Eine Geschichte im Alten Testament fasziniert mich ganz besonders. Der Hauptdarsteller heisst Mefi-Boschet. Das Volk Israel, die Israeliten befinden sich im Kampf mit ihrem Erzfeind, den Philistern. In dieser besonderen Situation wurden sie besiegt. Ihr König Saul und sein Sohn Jonathan mussten sterben. Die Nachricht erreicht die Hauptstadt Jerusalem. Im Palast brechen Panik und Chaos aus, weil man weiss, wenn der König getötet wird, könnten auch dessen Familienmitglieder hingerichtet werden, um sicher zu stellen, dass es keinen zukünftigen Aufstand gibt. So geschah es, dass im Augenblick des allgemeinen Chaos die Kinderschwester des fünfjährigen Mefi-Boschet, ihn mit sich nimmt und aus dem Palast flüchtet. In der Hektik, die an dem Ort herrschte, lässt sie ihn fallen. Er blieb für den Rest seines Lebens gelähmt.
«Jonatan, der Sohn Sauls, hatte einen Sohn, der war lahm an beiden Füssen; er war nämlich fünf Jahre alt, als die Kunde von Saul und Jonatan aus Jesreel kam, und seine Amme hatte ihn aufgehoben und war geflohen, und während sie eilends floh, fiel er hin und war fortan lahm. Er hiess Mefi-Boschet» (2. Samuel 4,4).
Denken Sie daran, er war aus königlichem Geschlecht und am Vortag bewegte er sich, wie jeder fünfjährige Junge, völlig sorgenfrei im Palast herum. Aber an diesem Tag ändert sich sein ganzes Schicksal schlagartig. Sein Vater und sein Grossvater wurden getötet. Er selbst wird fallen gelassen und ist für den Rest seiner Tage gelähmt, auf Hilfe von anderen Menschen angewiesen. Er lebt mit seinen Schmerzen in den nächsten 20 Jahren an einem tristen, isolierten Ort. Dies ist das Drama von Mefi-Boschet.
Was hat die Geschichte von Mefi-Boschet mit Ihnen und mir zu tun? Wie er, sind wir behinderter als wir denken. Ihre Füsse mögen nicht gelähmt sein, vielleicht aber Ihr Geist. Ihre Beine mögen nicht gebrochen sein, aber, wie die Bibel sagt, Ihr geistlicher Zustand. Wenn Paulus über unseren desolaten Zustand spricht, geht er darüber hinaus, nur gelähmt zu sein: «Auch ihr wart tot durch eure Übertretungen und Sünden» (Epheser 2,1). Paulus sagt, Wir sind hilflos, ob Sie dies bestätigen, es glauben können oder nicht. Die Bibel sagt, dass Ihre Situation, ausser Sie stehen in einer engen Beziehung zu Jesus Christus, die eines geistlich Toten ist.
«Denn Christus ist schon zu der Zeit, als wir noch schwach waren, für uns Gottlose gestorben. Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren» (Römer 5,6 und 8).
Sie können absolut nichts tun, um das Problem in Ordnung zu bringen. Es hilft nicht, sich härter anzustrengen oder sich zu bessern. Wir sind völlig behindert, mehr als wir denken. Der Plan des Königs David, ein Hirtenjunge der Schafe hütete, ist jetzt auf dem Thron als König von Israel in Jerusalem. Er war der beste Freund von Jonatan, der Vater von Mefi-Boschet. David hat nicht nur den Königsthron angenommen, sondern hat auch die Herzen des Volkes erobert. Er dehnte das Königreich von 15.500 km2 auf 155.000 km2 aus. Das Volk Israel lebte in Frieden, die Wirtschaft lief gut und das Steueraufkommen war hoch. Das Leben hätte nicht besser sein können.
Ich stelle mir vor, dass David an diesem Morgen früher aufstand als sonst jemand im Palast. Er geht gemächlich in den Hof hinaus und lässt seine Gedanken in der kühlen Morgenluft wandern, bevor der Druck des Tages sein Denken voll in Anspruch nimmt. Seine Gedanken bewegen sich zurück zu der Zeit, als er viele Stunden mit seinem treuen Freund Jonatan verbrachte, den er seit langer Zeit nicht mehr gesehen hat, weil er im Kampf getötet worden war. Dann erinnert sich David aus blauem Himmel heraus an ein Gespräch mit ihm. In diesem Moment wurde David von Gottes Güte und Gnade überwältigt. Denn ohne Jonatan wäre all das nicht möglich gewesen. Er erinnert sich an ein Gespräch, das sie führten, als sie eine gemeinsame Abmachung trafen. Darin versprachen sie einander, dass jeder von ihnen auf die Familie des anderen achten sollte, ganz gleich, wohin sie die weitere Lebensreise leiten würde. In diesem Moment kehrt David um, geht zurück in seinen Palast und sagt: «Ist noch jemand übrig geblieben von dem Hause Sauls, dass ich Barmherzigkeit an ihm tue um Jonatans willen?» (2. Samuel 9,1). Es war aber ein Knecht vom Hause Sauls, der hiess Ziba, den riefen sie zu David. Ziba sprach zum König: Es ist noch ein Sohn Jonatans da, lahm an den Füssen» (2. Samuel 9,3).
