Wer war Jesus?
War Jesus Mensch oder Gott? Woher kam er? Die Antwort auf diese Fragen gibt uns das Evangelium des Johannes. Johannes gehörte zu jenem inneren Kreis der Jünger, die auf einem hohen Berg die Verklärung Jesu miterleben durften und einen Vorgeschmack auf das Reich Gottes in einer Vision bekamen (Matthäus 17,1). Bis dahin war Jesu Herrlichkeit durch einen normalen menschlichen Körper verhüllt gewesen. Johannes war es auch, der als erster der Jünger an die Auferstehung Christi glaubte. Kurz nach der Auferweckung Jesu kam Maria Magdalena zum Grab und sah, dass es leer war: «Da läuft sie und kommt zu Simon Petrus und zu dem andern Jünger, den Jesus liebhatte [das war Johannes], und spricht zu ihnen: Sie haben den Herrn weggenommen aus dem Grab, und wir wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben» (Johannes 20,2). Johannes lief zum Grab und war rascher dort als Petrus, aber der kühne Petrus wagte sich als Erster hinein. «Nach ihm ging auch der andere Jünger hinein, der als Erster zum Grab gekommen war, und sah und glaubte» (Johannes 20,2).
Johannes tiefes Verständnis
Johannes war — vielleicht zum Teil aufgrund seiner besonderen Nähe zu Jesus, tiefe und umfassende Einsicht in das Wesen seines Erlösers gegeben. Matthäus, Markus und Lukas lassen ihre Biographien Jesu jeweils mit Ereignissen beginnen, die in die irdische Lebenszeit Christi fallen. Johannes dagegen setzt zeitlich an einem Punkt an, der älter als die Geschichte der Schöpfung ist: «Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist» (Johannes 1,1-3). Die wahre Identität des Wortes wird einige Verse später enthüllt: «Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit» (Johannes 1,14). Jesus Christus ist das einzige himmlische Wesen, das je zur Erde herabgestiegen und zum fleischlichen Menschen geworden ist.
Diese wenigen Verse sagen uns sehr viel über die Natur Christi. Er war Gott und wurde Mensch zugleich. Von Anfang an lebte er bei Gott, der von Jesu Zeugung durch den Heiligen Geist an, sein Vater war. Jesus war ehemals «das Wort» (griech. logos) und wurde der Sprecher und Offenbarer für den Vater. «Niemand hat Gott jemals gesehen. Nur der Eine und Einzige, der an der Seite des Vaters selbst Gott ist, hat ihn uns bekannt gemacht» (Johannes 1,18).
Im ersten Brief des Johannes gibt er eine ausgezeichnete Ergänzung: «Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir gesehen haben mit unseren Augen, was wir betrachtet haben und unsre Hände betastet haben, vom Wort des Lebens – und das Leben ist erschienen, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das Leben, das ewig ist, das beim Vater war und uns erschienen ist» (1. Johannes 1,1-2).
Dieser Text lässt keinen Zweifel offen, dass die Person, mit der sie gelebt, gearbeitet, gespielt, geschwommen und gefischt hatten, niemand anderes war als ein Glied der Gottheit — wesensgleich mit Gott dem Vater und der seit Anfang bei ihm war. Paulus schreibt: «Denn in ihm [Jesus] wurde alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. Und er ist vor allem, und es besteht alles in ihm» (Kolosser 1,16-17). Paulus hebt hier das kaum vorstellbare Ausmass des Wirkens und der Autorität des vor menschlichen Christus hervor.
Die Göttlichkeit Christi
Immer wieder betont Johannes, vom heiligen Geist inspiriert, die Präexistenz Christi als Gott vor seiner Geburt als Mensch. Wie ein roter Faden zieht sich dies durch sein gesamtes Evangelium. «Er war in der Welt, und die Welt wurde durch ihn, und die Welt erkannte ihn nicht» (Johannes 1,10 Elberfelder Bibel).
Wenn die Welt durch ihn gemacht ist, hat er schon vor ihrer Schöpfung gelebt. Johannes der Täufer greift das gleiche Thema auf und wies auf Jesus hin: «Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich» (Johannes 1,15). Zwar wurde Johannes der Täufer eher gezeugt und geboren als der Menschensohn Jesus (Lukas 1,35-36), doch Jesus in seiner Präexistenz lebte andererseits schon ewig vor Johannes Zeugung.
Jesu übernatürliches Wissen
Johannes offenbart, dass Christus Kräfte besass, die über alles Menschliche hinausgingen, obschon er durchaus den Schwächen und Versuchungen des Fleisches ausgesetzt war (Hebräer 4,15). Als Christus Nathanael zum Jünger und künftigen Apostel berief, sah Jesus ihn kommen und spricht zu ihm: «Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, habe ich dich gesehen. Nathanael antwortete ihm: Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel!» (Johannes 1,48-49). Nathanael war offensichtlich überrascht, dass ein total Fremder zu ihm reden konnte, als ob er ihn kennen würde.
Als Folge der Zeichen, die Jesus in Jerusalem tat, glaubten viele an seinen Namen. Jesus wusste, dass sie neugierig waren: «Aber Jesus vertraute sich ihnen nicht an; denn er kannte sie alle und bedurfte nicht, dass jemand Zeugnis gäbe vom Menschen; denn er wusste, was im Menschen war» (Johannes 2,24-25). Christus, der Schöpfer, hatte die Menschheit erschaffen und keine menschliche Schwäche war ihm fremd. Er kannte alle ihre Gedanken und Motive.
