Gottes Zorn
In der Bibel steht geschrieben: «Gott ist Liebe» (1. Johannes 4,8). Er hat beschlossen, Gutes zu tun, indem er den Menschen dient und sie liebt. Aber ebenso weist die Bibel auf Gottes Zorn hin. Doch wie kann derjenige, der reine Liebe ist, auch etwas mit Zorn zu tun haben?
Liebe und Zorn schliessen einander nicht aus. Deshalb dürfen wir erwarten, dass Liebe, der Wunsch, Gutes zu tun auch Zorn oder Widerstand gegen alles Verletzende und Zerstörende einschliesst. Gottes Liebe ist konsequent und deshalb widersteht Gott allem, was seiner Liebe entgegenwirkt. Jeder Widerstand gegen seine Liebe ist Sünde. Gott ist gegen die Sünde – er bekämpft sie und wird sie schliesslich beseitigen. Gott liebt die Menschen, aber ihm missfällt die Sünde. Allerdings ist «missfallen» viel zu milde ausgedrückt. Gott hasst die Sünde, da sie Ausdruck der Feindschaft gegen seine Liebe ist. Damit wird deutlich, was gemäss der Bibel unter dem Zorn Gottes zu verstehen ist.
Gott liebt alle Menschen, auch Sünder: «Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollten und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist» (Römer 3,23-24). Selbst als wir noch Sünder waren, sandte Gott seinen Sohn, um für uns zu sterben, um uns von unseren Sünden zu erlösen (aus Römer 5,8). Wir schliessen daraus, Gott liebt die Menschen, aber die Sünde, die ihnen schadet, hasst er. Wäre Gott nicht unerbittlich gegen alles, was gegen seine Schöpfung und seiner Geschöpfe ist und einer echten Beziehung zu ihm und seinen Geschöpfen widerstrebt, so wäre er nicht die bedingungslose, umfassende Liebe. Gott wäre nicht für uns, wenn er nicht gegen alles wäre, was auch immer gegen uns steht.
Einige Bibelstellen zeigen, dass Gott zornig auf Menschen ist. Aber Gott hat nie den Wunsch, Menschen Schmerzen zuzufügen, sondern möchte, dass sie erkennen, wie ihnen und ihren Mitmenschen ihre sündige Lebensweise schadet. Gott möchte, dass Sünder sich ändern, um die Schmerzen, welche die Sünde verursacht, zu vermeiden.
Gottes Zorn zeigt sich, wenn Gottes Heiligkeit und Liebe durch menschliche Sündhaftigkeit angegriffen wird. Menschen, die ihr Leben getrennt von Gott leben, stehen seinem Weg feindlich gegenüber. Solche gottfernen und Gott feindlich gesinnten Menschen handeln als Feinde Gottes. Da der Mensch alles Gute und Reine, das Gott ist und für das er steht, bedroht, stellt sich Gott dem Weg und den Praktiken der Sünde entschieden entgegen. Sein heiliger und liebevoller Widerstand gegen jede Form von Sündhaftigkeit wird «Gottes Zorn» genannt. Gott ist sündlos – er ist aus sich heraus ein vollkommen heiliges Wesen. Würde er sich der Sündhaftigkeit der Menschen nicht widersetzen, so wäre er nicht gut. Wäre er nicht zornig gegenüber der Sünde und würde er nicht die Sünde richten, so würde Gott der bösen Tat zugestehen, dass Sündhaftigkeit nicht absolut böse sei. Das wäre eine Lüge, denn Sündhaftigkeit ist vollständig böse. Doch Gott kann nicht lügen und bleibt sich treu, wie es seinem innersten Wesen entspricht, das heilig und liebevoll ist. Gott widersteht der Sünde, indem er ihr gegenüber eine anhaltende Feindschaft setzt, weil er alles Leid, das durch das Böse verursacht wird, aus der Welt schaffen wird.
Ende der Feindschaft
Gott hat jedoch bereits die notwendigen Massnahmen angewandt, um die Feindschaft zwischen sich und der Sünde der Menschheit zu beenden. Diese Massnahmen fliessen aus seiner Liebe, die die Essenz seines Wesens ist: «Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe» (1. Johannes 4,8). Aus Liebe erlaubt Gott seinen Geschöpfen, sich für oder gegen ihn zu entscheiden. Er erlaubt ihnen sogar, ihn zu hassen, obwohl er sich einer solchen Entscheidung widersetzt, weil sie den Menschen, die er liebt, schadet. In der Tat sagt er «Nein» zu ihrem «Nein». Indem er «Nein» zu unserem «Nein» sagt, bekräftigt er sein «Ja» zu uns in Jesus Christus. «Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen. Darin besteht die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden» (1. Johannes 4,9-10).
