Sündigen und nicht verzagen?
Es erstaunt doch sehr, dass Martin Luther in einem Brief an seinen Freund Philip Melanchthon diesen ermahnt: Sei ein Sünder und lass die Sünde mächtig sein, aber mächtiger als die Sünde sei dein Vertrauen in Christus und freue dich in Christus, dass er die Sünde, den Tod und die Welt überwunden hat.
Auf den ersten Blick erscheint die Aufforderung unglaublich. Um Luthers Mahnung zu verstehen, müssen wir uns den Kontext näher ansehen. Luther bezeichnet Sündigen nicht als wünschenswertes Handeln. Im Gegenteil, er bezog sich auf die Tatsache, dass wir immer noch sündigen, aber er wollte, dass wir darüber nicht mutlos werden, weil wir fürchten müssten, dass Gott seine Gnade von uns zurückzieht. Was immer wir getan haben, wenn wir in Christus sind, ist die Gnade stets mächtiger als die Sünde. Selbst wenn wir 10.000 Mal am Tag gesündigt haben sollten, so sind unsere Sünden doch machtlos angesichts der überwältigenden Barmherzigkeit Gottes.
Das soll nicht heissen, dass es keine Rolle spielt, ob wir rechtschaffen leben. Paulus wusste sofort, was da auf ihn zukommt, und hat auf die Fragen: «Was sollen wir nun sagen? Sollen wir denn in der Sünde beharren, damit die Gnade umso mächtiger werde? wie folgt geantwortet: Das sei ferne! Wie sollten wir in der Sünde leben wollen, der wir doch gestorben sind?» (Römer 6,1-2).
In der Nachfolge Jesu Christi sind wir berufen, dem Vorbild Christi zu folgen, Gott und unseren Nächsten zu lieben. Solange wir in dieser Welt leben, müssen wir mit dem Problem leben, dass wir sündigen werden. In dieser Lage sollten wir uns nicht von der Angst derart überwältigen lassen, dass wir die Zuversicht in Gottes Treue verlieren. Stattdessen bekennen wir Gott unsere Sünden und vertrauen umso mehr auf seine Gnade. Karl Barth hat es einmal so ausgedrückt: Die Schrift verbietet uns, die Sünde ernster oder auch nur annähernd so ernst zu nehmen wie die Gnade.
Jedem Christen ist bewusst, dass Sündigen schlecht ist. Viele Gläubige müssen jedoch daran erinnert werden, wie sie damit umgehen sollen, wenn sie gesündigt haben. Wie lautet die Antwort? Bekennen Sie ohne Rückhalt gegenüber Gott Ihre Sünden und bitten Sie ihn aufrichtig um Vergebung. Treten Sie hinzu mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade und vertrauen Sie mutig darauf, dass er Ihnen seine Gnade schenken wird und sogar mehr als genug.
von Joseph Tkach