Friedrich Nietzsche (1844-1900) wurde aufgrund seiner abfälligen Kritik gegenüber dem christlichen Glauben als „der ultimative Atheist“ bekannt. Er behauptete, dass die christliche Schrift, besonders wegen ihrer Betonung der Liebe, ein Nebenprodukt von Dekadenz, Korruption und Rache sei. Statt auch nur ansatzweise die Existenz Gottes für möglich zu halten, verkündete er mit seinem berühmt gewordenen Ausspruch „Gott ist tot“, dass die grosse Vorstellung von einem Gott gestorben sei. Er beabsichtigte, den traditionellen christlichen Glauben (den er als alten toten Glauben bezeichnete) durch etwas radikal Neues zu ersetzen. Durch die Kunde von der Nachricht, dass „der alte Gott tot sei“, so behauptete er, würden Philosophen und Freigeister wie er, sich von einem neuen Aufbruch erleuchten lassen. Für Nietzsche bestand der neue Aufbruch in eine Gesellschaft der „fröhlichen Wissenschaft“, in der man frei sei vom repressiven Glauben, der den Menschen durch enge Grenzen die Freude raube.
Nietzsches Philosophie hat viele Menschen dazu motiviert, den Atheismus anzunehmen. Selbst unter Christen gibt es einige, die seine Lehren begrüssen, da sie glauben, dass diese eine Form des Christentums verurteilen, das so tut, als ob Gott tot sei. Was sie dabei übersehen ist, dass Nietzsche die Vorstellung von irgendeinem Gott für absurd hielt und jede Art von Glauben als dumm und verletzend ansah. Seine Philosophie steht im Gegensatz zum biblischen Christentum, was nicht bedeutet, dass wir uns über ihn oder andere Atheisten stellen wollen. Unsere Berufung besteht darin, dass wir Menschen (inklusive Atheisten) helfen wollen zu verstehen, dass Gott auch für sie da ist. Wir erfüllen diese Berufung, indem wir beispielhaft gegenüber unseren Mitmenschen eine Lebensweise führen, die durch eine von Freude erfüllte Beziehung mit Gott gekennzeichnet ist - oder wie wir in der WKG sagen, indem wir die gute Nachricht leben und weitergeben.
Wahrscheinlich haben Sie schon einmal einen Aufkleber (wie nebenstehend) gesehen, der sich über Nietzsche lustig macht. Was hierbei nicht berücksichtigt wird, ist, dass Nietzsche ein Jahr vor dem Verlust seines Verstandes mehrere Gedichte geschrieben hat, die darauf hinweisen, dass er seine Ansicht über Gott geändert hat. Hier ist eines davon:
Nein! Komm zurück, mit allen deinen Martern!
Zum Letzten aller Einsamen. Oh komm zurück!
All meine Tränen-Bäche laufen zu dir den Lauf!
Und meine letzte Herzens-Flamme Dir glüht sie auf!
Oh komm zurück, mein unbekannter Gott! Mein Schmerz! Mein letztes Glück!
Missverständnisse über Gott und das christliche Leben
Es scheint kein Ende zu geben, was die falsche Darstellung Gottes anbelangt, die immer wieder die Flamme des Atheismus entfacht. Gott wird falsch dargestellt als rachsüchtig, gebieterisch und strafend, statt als der Gott der Liebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Der Gott, der sich in Christus offenbart hat, der uns einlädt, ein Leben des Glaubens an ihn anzunehmen und den Lebensweg, der zum Tod führt, zu verlassen. Statt ein Leben eines Verurteilten und Unterdrückten zu führen, ist das christliche Leben eine von Freude erfüllte Teilhabe am fortdauernden Wirken Jesu, von dem in der Bibel geschrieben steht, dass er nicht gekommen sei, die Welt zu richten, sondern sie zu retten (Joh. 3,16-17). Zum richtigen Verständnis Gottes und des christlichen Lebens ist es wichtig zu erkennen, worin der Unterschied zwischen Gottes Urteilen und Verurteilungen besteht. Gott urteilt über uns nicht, weil er gegen uns ist, sondern weil er für uns ist. Durch seine Urteile weist er auf Wege hin, die zum ewigen Tod führen – das sind Wege, die uns von der Gemeinschaft mit ihm, wodurch wir dank seiner Gnade Wohlergehen und Segen empfangen, abbringen. Weil Gott die Liebe ist, richtet sich sein Urteil gegen alles, was gegen uns, seine Geliebten, steht. Während menschliches Urteilen oft als Verurteilen verstanden wird, zeigt uns Gottes Urteilen, was zum Leben führt, im Vergleich zu dem, was zum Tode führt. Seine Urteile helfen uns, der Verurteilung aufgrund von Sünde oder Bösem zu entgehen. Gott sandte seinen Sohn in die Welt, um die Macht der Sünde zu besiegen und uns aus ihrer Sklaverei und ihrer schlimmsten Konsequenz, dem ewigen Tod, zu erretten. Der dreieinige Gott möchte, dass wir die einzig wahre Freiheit erkennen: Jesus Christus, die lebendige Wahrheit, die uns frei macht. Im Gegensatz zu Nietzsches Fehlannahmen steht das christliche Leben nicht unter dem Druck von Repressalien. Stattdessen ist es ein von Freude erfülltes Leben in und mit Christus durch den Heiligen Geist. Es beinhaltet unsere Teilhabe an dem, was Jesus tut. Ich persönlich mag die Erklärung, die manche Leute aus dem Sportbereich ableiten: Christentum ist kein Zuschauersport. Leider wird selbst das von einigen Leuten falsch aufgefasst und hat dazu geführt, dass sie andere bedrängen, etwas für ihre Erlösung zu tun. Es gibt einen grossen Unterschied zwischen, gute Werke tun für die Erlösung (was die Betonung auf uns lenkt) und unserer Teilhabe an den Werken Jesu, der unsere Erlösung ist (was die Betonung auf ihn lenkt).