Gott hat unter den höchsten Kosten für sich selbst alle notwendigen Schritte ausgeführt, damit unsere Sünden vergeben und ausgelöscht werden. Jesus starb für uns, an unserer Stelle. Die Tatsache, dass sein Tod für unsere Vergebung notwendig war, zeigt die Schwere unserer Sünde und Schuld, und zeigt die Folgen, die die Sünde für uns hätte. Gott hasst die Sünde, die den Tod verursacht.
Wenn wir Gottes Vergebung in Jesus Christus annehmen, bekennen wir, dass wir sündige Geschöpfe als Gegnerschaft vor Gott gewesen sind. Wir sehen, was es bedeutet, Christus als unseren Retter anzunehmen. Wir akzeptieren, dass wir als Sünder Gott entfremdet waren und der Versöhnung bedurften. Wir anerkennen, dass wir durch Christus und sein Erlösungswerk die Versöhnung, eine grundlegende Veränderung unserer menschlichen Natur und ewiges Leben in Gott als freies Geschenk erhalten haben. Wir bereuen unser «Nein» zu Gott und danken ihm für sein «Ja» zu uns in Jesus Christus. In Epheser 2,1-10 beschreibt Paulus den Weg des Menschen unter dem Zorn Gottes hin zum Empfänger der Erlösung durch Gottes Gnade.
Gottes Absicht bestand von Anfang an darin, den Menschen seine Liebe zu erweisen, indem er der Welt ihre Sünde durch das Werk Gottes in Jesus vergab (aus Epheser 1,3-8). Aufschlussreich ist die Situation der Menschen in ihrem Verhältnis zu Gott. Welchen «Zorn» Gott auch immer hatte, plante er auch, die Menschen zu erlösen, noch bevor die Welt erschaffen wurde «Sondern erlöst mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes. Er ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt war, aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen» (1. Petrus 1,19-20). Diese Versöhnung kommt nicht durch menschliche Wünsche oder Bemühungen zustande, sondern allein durch die Person und das Erlösungswerk Jesu Christi stellvertretend für uns. Dieses Erlösungswerk wurde als «liebender Zorn» gegen die Sündhaftigkeit und für uns als Individuen vollbracht. Menschen, die «in Christus» sind, sind nicht länger Objekte des Zorns, sondern leben in Frieden mit Gott.
In Christus sind wir Menschen vor dem Zorn Gottes gerettet. Durch sein Erlösungswerk und den uns innewohnenden Heiligen Geist werden wir tiefgreifend verändert. Gott hat uns mit sich selbst versöhnt (aus 2. Korinther 5,18); er hegt nicht den Wunsch, uns zu bestrafen, denn Jesus trug unsere Strafe. Wir danken und empfangen seine Vergebung und neues Leben in einer echten Beziehung zu ihm, indem wir uns Gott zuwenden und uns von allem abwenden, was ein Götze im menschlichen Leben ist. «Habt nicht lieb die Welt noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. Denn alles, was in der Welt ist, des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. Und die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit» (1. Johannes 2,15-17). Unser Heil ist Gottes Rettung in Christus – «der uns errettet von dem zukünftigen Zorn» (1. Thessalonicher 1,10).
Der Mensch ist durch die Natur Adams zum Feind Gottes geworden, und diese Feindseligkeit und dieses Misstrauen gegenüber Gott bewirkt eine notwendige Gegenmassnahme des heiligen und liebenden Gottes – seinen Zorn. Schon von Anfang an hatte Gott aus seiner Liebe heraus beabsichtigt, den von Menschen verursachten Zorn durch das Erlösungswerk Christi zu beenden. Es geschieht durch Gottes Liebe, dass wir durch sein eigenes Erlösungswerk im Tod und Leben seines Sohnes mit ihm versöhnt wurden. «Um wie viel mehr werden wir nun durch ihn gerettet werden vor dem Zorn, nachdem wir jetzt durch sein Blut gerecht geworden sind. Denn wenn wir mit Gott versöhnt worden sind durch den Tod seines Sohnes, als wir noch Feinde waren, um wie viel mehr werden wir selig werden durch sein Leben, nachdem wir nun versöhnt sind» (Römer 5,9-10).
Gott plante, seinen gerechten Zorn gegen die Menschheit zu beseitigen, noch bevor er entstand. Gottes Zorn ist nicht mit menschlichem Zorn vergleichbar. Die menschliche Sprache hat kein Wort für diese Art von zeitlich begrenzter und bereits gelöster Opposition gegen Menschen, die sich Gott entgegenstellen. Sie verdienen Strafe, aber Gottes Wunsch ist es nicht, sie zu bestrafen, sondern sie von dem Schmerz zu befreien, der ihnen ihre Sünde verursacht.
