Licht, Gott und Gnade
Als junger Teenager sass ich in einem Kino, als der Strom ausfiel. In der Dunkelheit wurde mit jeder Sekunde das Murmeln des Publikums lauter. Ich bemerkte, wie ich argwöhnisch versuchte, einen Ausgang zu suchen, sobald jemand eine Tür nach draussen öffnen würde. Licht strömte in das Filmtheater und das Murmeln und mein argwöhnisches Suchen waren schnell beendet.
Bis wir mit der Finsternis konfrontiert werden, betrachten die meisten von uns, Licht als etwas Selbstverständliches. Jedoch gibt es ohne Licht nichts zu sehen. Wir sehen erst etwas, wenn Licht einen Raum erhellt. Dort, wo dieses Etwas unsere Augen erreicht, stimuliert es unsere Sehnerven und ruft ein Signal hervor, das unser Gehirn als Objekt im Raum mit bestimmtem Aussehen, bestimmter Lage und Bewegung erkennen lässt. Das Verständnis der Natur des Lichtes war eine Herausforderung. Frühere Theorien nahmen unabdingbar Licht als Teilchen an, dann als Welle. Heute verstehen die meisten Physiker das Licht als Welle-Teilchen. Beachten Sie, was Einstein schrieb: Es scheint, als ob wir manchmal die eine und manchmal die andere Theorie benutzen müssen, während wir zeitweise beide verwenden können. Wir stehen einer neuen Art von Unverständlichkeit gegenüber. Wir haben zwei widersprüchliche Bilder der Realität. Einzeln kann keines von ihnen die Erscheinungsform des Lichts vollständig erklären, aber gemeinsam tun sie es.
Ein interessanter Aspekt über die Natur des Lichts ist, wieso Dunkelheit keine Macht über sie hat. Während Licht Dunkelheit vertreibt, trifft es umgekehrt nicht zu. In der Heiligen Schrift spielt dieses Phänomen, hinsichtlich der Natur Gottes (dem Licht) und dem Bösen (der Dunkelheit oder Finsternis), eine auffallende Rolle. Beachten Sie, was der Apostel Johannes in 1. Johannes 1,5-7 (HFA) schrieb: Das ist die Botschaft, die wir von Christus gehört haben und die wir euch weitersagen: Gott ist Licht. Bei ihm gibt es keine Finsternis. Wenn wir also behaupten, dass wir zu Gott gehören und dennoch in der Finsternis der Sünde leben, dann lügen wir und widersprechen mit unserem Leben der Wahrheit. Leben wir aber im Licht Gottes, dann sind wir auch miteinander verbunden. Und das Blut, das sein Sohn Jesus Christus für uns vergossen hat, befreit uns von aller Schuld.
Wie Thomas F. Torrance in seinem Buch Trinitarian Faith (Trinitarischer Glaube) erwähnte, gebrauchte der frühe Kirchenführer Athanasius, den Lehren des Johannes und anderer Urapostel folgend, die Metapher des Lichts und dessen Ausstrahlung, um über die Natur von Gott zu sprechen, wie sie uns durch Jesus Christus offenbart wurde: So wie Licht nie ohne dessen Ausstrahlung ist, so ist der Vater nie ohne seinen Sohn oder ohne sein Wort. Ausserdem, wie Licht und Glanz eben eins sind und einander nicht fremd, so sind auch der Vater und der Sohn eins und einander nicht fremd, sondern von ein und derselben Wesensart. So wie Gott ewiges Licht ist, so ist der Sohn Gottes als ewige Ausstrahlung Gott in sich selbst ewiges Licht, ohne Anfang und ohne Ende (Seite 121).
