen, um Ihr Ich mit dem Bild Christi in Einklang zu bringen. Sie können auf seine Stimme hören und mit an sich arbeiten oder aber weiterhin ihre Kraft in den Dienst verwerflichen Tuns stellen.
Darüber hinaus dürfen wir nicht vergessen, dass die Sünden, an die wir gemeinhin denken, wenn wir davon sprechen, „nach freiem Belieben zu sündigen“, nur die Spitze des Eisberges bilden. Wie steht es damit, wenn wir uns „einfach nur“ habgierig, egoistisch oder grob verhalten? Wenn wir uns als undankbar erweisen, Gemeinheiten von uns geben oder nicht helfen, wenn wir es eigentlich sollten? Wie steht es mit unserem anderen gegenüber gehegten Groll, dem Neid auf deren Arbeitsplatz, Kleidung, Auto oder Haus bzw. finsteren Gedanken, denen wir nachhängen? Wie steht es mit unseres Arbeitgebers Bürobedarf, an dem wir uns bereichern, unserer Beteiligung an Klatsch und Tratsch bzw. der Herabsetzung unseres Partners oder unserer Kinder? Und so könnten wir beliebig fortfahren.
Auch das sind Sünden, einige gross, andere eher klein, und wissen Sie was? Wir fahren fort, sie zu begehen, so viel wir wollen. Deshalb ist es schon gut, dass Gott uns aus Gnade errettet und nicht aufgrund unserer Werke, nicht wahr? Dass wir sündigen, ist nicht in Ordnung, es hindert uns jedoch nicht daran, uns weiter schuldig zu machen. Gott will nicht, dass wir sündigen, und doch weiss er besser als wir, dass wir um der Sünde willen tot sind und beharrlich weiter sündigen werden, bis unser wahres, in Christus verborgenes Leben – erlöst und sündlos – bei seiner Wiederkunft offenbar wird (Kolosser 3,4).
Allein aufgrund der uns so grosszügig zuteil werdenden Gnade und grenzenlosen Macht unseres auf ewig lebendigen und uns ewig liebenden Gottes sind Gläubige paradoxerweise um der Sünde willen tot und dennoch in Jesus Christus lebendig (Römer 5,12; 6,4-11). Trotz unserer Sünden wandeln wir nicht länger auf dem Pfad des Todes, da wir an unsere Auferstehung in Christus glauben und sie für uns angenommen haben (Römer 8,10-11; Epheser 2,3-6). Bei der Wiederkunft Christi, wenn selbst unsere sterbliche Hülle Unsterblichkeit erlangt, wird sie sich erfüllen (1. Korinther 15,52-53).
Nichtgläubige aber fahren fort, auf dem Pfad des Todes zu wandeln, nicht in der Lage, sich ihres in Christus verborgenen Lebens zu erfreuen (Kolosser 3,3), bis auch sie zum Glauben kommen; das Blut Christi tilgt zwar auch ihre Sünde, sie aber werden erst dann darauf vertrauen können, dass er sie von den Toten erlöst, wenn sie der guten Botschaft Glauben schenken können, dass er ihr Erlöser ist, und sich ihm zuwenden. Nichtgläubige sind also genauso erlöst wie Gläubige – Christus starb für alle Menschen (1 Johannes 2,2) –, sie wissen es nur noch nicht, und weil sie nicht glauben, was sie nicht wissen, leben sie weiter in der Furcht vor dem Tod (Hebräer 2,14-15) und in der vergeblichen Lebensmüh in all ihren falschen Erscheinungsformen (Epheser 2,3).
Der Heilige Geist macht die Gläubigen dem Bilde Christi gleich (Römer 8,29). In Christus ist die Macht der Sünde gebrochen, und wir sind nicht länger in ihr gefangen. Trotzdem sind wir noch immer schwach und geben der Sünde Raum (Römer 7,14-29; Hebräer 12,1).
Weil er uns liebt, sorgt sich Gott sehr um unsere Sündhaftigkeit. Er liebt die Welt so sehr, dass er seinen ewigen Sohn sandte, damit alle, die an ihn glauben, nicht in der Dunkelheit des Todes bleiben, der die Frucht der Sünde ist, sondern in ihm das ewige Leben haben. Es gibt nichts, was Sie von seiner Liebe trennen könnte, nicht einmal Ihre Sünden. Vertrauen Sie ihm! Er hilft Ihnen, in Gehorsam zu wandeln, und vergibt Ihnen jede Ihrer Sünden. Er ist aus freien Stücken Ihr Erlöser, und in seinem Tun ist er vollkommen.
Michael Feazell