David fragt nicht, gibt es noch jemand, der würdig ist? David fragt schlicht: Gibt es irgendjemanden? Diese Frage ist Ausdruck von Güte. Aus Zibas Antwort lässt sich heraushören: Ich bin mir nicht sicher, dass er königliche Qualitäten besitzt. «Der König sprach zu ihm: Wo ist er? Ziba sprach zum König: Siehe, er ist in Lo-Dabar im Hause Machirs, des Sohnes Ammiëls» (2. Samuel 9,4). Der Name bedeutet buchstäblich, kein Weideland.
Der vollkommene, der heilige, der rechtschaffene, der allmächtige, unendlich kluge Gott der Schöpfer des ganzen Universums, rennt mir nach und rennt Ihnen nach. Wir sprechen von suchenden Menschen, Leute auf einer geistlichen Reise, um geistliche Realitäten zu entdecken. In Wirklichkeit ist Gott der Suchende. Das sehen wir in der ganzen Heiligen Schrift. Am Anfang der Bibel beginnt die Geschichte von Adam und Eva, wo sie sich vor Gott versteckten. In der Abendkühle kommt Gott und sucht Adam und Eva und fragt: Wo bist du? Nachdem Moses den tragischen Fehler gemacht hatte, einen Ägypter zu töten, musste er 40 Jahre um sein Leben bangen und in die Wüste flüchten. Dort sucht Gott ihn in der Gestalt eines brennenden Busches auf und verursacht eine Besprechung mit ihm. Im Neuen Testament sehen wir Jesus wie er zwölf Männern begegnet und ihnen auf die Schulter klopft und sagt: Möchtet ihr euch meiner Sache anschliessen?
«Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten in der Liebe; er hat uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten» (Epheser 1,4-6)
Unsere Beziehung zu Jesus Christus, die Rettung, wird uns von Gott geschenkt. Sie wird von Gott gesteuert und wird von Gott eingeleitet. Sie ist von Gott hervorgebracht worden. Zurück zu unserer Geschichte. David hat nun eine Gruppe von Männern nach Lo-Dabar am öden Rande Gileads ausgesandt, um Mefi-Boschet zu suchen. Er lebt in Isolierung und Anonymität und wollte nicht gefunden werden. Aber er wurde entdeckt. Sie setzen Mefi-Boschet in den Wagen und fahren ihn zurück zur Hauptstadt, in den Palast. Die Bibel berichtet uns wenig oder nichts über diese Wagenfahrt. Aber ich bin sicher, dass wir uns alle vorstellen können, wie es wäre, unten auf dem Wagenboden zu sitzen. Welche Emotionen Mefi-Boschet auf dieser Fahrt empfunden haben muss, Furcht, Panik, Ungewissheit. Der Wagen fährt vor dem Palast. Die Soldaten tragen ihn hinein und platzieren ihn in der Mitte des Raumes. Er kämpft irgendwie mit seinen Füssen und David kommt herein.
«Als nun Mefi-Boschet, der Sohn Jonatans, des Sohnes Sauls, zu David kam, fiel er auf sein Angesicht und huldigte ihm. David aber sprach: Mefi-Boschet! Er sprach: Hier bin ich, dein Knecht. »David sprach zu ihm: Fürchte dich nicht, denn ich will Barmherzigkeit an dir tun um deines Vaters Jonatan willen und will dir den ganzen Besitz deines Vaters Saul zurückgeben; du aber sollst täglich an meinem Tisch essen. Er aber fiel nieder und sprach: Wer bin ich, dein Knecht, dass du dich wendest zu einem toten Hund, wie ich es bin?» (2. Samuel 9,6-8).
Er versteht, dass er ein Krüppel ist. Nichts hat er David anzubieten. Aber darum geht es bei der Gnade. Der Charakter, die Natur Gottes, ist die Neigung und Veranlagung, unwürdigen Leuten freundliche und gute Dinge zukommen zu lassen. Aber, seien wir ehrlich. Das ist nicht die Welt, in der die meisten von uns leben. Wir leben in einer Welt, die sagt: Ich verlange mein Recht und gebe den Menschen, was sie verdienen. Die meisten Könige hätten einen potenziellen Thronanwärter hingerichtet. Indem er sein Leben schonte, zeigte David Erbarmen. Er erwies ihm Gnade dadurch, weil er ihm Barmherzigkeit erwies.
Nachdem wir nun aufgrund des Glaubens bei Gott angenommen sind, haben wir Frieden mit Gott. Das verdanken wir Jesus Christus, unserem Herrn. Er öffnete uns den Weg des Vertrauens und damit den Zugang zur Gnade Gottes, in der wir jetzt festen Stand gewonnen haben (Römer 5,1-2).
Wie Mefi-Boschet haben wir Gott nichts anzubieten, ausser Dankbarkeit: «Zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten. In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade» (Eph1,6-7).