Athanasius formulierte einen wichtigen Punkt, den er und andere Kirchenverantwortliche im Glaubensbekenntnis von Nicäa rechtmässig darstellten: Jesus Christus teilt mit dem Vater das eine Wesen (griechisch = ousia ) Gottes. Wäre das nicht so, hätte es keinen Sinn gemacht, als Jesus verkündete: „Wer mich gesehen hat, der hat auch den Vater gesehen“ (Johannes 14,9). Genauso wie Torrance feststellt, wenn Jesus nicht wesensgleich (eines ousia ) mit dem Vater wäre (und somit ganz Gott), würden wir in Jesus nicht die volle Offenbarung Gottes haben. Aber als Jesus verkündete, er ist wahrhaftig diese Offenbarung ihn zu sehen bedeute, den Vater zu sehen, ihn zu hören bedeute, den Vater zu hören, wie er ist. Jesus Christus ist von seinem ganzen Wesen her der Sohn des Vaters das bedeutet, von seiner essentiellen Realität und Natur her. Torrance kommentiert in „Trinitarischer Glaube“ auf Seite 119: Die Vater-Sohn-Beziehung fällt im Eins sein Gottes vollkommen und perfekt ineinander, das dem Vater und dem Sohn ewiglich eigen ist und gleichzeitig besteht. Gott ist Vater genauso, wie er ewig der Vater des Sohnes ist und genauso der Sohn Gott von Gott ist, wie er ewig Sohn des Vaters ist. Da besteht zwischen dem Vater und dem Sohn perfekte und ewige Vertraulichkeit, ohne jeglichen „Abstand“ im Sein, der Zeit oder dem Wissen untereinander.
Weil der Vater und der Sohn im Wesen eins sind, sind sie ebenso eins im Tun (Aktion). Beachten Sie, was Torrance dazu in der Christlichen Lehre von Gott schrieb: Zwischen dem Sohn und dem Vater besteht eine ununterbrochene Beziehung von Sein und Handeln, und in Jesus Christus wurde diese Beziehung ein für alle Mal in unserem menschlichen Dasein verkörpert. So gibt es also keinen Gott hinter dem Rücken von Jesus Christus, sondern nur diesen Gott, dessen Gesicht wir in dem Gesicht des Herrn Jesus sehen. Es gibt keinen dunklen unergründlichen Gott, keine beliebige Gottheit, von der wir nichts wissen, aber vor der wir nur zittern können, während unser schuldbeladenes Gewissen harte Streifen auf seine Würde malt.
Dieses uns in Jesus Christus offenbarte Verständnis der Natur (Wesen) Gottes, spielte im Prozess der offiziellen Bestimmung des neutestamentlichen Kanons eine entscheidende Rolle. Zur Aufnahme in das Neue Testament kam kein Buch in Betracht, wenn es nicht die vollkommene Einheit des Vaters und des Sohnes wahrte. So diente diese Wahrheit und Realität als Schlüssel auslegender (d.h. hermeneutischer) Grundwahrheit, durch den der Inhalt des Neuen Testaments für die Kirche bestimmt wurde. Indem wir verstehen, dass der Vater und der Sohn (einschliesslich dem Geist) im Wesen und Handeln eins sind, hilft es uns, die Natur von Gnade zu verstehen. Gnade ist keine von Gott geschaffene Substanz, um zwischen Gott und Mensch zu stehen, sondern so wie es Torrance beschreibt, ist sie „die Selbsthingabe Gottes an uns in seinem menschgewordenen Sohn, in dem die Gabe und der Geber selber untrennbar ein Gott sind.“ Die Grösse von Gottes rettender Gnade ist eine Person, Jesus Christus, denn in, durch und von ihm kommt das Heil.
Der dreieine Gott, das ewigwährende Licht, ist die Quelle aller „Erleuchtung“, sowohl körperlich als auch geistig. Der Vater, der Licht ins Dasein rief, hat seinen Sohn gesandt, um das Licht der Welt zu sein, und der Vater und der Sohn senden den Geist, um die Erleuchtung zu allen Menschen zu bringen. Obwohl Gott „in einem unzugänglichem Licht wohnt“ (1. Tim. 6,16), hat er sich selbst durch seinen Geist, im „Angesicht“ seines menschgewordenen Sohnes, Jesus Christus, uns offenbart (siehe 2. Korinther 4,6). Selbst wenn wir anfangs argwöhnisch blicken müssen, um dieses überwältigende Licht „sehen“ zu können, so erkennen diejenigen, die es in sich aufnehmen, bald, die Dunkelheit wurde weit und breit vertrieben.
In der Wärme des Lichtes,
Joseph Tkach
Präsident GRACE COMMUNION INTERNATIONAL