Zwei Bankette
Die häufigste Beschreibung des Himmels, auf einer Wolke zu sitzen, ein Nachthemd zu tragen und auf einer Harfe zu spielen, hat wenig damit zu tun, wie die Heilige Schrift den Himmel beschreibt. Im Gegensatz dazu beschreibt die Bibel den Himmel als ein grosses Fest, wie ein Bild im Super-Grossformat. Es gibt wohlschmeckendes Essen und guten Wein in grossartiger Gesellschaft. Es ist der grösste Hochzeitsempfang aller Zeiten und feiert die Hochzeit Christi mit seiner Kirche. Das Christentum glaubt an einen Gott, der wirklich voller Freude ist und dessen sehnlichster Wunsch es ist, ewig mit uns zu feiern. Jeder von uns hat eine persönliche Einladung zu diesem Fest-Bankett erhalten.
Lesen Sie die Worte im Matthäus-Evangelium: «Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete. Und er sandte seine Knechte aus, die Gäste zur Hochzeit zu rufen; doch sie wollten nicht kommen. Abermals sandte er andere Knechte aus und sprach: Sagt den Gästen: Siehe, meine Mahlzeit habe ich bereitet, meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet und alles ist bereit; kommt zur Hochzeit!» (Matthäus 22,1-4).
Leider sind wir uns überhaupt nicht sicher, ob wir die Einladung annehmen sollen. Unser Problem ist, dass der Herrscher dieser Welt, der Teufel, uns auch zu einem Bankett eingeladen hat. Es scheint, wir seien nicht klug genug, um zu erkennen, dass die beiden Feste tatsächlich sehr unterschiedlich sind. Der grundlegende Unterschied besteht darin, dass, während Gott mit uns speisen möchte, der Teufel uns verspeisen will! Die Schrift macht es deutlich. «Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge» (1. Petrus 5,8).
Warum ist das so schwierig?
Ich frage mich, warum es der Menschheit so schwerfällt, sich zwischen dem Festmahl Gottes und dem des Teufels, ja zwischen Gott, unserem Schöpfer, und Satan, der uns vernichten will, zu entscheiden. Vielleicht liegt es daran, dass wir uns überhaupt nicht sicher sind, welche Art von Beziehung wir in unserem eigenen Leben haben wollen. Menschliche Beziehungen sollten wie eine Art Festmahl sein. Eine Art, sich gegenseitig zu nähren und sich gegenseitig aufzubauen. Ein Prozess, durch den wir leben, wachsen und reifen, während wir anderen helfen, ebenfalls zu leben, zu wachsen und zu reifen. Es kann jedoch eine teuflische Parodie daraus geben, in der wir uns gegenseitig wie Menschenfresser aufführen.
Der jüdische Schriftsteller Martin Buber sagte, dass es zwei Arten von Beziehungen gibt. Eine Art bezeichnet er als «Ich-Du-Beziehungen» die andere als «Ich-Es-Beziehungen». In Ich-Du-Beziehungen behandeln wir uns gegenseitig wie gleichbedeutende Mitmenschen. Wir entdecken einander, lernen voneinander und respektieren einander als Gleichwertige. In den Ich-Es-Beziehungen hingegen behandeln wir einander eher als ungleichwertige Menschen. Das tun wir, wenn wir Menschen nur als Dienstleister, Vergnügungsquellen oder Mittel zum persönlichen Vorteil oder Zweck betrachten.
Selbsterhöhung
Während ich diese Worte schreibe, kommt mir ein Mann in den Sinn. Nennen wir ihn Hektor, obwohl das nicht sein wirklicher Name ist. Ich schäme mich, sagen zu müssen, dass Hektor ein Geistlicher ist. Wenn Hektor in einen Raum kommt, schaut er sich nach jemandem von Bedeutung um. Wenn ein Bischof anwesend ist, geht er direkt auf ihn zu und verwickelt ihn in ein Gespräch. Wenn ein Bürgermeister oder ein anderer bürgerlicher Würdenträger anwesend ist, geschieht dies ebenso. Dasselbe gilt auch für den reichen Geschäftsmann. Da ich keiner bin, macht er sich selten die Mühe, mit mir zu sprechen. Es hat mich traurig gemacht zu sehen, wie Hektor im Laufe der Jahre verkümmert, sowohl in Bezug auf sein Amt als auch, wie ich fürchte, in Bezug auf seine eigene Seele. Wir brauchen Ich-Du-Beziehungen, wenn wir wachsen wollen. Ich-Es-Beziehungen sind überhaupt nicht dasselbe. Wenn wir andere als Dienstleister, als Karrierefutter, als Sprungbrett behandeln, werden wir darunter leiden. Unser Leben wird ärmer sein und die Welt wird auch ärmer sein. Ich-Du-Beziehungen sind der Stoff des Himmels. Auf Ich-Es-Beziehungen trifft das nicht zu.
