Jenseits der Selbstrechtfertigung
Ich fühlte mich gezwungen, das Paar Schuhe zu erwerben, weil es im Sonderangebot war und wunderbar zu dem Kleid passte, welches ich in der vergangenen Woche erstanden hatte. Auf der Autobahn sah ich mich genötigt zu beschleunigen, da die Fahrzeuge hinter mir durch ihr zügiges Vorankommen signalisierten, dass ich mein Tempo erhöhen sollte. Den letzten Kuchen habe ich verzehrt, um im Kühlschrank Platz zu schaffen – eine Notwendigkeit, die mir durchaus vernünftig erschien. Wir beginnen bereits in unserer Kindheit mit kleinen Notlügen und setzen dies im Erwachsenenalter fort.
Diese kleinen Notlügen gebrauchen wir oft aus Furcht, die Gefühle unserer Mitmenschen zu verletzen. Sie kommen zum Einsatz, wenn wir Handlungen vollziehen, von denen wir tief im Inneren wissen, dass wir sie besser unterlassen sollten. Es sind die Taten, bei denen wir uns schuldig fühlen sollten, doch unterbleibt dieses Gefühl häufig, da wir überzeugt sind, gute Gründe für unser Handeln zu haben. Wir sehen eine Notwendigkeit, die uns zu bestimmten Handlungen veranlasst, die uns in jenem Moment unabdingbar scheinen und die augenscheinlich niemandem Schaden zufügen. Dieses Phänomen nennt man Selbstrechtfertigung, ein Verhalten, das viele von uns an den Tag legen, ohne es bewusst wahrzunehmen. Es kann sich zu einer Gewohnheit entwickeln, zu einer Denkweise, die uns davon abhält, Verantwortung für unser Tun zu übernehmen. Persönlich ertappe ich mich oft dabei, mich zu rechtfertigen, wenn ich unbedacht kritische oder unfreundliche Bemerkungen geäussert habe. Die Zunge lässt sich nur schwer kontrollieren und durch Rechtfertigungen versuche ich, meine Schuldgefühle zu mildern.
Unsere Rechtfertigungen dienen mehreren Zwecken: Sie können das Gefühl der Überlegenheit fördern, unsere Schuldgefühle minimieren, uns in dem Glauben bestärken, wir seien im Recht, und uns eine Sicherheit suggerieren, dass wir keine negativen Konsequenzen zu befürchten haben.
Diese eigene Rechtfertigung macht uns nicht unschuldig. Sie ist trügerisch und verleitet zu der Annahme, wir könnten ungestraft Fehltritte begehen. Es gibt jedoch eine Art der Rechtfertigung, die wahrhaft unschuldig macht: «Dem aber, der nicht mit Werken umgeht, sondern an den glaubt, der den Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube zur Gerechtigkeit angerechnet» (Römer 4,5).
Wenn wir allein durch Glauben von Gott Rechtfertigung erlangen, spricht er uns von Schuld frei und macht uns vor ihm wohlgefällig: «Denn aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit niemand sich rühme» (Epheser 2,8-9).
Göttliche Rechtfertigung unterscheidet sich grundlegend von menschlicher Selbstrechtfertigung, die versucht, unser sündhaftes Verhalten mit vermeintlich guten Gründen zu entschuldigen. Wahre Rechtfertigung empfangen wir ausschliesslich durch Jesus Christus. Sie stellt nicht unsere eigene Rechtschaffenheit dar, sondern ist eine Gerechtigkeit, die uns durch Jesu Opfer zuteilwird. Wer durch lebendigen Glauben an Christus gerechtfertigt ist, spürt nicht länger das Bedürfnis, sich selbst rechtfertigen zu müssen. Wahrer Glaube führt unweigerlich zu Werken des Gehorsams. Wenn wir Jesus, unserem Herrn, gehorsam sind, werden wir unsere Beweggründe verstehen und Verantwortung übernehmen. Echte Rechtfertigung vermittelt keine Illusion von Schutz, sondern echte Sicherheit. In den Augen Gottes gerecht zu sein ist ungleich wertvoller als in unseren eigenen. Und das ist wahrlich ein erstrebenswerter Zustand.
von Tammy Tkach
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