Bekenntnis einer anonymen Legalistin
„Hallo, ich heisse Tammy und ich bin „Legalistin“. Noch vor zehn Minuten habe ich jemanden in meinen Gedanken verurteilt." So ähnlich würde ich mich wahrscheinlich bei einem Treffen der „Anonymen Legalisten" (AL) vorstellen. Ich würde weiterfahren und beschreiben, wie ich mit kleinen Dingen anfing; indem ich dachte, ich sei etwas Besonderes, weil ich das mosaische Gesetz hielt. Wie ich dann begonnen habe, auf Leute herunterzuschauen, die nicht dasselbe glaubten wie ich. Es kam noch schlimmer: Ich begann zu glauben, dass es keine anderen Christen ausser denen in meiner Kirche gab. Mein Legalismus schloss sogar mit ein, dass ich dachte, nur ich wüsste die wahre Version der Geschichte der Kirche und der Rest der Welt wäre verführt.
Meine Sucht wurde so schlimm, dass ich nicht einmal mit Leuten zusammen sein wollte, die nicht in meiner Kirche waren, die in der „Welt" waren. Ich lehrte meine Kinder genauso intolerant zu sein wie ich. Wie die Wurzeln einer Weide, so wachst Legalismus tief in den Gedanken von Christen. Manchmal brechen die Spitzen ab und bleiben doch lange erhalten, obwohl die Hauptwurzel bereits herausgezogen wurde. Ich weiss, dass man aus dieser Abhängigkeit herauskommen kann, aber der Legalismus kann ziemlich genau mit Alkoholabhängigkeit verglichen werden, man weiss letztendlich niemals genau, wann man gänzlich geheilt ist.
Eine der hartnäckigsten Wurzeln ist die objektorientierte Mentalität wenn wir Menschen wie Objekte behandeln, indem man sie nur nach ihrer Leistung bewertet nach dem, was sie darstellen. Das ist der Weg der Welt. Wenn du nicht gut aussiehst oder nicht Hervorragendes leistest, wirst du nicht nur als wertlos erachtet, sondern auch als entbehrlich.
Zu viel Wert auf Leistung und Nützlichkeit zu legen, ist eine Gewohnheit im Denken, die sehr lange braucht, bis sie abbricht. Wenn Ehemänner und Ehefrauen nicht das tun, was man von ihnen erwartet, dann ist man über kurz oder lang enttäuscht oder wird sogar auf lange Sicht bitter. Viele Eltern üben unnötigen Druck auf ihre Kinder aus, damit sie Leistung bringen. Dies kann zu Minderwertigkeitskomplexen oder zu emotionalen Problemen führen. In Kirchen sind Gehorsam und der Beitrag zu irgend etwas (sei es in Geld oder anderem) oft der Massstab für Werte.
Gibt es irgendeine andere Gruppe von Leuten, die sich gegenseitig mit so viel Energie und Enthusiasmus beurteilt? Diese allzu menschliche Tendenz war kein Problem für Jesus. Er sah hinter den Taten den Menschen. Als die Pharisäer die Frau zu ihm brachten, die beim Ehebruch ertappt worden war, sahen sie nur das, was sie getan hatte (wo war ihr Partner?). Jesus betrachtete sie als die einsame Sünderin, die etwas durcheinander war, und befreite sie von der Selbstgerechtigkeit ihrer Ankläger und deren Beurteilung der Frau als Objekt.
Zurück zu meinem „AL-Treffen". Wenn ich einen Zwölfstufen-Plan hätte, dann müsste er eine Übung enthalten, wie man Leute als Personen behandelt und nicht als Objekte. Wir könnten damit beginnen, uns jemanden vor Augen zu führen, den wir ständig so beurteilen, wie es bei jener Ehebrecherin geschah. Und Jesus Christus steht vor ihr oder ihm und fragt sich, ob wir wohl den ersten Stein werfen würden.
Vielleicht arbeite ich auch einmal an den anderen elf Stufen, aber fürs Erste, denke ich, genügt es, wenn ich meinen „ersten Stein" mit mir herumschleppe, um mich daran zu erinnern, dass Jesus mehr daran interessiert ist, wer wir sind, als daran, was wir tun.
von Tammy Tkach