Das Wort Zorn kann uns helfen zu verstehen, wie sehr Gott die Sünde hasst. Unser Verständnis des Wortes Zorn muss immer die Tatsache einschliessen, dass Gottes Zorn sich immer gegen die Sünde richtet, nie gegen die Menschen, weil er sie alle liebt. Gott hat bereits gehandelt, um seinen Zorn gegenüber den Menschen als beendet zu sehen. Sein Zorn gegen die Sünde endet dann, wenn die Auswirkungen der Sünde vernichtet sind. «Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod» (1. Korinther 15,26).
Wir danken Gott, dass sein Zorn aufhört, wenn die Sünde besiegt und zerstört ist. Wir haben Gewissheit in der Verheissung seines Friedens mit uns, weil er die Sünde in Christus ein für alle Mal besiegt hat. Gott hat uns durch das Erlösungswerk seines Sohnes mit sich selbst versöhnt und damit seinen Zorn gestillt. Der Zorn Gottes richtet sich also nicht gegen seine Liebe. Vielmehr dient sein Zorn seiner Liebe. Sein Zorn ist ein Mittel, um seine liebenden Absichten für alle zu verwirklichen.
Weil menschlicher Zorn selten, wenn überhaupt, liebevolle Absichten nur in geringem Masse erfüllt, können wir unser menschliches Verständnis und unsere Erfahrung mit menschlichem Zorn nicht auf Gott übertragen. Wenn wir das tun, begehen wir Götzendienst und stellen uns Gott so vor, als wäre er ein menschliches Geschöpf. Jakobus 1,20 stellt klar, dass «des Menschen Zorn nicht tut, was vor Gott recht ist». Gottes Zorn wird nicht ewig dauern, seine unerschütterliche Liebe jedoch sehr wohl.
Schlüssel-Verse
Hier sind einige wichtige Schriftstellen. Sie zeigen einen Vergleich zwischen Gottes Liebe und seinem göttlichen Zorn im Gegensatz zu dem menschlichen Zorn, den wir bei gefallenen Menschen erleben:
- «Denn des Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist» (Jakobus 1,20).
- «Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen» (Epheser 4,26).
- «Ich will nicht tun nach meinem grimmigen Zorn noch Ephraim wieder verderben. Denn ich bin Gott und nicht ein Mensch, heilig in deiner Mitte. Darum komme ich nicht im Zorn, um zu verheeren» (Hosea 11,9).
- «Ich will ihre Abtrünnigkeit heilen; gerne will ich sie lieben; denn mein Zorn hat sich von ihnen gewendet» (Hosea 14,5).
- «Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld denen, die geblieben sind als Rest seines Erbteils; der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er hat Gefallen an Gnade!» (Micha 7,18).
- «Du bist ein Gott, der vergibt, gnädig, barmherzig, geduldig und von grosser Güte» (Nehemia 9,17).
- «Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser» (Jesaja 54,8).
- «Der Herr verstösst nicht ewig; sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner grossen Güte. Denn nicht von Herzen plagt und betrübt er die Menschen. … Was murren denn die Leute im Leben, ein jeder über die Folgen seiner Sünde?» (Klagelieder 3,31-33.39).
- «Meinst du, dass ich Gefallen habe am Tode des Gottlosen, spricht Gott der Herr, und nicht vielmehr daran, dass er sich bekehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt?» (Hesekiel 18,23).
- «Zerreisst eure Herzen und nicht eure Kleider und kehrt um zu dem Herrn, eurem Gott! Denn er ist gnädig, barmherzig, geduldig und von grosser Güte, und es gereut ihn bald die Strafe» (Joel 2,13).
- «Jona betete zum Herrn und sprach: Ach, Herr, das ist's ja, was ich dachte, als ich noch in meinem Lande war. Deshalb wollte ich ja nach Tarsis fliehen; denn ich wusste, dass du gnädig, barmherzig, langmütig und von grosser Güte bist und lässt dich des Übels gereuen» (Jona 4,2).
- «Der Herr verzögert nicht die Verheissung, wie es einige für eine Verzögerung halten; sondern er hat Geduld mit euch und will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass jedermann zur Busse finde» (2. Petrus 3,9).
- «Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus. Denn die Furcht rechnet mit Strafe; wer sich aber fürchtet, der ist nicht vollkommen in der Liebe» (1. Johannes 4,17 letzter Teil-18).
Wenn wir lesen, dass «Gott die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde» (Johannes 3,16-17), dann sollten wir gerade aus dieser Tat verstehen, dass Gott «zornig» gegen die Sünde ist. Aber mit seiner Vernichtung der Sündhaftigkeit verurteilt Gott die sündigen Menschen nicht, sondern rettet sie aus Sünde und Tod, um ihnen Versöhnung und ewiges Leben anzubieten und zu schenken. Gottes «Zorn» ist nicht dazu bestimmt, «die Welt zu verurteilen», sondern die Macht der Sünde in all ihren Formen zu vernichten, damit die Menschen ihre Rettung finden und eine ewige und lebendige Beziehung der Liebe mit Gott erfahren dürfen.
von Paul Kroll