Der vom Himmel kommt
Johannes kannte die wahre Herkunft Jesu sehr wohl. Als überaus deutliches Christuswort steht bei ihm: «Niemand ist gen Himmel aufgefahren ausser dem, der vom Himmel herabgekommen ist, nämlich der Menschensohn» (Johannes 3,13). Einige Verse weiter zeigt Jesus seine himmlische Herkunft und seine überragende Stellung: «Der von oben herkommt, ist über allen. Wer von der Erde ist, der ist von der Erde und redet von der Erde. Der vom Himmel kommt, ist über allen» (Johannes 3,31).
Noch vor seiner Geburt als Mensch sah und hörte unser Heiland die Botschaft, die er später auf Erden verkündete. Im gezielt kontroversen Gespräch mit religiösen Führern seiner Zeit, auf Erden, sagte er: «Ihr seid von unten her, ich bin von oben her; ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt» (Johannes 8,23). Seine Gedanken, Worte und Taten waren vom Himmel inspiriert. Sie dachten nur an die Dinge dieser Welt, während Jesu Leben zeigte, dass er aus einer reinen Welt, als der unseren stammte.
Der Herr des Alten Testaments
In diesem langen Dialog mit Jesus brachten die Pharisäer die Rede auf Abraham, den sehr geschätzten Stammvater oder Glaubensvater? Jesus erklärte ihnen: «Abraham, euer Vater, wurde froh, dass er meinen Tag sehen sollte, und er sah ihn und freute sich» (Johannes 8,56). Tatsächlich wandelte die Gottperson, die Christus wurde, mit Abraham und sprach mit ihm (1. Mose 18,1-2). Leider verstanden diese Eiferer Jesus nicht und sprachen: «Du bist noch nicht fünfzig Jahre alt und hast Abraham gesehen?» (Johannes 8,57).
Jesus Christus ist identisch mit der Gottperson, die in der Wüste mit Mose wandelte, der die Kinder Israel aus Ägypten herausführte. Paulus macht das deutlich: «Sie [unsre Väter] haben alle dieselbe geistliche Speise gegessen und haben alle denselben geistlichen Trank getrunken; denn sie tranken von dem geistlichen Felsen, der ihnen folgte; der Fels aber war Christus» (1. Korinther 10,1-4).
Vom Schöpfer zum Sohn
Was ist der Grund, weshalb die Führer der Pharisäer ihn töten wollten? «Denn Jesus hatte nicht nur ihre (der Pharisäer) Sabbatvorschriften missachtet, sondern sogar Gott seinen Vater genannt und sich dadurch Gott gleichgestellt.» (Joh. 5,18 Hoffnung für Alle). Wenn Sie lieber Leser Kinder haben, dann stehen diese auf derselben Ebene wie Sie. Es handelt sich bei ihnen nicht um niedere Wesen wie Tiere. Allerdings war und ist dem Vater die höhere Autorität eigen: «Der Vater ist grösser als ich» (Joh. 14,28).
In jener Diskussion mit den Pharisäern stellt Jesus das Vater-Sohn-Verhältnis überdeutlich dar: «Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, was er den Vater tun sieht; denn was dieser tut, das tut in gleicher Weise auch der Sohn» (Johannes 5,19). Jesus besitzt gleiche Macht wie sein Vater, denn auch er ist Gott.
Verherrlichte Göttlichkeit wiedererlangt
Noch ehe es Engel und Menschen gab, war Jesus eine verherrlichtes Person Gottes. Seit ewig existiert Jesus als Gott. Dieser Herrlichkeit entäusserte er sich und kam als Mensch auf die Erde herab: «Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäusserte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt» (Philipper 2,6-7).
Von Jesu letztem Passah vor seinem Leiden schreibt Johannes: «Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war» (Johannes 17,5).
Jesus ist vierzig Tage nach seiner Auferstehung zu seiner früheren Herrlichkeit zurückgekehrt: «Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters» (Philipper 2,9-11).
Teil der Familie Gottes
Jesus war Gott, ehe er als Mensch geboren wurde; er war Gott, während er in Menschengestalt auf Erden wandelte und er ist jetzt Gott, zur Rechten des Vaters im Himmel. Sind dies alle Erkenntnisse über die Gottfamilie, die wir gewinnen können? Die Endbestimmung des Menschen besteht darin, selbst Teil der Gott-Familie zu sein: «Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen: Wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist» (1. Johannes 3,2).
Begreifen Sie die volle Tragweite dieser Aussage? Wir wurden dafür geschaffen, Teil einer Familie zu sein – Gottes Familie. Gott ist ein Vater, der eine Beziehung zu seinen Kindern haben will. Gott, der himmlische Vater, sehnt sich danach, die ganze Menschheit in eine innige Beziehung mit ihm zu bringen und uns mit seiner Liebe und Güte zu übergiessen. Es ist Gottes tiefe Sehnsucht, dass alle Menschen mit ihm versöhnt sind. Darum sandte er seinen einziggeborenen Sohn, Jesus, den letzten Adam, um für die Sünden der Menschheit zu sterben, damit wir Vergebung empfangen und wieder mit dem Vater versöhnt und zurück geführt zu werden, Gottes geliebte Kinder zu sein.
von John Ross Schroeder