Vielleicht haben Sie schon einmal den Ausdruck “christlicher Atheist” gehört. Er wird für Menschen verwendet, die behaupten, an Gott zu glauben, aber nur wenig von ihm wissen, und so leben, als gäbe es ihn nicht. Ein aufrichtiger Gläubiger kann ein christlicher Atheist werden, indem er aufhört, ein treuergebener Nachfolger Jesu zu sein. Man kann sich derart in Aktivitäten stürzen (selbst solchen mit christlichem Etikett), dass man zum TeilzeitNachfolger Jesu wird – sich mehr auf Aktivitäten konzentriert als auf Christus. Dann gibt es solche, die glauben, dass Gott sie liebe und dass sie eine Beziehung zu ihm hätten, jedoch keine Notwendigkeit sehen, am Leben der Kirche teilzuhaben. Indem sie an dieser Auffassung festhalten, lehnen sie (vielleicht unwissentlich) ihre Zugehörigkeit und aktive Mitgliedschaft im Leib Christi ab. Während sie gelegentlich auf die Führung Gottes vertrauen, möchten sie jedoch nicht, dass er vollständig die Führung ihres Lebens übernimmt. Sie möchten, dass Gott ihr Co-Pilot sei. Einige ziehen es vor, Gott möge ihr Flugbegleiter sein, der hin und wieder etwas Erbetenes bringen soll. Gott ist unser Pilot – er gibt uns die Richtung vor, die uns zum wirklichen Leben führt. Wahrhaftig, er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.
Gott beruft die Gläubigen, dass sie mit ihm viele Söhne und Töchter zur Herrlichkeit führen (Hebr. 2,10). Er lädt uns ein, sich an seiner Mission für die Welt zu beteiligen, indem wir das Evangelium leben und weitergeben. Wir tun dies gemeinsam als Mitglieder des Leibes Christi, der Kirche („Dienen ist ein Mannschaftssport!“). Niemand hat alle geistlichen Gaben, deshalb werden alle gebraucht. In der Gemeinschaft der Kirche geben wir und empfangen wir miteinander – wir erbauen und stärken uns gegenseitig. Wie uns der Autor des Hebräerbriefes ermahnt, verlassen wir nicht unsere Versammlungen (Hebr. 10,25), sondern kommen mit anderen zusammen, um das Werk zu tun, in das uns Gott als Gemeinschaft der Gläubigen berufen hat.
Jesus, der Mensch gewordene Sohn Gottes, opferte sein Leben, damit wir „das ewige Leben und volle Genüge“ haben sollen (Joh. 10,9-11). Das ist kein Leben mit garantierten Reichtümern oder guter Gesundheit. Es geht nicht immer ohne Schmerz ab. Stattdessen leben wir in der Gewissheit, dass Gott uns liebt, uns vergeben und angenommen hat als seine adoptierten Kinder. Anstelle eines Lebens unter Druck und Enge, ist es erfüllt von Hoffnung, Freude und Gewissheit. Es ist ein Leben, in dem wir vorangehen, um zu werden, was Gott für uns als Nachfolger Jesu Christi durch den Heiligen Geist zum Ziel gesetzt hat. Gott, der das Urteil über das Böse gefällt hat, hat es am Kreuz Christi verurteilt. Deshalb gibt es keine Zukunft für das Böse und die Vergangenheit hat eine neue Ausrichtung bekommen, in der wir durch den Glauben teilhaben können. Gott hat nicht erlaubt, dass etwas geschieht, das er nicht versöhnen kann. Tatsächlich wird „jede Träne abgewischt“, denn Gott, in Christus und durch den Heiligen Geist, „macht alles neu“ (Offenbarung 21,4-5). Das, liebe Freunde und Mitarbeiter, ist die wirklich gute Nachricht! Sie besagt, dass Gott niemanden aufgibt, selbst wenn man ihn aufgibt. Der Apostel Johannes erklärt, „Gott ist die Liebe“ (1 Johannes 4,8) – Liebe ist seine Wesensart. Gott hört nie auf, uns zu lieben, denn täte er es, würde er seiner Wesensart zuwider handeln. Deshalb können wir ermutigt sein in dem Wissen, dass Gottes Liebe alle Menschen einschliesst, ob sie bereits gelebt haben oder noch leben werden. Dies betrifft auch Friedrich Nietzsche und alle anderen Atheisten. Wir dürfen hoffen, dass Gottes Liebe auch Nietzsche erreichte, der kurz vor dem Ende seines Lebens die Reue und den Glauben erfuhr, was Gott beabsichtigt, allen Menschen zu schenken. In der Tat wird es so sein, dass „jeder, der den Namen des Herrn anruft, gerettet wird“ (Röm. 10,13). Wie wunderbar, dass Gott niemals aufhört, uns zu lieben.
Joseph Tkach
Präsident
GRACE COMMUNION INTERNATIONAL