Wie schneiden Sie persönlich auf der Beziehungsskala ab? Wie behandeln Sie zum Beispiel den Briefträger, den Müllmann, die junge Verkäuferin an der Supermarktkasse? Wie behandeln Sie Menschen, die Ihnen zufällig bei der Arbeit, beim Einkaufen oder bei einer sozialen Aktivität begegnen? Wenn Sie Auto fahren, wie behandeln Sie dann Fussgänger, Radfahrer oder andere Autofahrer? Wie behandeln Sie Menschen, die in der sozialen Ordnung niedriger stehen als Sie selbst? Wie behandeln Sie Menschen in Not? Es ist das Kennzeichen eines wirklich grossen Menschen, dass er oder sie anderen das Gefühl gibt, auch gross zu sein, während diejenigen, die klein und im Geiste verkümmert sind, meist das Gegenteil bewirken.
Vor einigen Jahren hatte ich Grund, an Erzbischof Desmond Tutu zu schreiben. Ich erhielt von ihm einen handgeschriebenen Brief zurück, den ich bis heute schätze. Dieser Mann ist gross genug, damit sich auch andere gross fühlen können. Einer der Gründe für den erstaunlichen Erfolg seiner Wahrheits- und Versöhnungskommission in Südafrika war der uneingeschränkte Respekt, den er allen, die er traf, entgegenbrachte, selbst denen, die es gar nicht zu verdienen schienen. Allen bot er eine Ich-Du-Beziehung an. In diesem Brief gab er mir das Gefühl, gleichberechtigt zu sein – obwohl ich sicher bin, dass ich das nicht bin. Er übte nur für das himmlische Festmahl, bei dem alle am Fest teilnehmen werden und keiner zum Löwenfutter wird. Wie können wir dann sicher sein, dass wir dasselbe tun werden?
Hören, reagieren und Beziehung aufnehmen
Zuerst sollten wir die an uns persönlich gerichtete Einladung unseres Herrn hören. Wir hören sie in verschiedenen Bibeltexten. Einer der bekanntesten Texte stammt aus der Offenbarung. Er lädt uns ein, Jesus in unser Leben zu lassen: «Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir» (Offenbarung 3,20). Dies ist eine Einladung zum himmlischen Festmahl.
Zweitens, nachdem wir diese Einladung gehört haben, sollten wir darauf reagieren. Denn Jesus steht an der Tür unseres Herzens, klopft an und wartet. Er tritt die Tür nicht ein. Wir müssen sie öffnen, ihn über die Schwelle einladen, ihn persönlich als unseren Erlöser, Heiland, Freund und Bruder am Tisch annehmen, bevor er mit seiner heilenden und verwandelnden Kraft in unser Leben treten wird.
Zudem ist es notwendig, dass wir anfangen, uns auf das himmlische Festmahl vorzubereiten. Das tun wir, indem wir so viele Ich-Du-Beziehungen wie möglich in unser Leben aufnehmen, denn das Wichtigste des himmlischen Festmahls, wie es die Bibel vorsieht, ist nicht das Essen oder der Wein, sondern die Beziehungen. Wir können Beziehungen unter höchst unerwarteten Umständen aufnehmen, wenn wir für sie bereit sind.
Lassen Sie mich Ihnen eine wahre Geschichte erzählen. Vor vielen Jahren fuhr ich mit einer Gruppe von Freunden und Bekannten nach Spanien in den Urlaub. Eines Tages gingen wir ausserhalb der Stadt spazieren und haben uns hoffnungslos verirrt. Wir landeten in einem sumpfigen Gebiet und hatten keine Ahnung, wie wir wieder auf trockenen Boden gelangen konnten. Wo war ein Weg zurück in die Stadt, aus der wir gekommen waren. Erschwerend kam hinzu, dass es Abend wurde und das Tageslicht zu schwinden begann.
In dieser schwierigen Situation wurden wir auf einen riesigen langhaarigen Spanier aufmerksam, der sich durch den Sumpf auf uns zubewegte. Er war dunkelhäutig und bärtig und trug ungepflegte Kleidung und grosse Anglerhosen. Wir riefen ihn zu uns und baten ihn um Hilfe. Zu meinem Erstaunen hob er mich hoch, legte mich über seine Schulter und trug mich auf die andere Seite des Moores, bis er mich auf einem festen Weg absetzte. Er tat dasselbe für jeden unserer Gruppen und wies uns dann den Weg, den wir gehen sollten. Ich holte meine Brieftasche heraus und bot ihm einige Geldscheine an. Er wollte keine davon haben.
Stattdessen nahm er meine Hand und schüttelte sie. Auch allen anderen in der Gruppe schüttelte er die Hand, bevor er uns sicher und wohlbehalten verliess. Ich erinnere mich, wie sehr ich mich schämte. Ich hatte ihm eine Ich-Es-Beziehung angeboten und er hatte sie durch seinen «Ich-Du-Händedruck» verändert.
Wir haben ihn nie wiedergesehen, aber bei vielen Gelegenheiten habe ich mich dabei ertappt, wie ich an ihn gedacht habe. Wenn ich es jemals zu dem himmlischen Bankett schaffe, würde es mich nicht überraschen, ihn irgendwo unter den Gästen zu finden. Gott segne ihn. Er hat mir den Weg gezeigt – und das in mehr als einem Sinn!
von Roy Lawrence