Die ganze Schuld ist uns vergeben. So zeigte Gott uns den Reichtum seiner Gnade. Wie gross und reich ist die Gnade Gottes. Entweder haben Sie das Wort noch nicht gehört oder Sie weigern sich zu glauben, dass es wahr ist. Es ist die Wahrheit, weil Sie geliebt sind und Gott Ihnen nachgegangen ist. Als Glaubende hatten wir eine Gnadenbegegnung. Unser Leben veränderte sich durch die Liebe Jesu und wir verliebten uns in Ihn. Wir hatten es nicht verdient. Wir waren es nicht wert. Aber Christus bot uns dieses wunderbarste Geschenk des Lebens an. Deswegen ist unser Leben jetzt anders. Die Geschichte von Mefi-Boschet könnte genau hier enden, und es wäre eine grossartige Geschichte.
Zwanzig Jahre musste derselbe Junge als Flüchtling im Exil leben. Sein Schicksal hat eine radikale Änderung erfahren. David sprach zu Mefi-Boschet: «Esse an meinem Tisch wie einer der Königssöhne» (2. Samuel 9,11).
Mefi-Boschet ist jetzt Teil der Familie. Ich mag die Art und Weise, wie die Geschichte endet, denn es scheint so, als habe der Verfasser eine kleine Nachschrift an das Ende der Geschichte platziert. Es ist die Rede davon, wie Mefi-Boschet diese Gnade erlebte und jetzt mit dem König zusammenleben soll und dass er an der Tafel des Königs essen darf.
Stellen Sie sich etliche Jahre später folgende Szene vor. Die Glocke läutet im Palast des Königs und David kommt zur Haupttafel und setzt sich. Kurz darauf lässt sich der listige, schlaue Amnon, an der linken Seite von David nieder. Dann erscheint Tamar, eine schöne und freundliche junge Frau und lässt sich neben Amnon nieder. Auf der anderen Seite kommt der frühreife, brillante, in Gedanken versunkene Salomo langsam von seinem Studierzimmer. Absalom mit wallendem, schulterlangem Haar nimmt Platz. An diesem Abend ist auch Joab, der mutige Krieger und Truppenkommandeur, zum Abendessen eingeladen worden. Ein Platz ist jedoch immer noch unbesetzt und alle warten. Sie hören schlurfende Füsse und den rhythmischen Ton der Krücken. Es ist Mefi-Boschet, der langsam seinen Weg zur Tafel schafft. Er schlüpft in seinen Sitz, das Tischtuch bedeckt seine Füsse. Denken Sie, dass Mefi-Boschet verstand, was Gnade ist?
Wissen Sie, das beschreibt eine zukünftige Szene, wenn sich im Himmel um eine grosse Festtafel herum die ganze Familie Gottes versammeln wird. An diesem Tag bedeckt das Tischtuch der Gnade Gottes alle unsere Bedürfnisse. Sehen Sie, der Weg, wie wir in die Familie hereinkommen, geschieht durch Gnade. Jeder Tag ist ein Geschenk seiner Gnade.
«Wie ihr nun angenommen habt den Herrn Christus Jesus, so lebt auch in ihm, verwurzelt und gegründet in ihm und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und voller Dankbarkeit» (Kolosser 2,6-7). Sie haben Jesus durch die Gnade empfangen. Da Sie nun in der Familie sind, sind Sie auch durch die Gnade in ihr. Manche von uns denken, dass wir, sobald wir Christen durch die Gnade geworden sind, wir besonders hart arbeiten und Gott alles unbedingt recht machen müssten, um sicherzustellen, dass er uns auch weiterhin mag und liebt. Doch, nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein.
Gott schenkte Ihnen nicht nur Jesus, damit Sie in seine Familie hereinkommen konnten, sondern er gibt Ihnen jetzt alles, was Sie brauchen, um ein Leben der Gnade führen zu können, sobald Sie in der Familie sind. «Was wollen wir nun hierzu sagen? Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein? Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?» (Römer 8,31-32).
Wie reagieren Sie, wenn Sie sich dieser Tatsache bewusst sind? Was ist Ihre Reaktion auf die Gnade Gottes? Was können Sie dazu beitragen? Der Apostel Paulus redet von seiner eigenen Erfahrung: «Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist» (1. Korinther 15,10).
Führen wir, die wir den Herrn kennen, ein Leben, das die Gnade widerspiegelt? Wie sehen einige der Merkmale aus, die anzeigen, dass ich ein Leben in der Gnade führe? Paulus gibt auf diese Frage die Antwort: «Aber ich achte mein Leben nicht der Rede wert, wenn ich nur meinen Lauf vollende und das Amt ausrichte, das ich von dem Herrn Jesus empfangen habe, zu bezeugen das Evangelium von der Gnade Gottes» (Apostelgeschichte 20,24). Das ist ein Lebensauftrag.
Genau wie Mefi-Boschet, sind Sie und ich geistlich gebrochen und geistlich tot gewesen. Aber wie er, so wurde auch uns nachgegangen, und zwar deshalb, weil der König des Universums uns liebt und will, dass wir in seiner Familie sind. Er möchte, dass wir durch unser Leben die Gute Nachricht von seiner Gnade verkünden.
von Lance Witt