Obwohl ich damals erst 12 Jahre alt war, kann ich mich noch recht lebhaft an meinen Vater und an meinen Grossvater erinnern, die sich sehr über mich gefreut haben, weil ich lauter Einsen (die besten Schulnoten) in meinem Zeugnis nach Hause gebracht hatte. Als Belohnung erhielt ich von meinem Grossvater eine teuer aussehende Brieftasche aus Alligatorenleder und meinVater schenkte mir eine 10-Dollar-Note als Einlage. Ich erinnere mich, wie beide sagten, dass sie mich lieben und sich glücklich schätzen, mich in der Familie zu haben. Ich erinnere mich auch noch daran, dass ich Münzen aus dem Sparschwein entnommen und in einen 1-Dollar-Schein umgetauscht habe. Zusammen mit dem 10-DollarSchein sah meine Brieftasche gut gefüllt aus. Da wusste ich, ich würde mich an der Theke für Penny-Bonbons wie ein Millionär fühlen.
Immer, wenn der Juni mit seinem Vatertag heranrückt, denke ich an jene Geschenke (der Vatertag wird in vielen Ländern am dritten Sonntag im Juni gefeiert). Meine Erinnerung ist wieder da und ich denke an meinen Vater, meinen Grossvater und die Liebe unseres himmlischen Vaters. Aber die Geschichte geht noch weiter.
Es war noch keine Woche vergangen, seitdem ich die Brieftasche und das Geld erhalten hatte, als ich beides verlor. Ich war völlig am Boden zerstört! Sie müssen aus meiner Gesässtasche gefallen sein, als ich mit Freunden im Kino war. Ich habe alles abgesucht, bin meinen Weg immer wieder abgelaufen; doch trotz mehrtägiger Suche waren die Brieftasche und das Geld nirgendwo zu finden. Selbst jetzt, nach rund 52 Jahren, spüre ich noch den Schmerz des Verlustes – um den materiellen Wert geht es mir gar nicht, doch als Geschenke meines Grossvaters und meines Vaters bedeuteten sie mir viel und waren für mich von grossem persönlichen Wert. Interessant ist, dass der Schmerz bald verging, aber die schöne Erinnerung an die liebevolle Wertschätzung, die mir mein Grossvater und mein Vater dadurch entgegen gebracht haben, ist in mir lebendig geblieben.
So sehr ich mich über ihre grosszügigen Geschenke gefreut habe, es war die Liebe, die mir mein Vater und Grossvater entgegenbrachten, an die ich mich so gern erinnere. Wünscht sich Gott nicht auch dasselbe für uns – dass wir die Tiefe und den Reichtumseiner bedingungslosen Liebe mit Freuden annehmen? Jesus hilft uns die Tiefe und Breite dieser Liebe zu begreifen, indem er sie uns mit den Gleichnissen vom verlorenen Schaf, vom verlorenen Groschen und dem verlorenen Sohn nahe bringt. Diese Gleichnisse sind aufgezeichnet in Lukas 15 und veranschaulichen die leidenschaftliche Liebe des himmlischen Vaters zu seinen Kindern. Die Gleichnisse verweisen auf den mensch gewordenen Sohn Gottes (Jesus), der zu uns kam, uns aufsuchte, um uns heim zu seinem Vater zu bringen. Jesus offenbart uns nicht nur seinen Vater, er offenbart auch die Sehnsucht des Vaters, in unsere Verlorenheit einzutreten und uns in seine liebevolle Gegenwart zu bringen. Weil Gott reine Liebe ist, wird er niemals aufhören, in seiner Liebe unsere Namen zu rufen.
Der christliche Dichter und Musiker Ricardo Sanchez formulierte es so: Der Teufel kennt deinen Namen, aber spricht dich auf deine Sünden an. Gott kennt deine Sünden, aber spricht dich mit deinem Namen an. Die Stimme unseres himmlischen Vaters überbringt uns sein Wort (Jesus) durch den Heiligen Geist. Das Wort verurteilt die Sünde in uns, überwindet sie und schickt sie hinweg (so weit weg, wie der Osten vom Westen ist). Statt uns zu verurteilen, verkündet das Wort Gottes Vergebung, Annahme und Heiligung.
Wenn unsere Ohren (und Herzen) auf das lebendige Wort Gottes ausgerichtet sind, können wir sein geschriebenes Wort, die Bibel, so verstehen, wie es Gott beabsichtigt. – Und seine Absicht ist es, uns die Botschaft der Liebe, die er für uns hegt, zu übermitteln.
Dies wird deutlich in Römer, Kapitel 8, eine meiner liebsten Bibelstellen. Sie beginnt mit der Erklärung: „So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind“ (Römer 8,1). Sie schliesst mit der machtvollen Erinnerung an Gottes immerwährende, bedingungslose Liebe für uns: „Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn“ (Römer 8,38-39). Wir haben die Zusicherung, dass wir„in Christus“ sind (und ihm gehören!), da wir Gottes Stimme in Jesus hören, der Folgendes sagte: „Und wenn er alle seine Schafe hinausgelassen hat, geht er vor ihnen her, und die Schafe folgen ihm nach; denn sie kennen seine Stimme. Einem Fremden aber folgen sie nicht nach, sondern fliehen vor ihm; denn sie kennen die Stimme der Fremden nicht“ (Johannes 10,4-5). Wir hören die Stimme unseres Herrn und folgen ihm, indem wir sein Wort lesen und wissen, dass er zu uns spricht. Das Lesen der Schrift hilft uns zu erkennen, dass wir uns in einer Beziehung mit Gott befinden, da dies sein Wunsch ist und diese Zuversicht bringt uns näher zu ihm. Gott spricht durch die Bibel zu uns, um uns seine Liebe zuzusichern, indem er uns bestätigt, dass wir seine geliebten Kinder sind. Wir wissen, dass diese Stimme, die wir vernehmen, Gottes Stimme ist. Wenn wir uns durch sie leiten lassen, Nächstenliebe zu praktizieren und wenn wir zunehmend Demut, Freude und Frieden in unserem Leben wahrnehmen – dies alles, so wissen wir, kommt von Gott, unserem Vater.
Weil wir wissen, dass unser himmlischer Vater uns als seine geliebten Kinder bei unseren Namen ruft, sind wir motiviert, ein Leben zu führen, wie es Paulus in seinem Brief an die Gemeinde in Kolossä beschreibt:
So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. Und der Friede Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar.
Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen. Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn (Kolosser 3,12-17).
Lasst uns am Vatertag (und allen übrigen Tagen) vor Augen führen, dass uns unser himmlischer Vater geschaffen hat, um uns zu lieben. Als unser liebevoller Vater, der er ist, möchte er uns seine Stimme hören lassen, damit wir ein erfülltes Leben in enger Beziehung zu ihm leben können – im Wissen, dass er immer für uns eintritt, immer bei uns ist, und uns immer liebt. Erinnern wir uns stets daran, dass unser himmlischer Vater uns alles in und durch Christus, seinem menschgewordenen Sohn, geschenkt hat. Im Gegensatz zur Brieftasche und dem Geld, das ich vor vielen Jahren verlor (sie waren nicht von Dauer), ist Gottes Geschenk für Sie (und mich) immer gegenwärtig. Selbst, wenn Sie sein Geschenk eine Zeit lang aus den Augen verlieren, so ist doch unser himmlischer Vater immer da – er klopft an, er sucht und findet Sie (selbst wenn Sie scheinbar verloren sind), damit Sie sein Geschenk der bedingungslosen, unendlichen Liebe voll und ganz annehmen und erleben können.
von Joseph Tkach