Vergleichen, bewerten und verurteilen
Wir leben in einer Welt, die in erster Linie nach dem Motto lebt: «Wir sind gut und die andern alle schlecht». Jeden Tag hören wir von Gruppen, die aus politischen, religiösen, rassischen oder sozioökonomischen Gründen gegen andere Menschen schreien. Die sozialen Medien scheinen dies noch zu verschlimmern. Unsere Stellungsnahmen können Tausenden zugänglich gemacht werden, mehr als uns lieb ist, lange bevor wir die Gelegenheit haben, die Worte zu überdenken und darauf zu antworten. Nie zuvor konnten sich die unterschiedlichen Gruppen so schnell und so laut anschreien.
Jesus erzählt die Geschichte des Pharisäers und des Steuereintreibers, die im Tempel beten: «Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner» (Lukas 18,10). Es ist das klassische Gleichnis über «wir und die andern». Der Pharisäer erklärt stolz: «Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die anderen Leute, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher, oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme. Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig!» (Lukas 18,11-13).
Jesus beschreibt hier das Unübertreffbare «wir gegen die anderen» Szenario seiner Zeit. Der Pharisäer ist gebildet, sauber und fromm und tut in seinen Augen das Richtige. Er scheint der «wir» Typ zu sein, den man gern zu Partys und Festen einladen würde und von dem man träumt er wäre mit der Tochter verheiratet. Der Steuereintreiber dagegen gehört zu den «anderen», er kassierte Steuern von seinem eigenen Volk für die Besatzungsmacht Rom ein und wurde gehasst. Doch Jesus beendet seine Geschichte mit der Wendung: «Ich sage euch: Dieser Steuereintreiber ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden» (Lukas 18,14). Das Ergebnis schockierte sein Publikum. Wie konnte diese Person, der offensichtliche Sünder hier, der Gerechtfertigte sein? Jesus liebt es, aufzudecken, was tief im Inneren vor sich geht. Bei Jesus gibt es keine «wir und die anderen» Vergleiche. Der Pharisäer ist ebenso ein Sünder wie der Steuereintreiber. Seine Sünden sind weniger offensichtlich und da andere sie nicht sehen können, ist es einfach, den Finger auf «die anderen», zu richten.
Während der Pharisäer in dieser Geschichte nicht bereit ist, seine Selbstgerechtigkeit einzugestehen, seine Sündhaftigkeit und seinen Stolz aufzudecken, erkennt der Steuereintreiber seine Schuld. Die Tatsache jedoch ist, wir alle haben versagt und benötigen alle den gleichen Heiler. «Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied: Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist» (Römer 3,22-24).
Heilung und Heiligung kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben, das heisst, die in dieser Sache mit Jesus übereinstimmen und ihm dadurch erlauben, in ihm zu leben. Es geht nicht um «wir gegen die andern», es geht nur um uns alle. Es ist nicht unsere Aufgabe, andere Menschen zu beurteilen. Es reicht zu verstehen, dass wir alle Erlösung brauchen. Wir sind alle Empfänger der Barmherzigkeit Gottes. Wir haben alle den gleichen Retter. Wenn wir Gott bitten, uns zu helfen, andere so zu sehen, wie er sie sieht, verstehen wir schnell, dass es in Jesus kein wir und die andern gibt, sondern nur uns. Dieses Verständnis ermöglicht uns der Heilige Geist.
von Greg Williams