Unser dreieiniger Gott: lebendige Liebe
Auf die Frage nach dem ältesten Lebewesen mögen manche auf die 10.000 Jahre alten Kiefern Tasmaniens verweisen oder auf einen dort ansässigen 40.000 Jahre alten Strauch. Andere denken vielleicht eher an das 200.000 Jahre alte Seegras an der Küste der spanischen Balearen. So alt diese Pflanzen auch sein mögen, es gibt etwas, das weitaus älter ist – und das ist der ewige Gott, der in der Heiligen Schrift als lebendige Liebe offenbart wird. In der Liebe manifestiert sich das Wesen Gottes. Die zwischen den Personen der Trinität (Dreieinigkeit) herrschende Liebe, hat bereits vor der Schöpfung der Zeit, seit Ewigkeit, bestanden. Nie hat es eine Zeit gegeben, zu der es die wahre Liebe nicht gab, weil unser ewiger, dreieiniger Gott die Quelle echter Liebe ist.
Augustinus von Hippo (gest. 430) hob diese Wahrheit hervor, indem er auf den Vater als „Liebenden“, den Sohn als „Geliebten“ und den Heiligen Geist als die zwischen ihnen bestehende Liebe verwies. Aus seiner nie enden wollenden, unendlichen Liebe heraus erschuf Gott alles, was existiert, so auch Sie und mich. In seinem Werk The Triune Creator [Der dreieinige Schöpfer] spricht sich der Theologe Colin Gunton für diese trinitarische Erklärung der Schöpfung aus und macht geltend, dass wir die ganze Bibel als Zeugnis heranzuziehen haben und nicht allein die Schöpfungsgeschichte des 1. Buches Mose. Gunton hebt hervor, dass dieser Ansatz nicht neu ist – auf diese Weise verstand schon die frühchristliche Kirche die Schöpfung. So stellte beispielsweise Irenaeus fest, dass eine trinitarische Sichtweise es unverfänglich klar erscheinen lasse, die Schöpfung im Lichte dessen zu betrachten, was in Jesus geschah. Der Gott, der alles aus dem Nichts (ex nihilo) erschuf, tat dies mit vollem Bedacht - aus Liebe, in Liebe und um der Liebe willen.
Thomas F. Torrance und sein Bruder James B. pflegten zu sagen, die Schöpfung sei das Ergebnis der unendlichen Liebe Gottes. Dies wird in den Worten des Allmächtigen deutlich: „Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei [...]“ (1. Mose 1,26). Im Ausdruck „Lasset uns [...]“ werden wir auf die dreieinige Wesenheit Gottes verwiesen. Einige Bibelexegeten stimmen dem nicht zu und argumentieren, diese Sichtweise mit ihrem Bezug auf die Trinität oktroyiere dem Alten Testament ein neutestamentliches Verständnis auf. Üblicherweise werten sie das „Lasset uns [...]“ als literarisches Stilmittel (den Pluralis Majestatis) oder sehen darin einen Hinweis darauf, dass Gott mit den Engeln als seinen Mit-Schöpfern spricht. Die Heilige Schrift schreibt den Engeln jedoch nirgendwo Schöpferkraft zu. Darüber hinaus sollten wir die ganze Bibel mit Blick auf die Person Jesu und dessen Lehre auslegen. Der Gott, der sprach: „Lasset uns [...]“ war der dreieinige Gott, ob dies nun unseren Altvorderen bewusst war oder nicht.
Lesen wir die Bibel mit Blick auf Jesus, wird uns klar, dass Gottes Schöpfung der Menschen nach seinem Bilde deutlich sein Wesen zum Ausdruck bringt, das sich in Liebe manifestiert. Im Kolosserbrief 1,15 und im 2.Korintherbrief 4,4 erfahren wir, dass Jesus selbst das Ebenbild Gottes ist. Er spiegelt uns gegenüber das Bild des Vaters wider, weil er und der Vater in einer Beziehung vollkommener Liebe zueinander wesensgleich sind. Die Heilige Schrift berichtet uns, dass Jesus mit der Schöpfung (einschliesslich der Menschheit also) verbunden ist, indem sie auf ihn, als „Erstgeborenen“ vor aller Schöpfung, verweist. Paulus nennt Adam das Abbild (das Gegenbild) Jesu, „der kommen sollte“ (Römer 5,14). Jesus ist also gleichsam das Urbild der ganzen Menschheit. In den Worten des Paulus ist Jesus auch der „letzte Adam“, der als „Geist, der lebendig macht“, den sündigen Adam erneuert (1.Kor 15,45) und damit die Menschheit nach seinem eigenen Bilde wandelt.
Wie uns die Heilige Schrift berichtet, haben wir „den neuen [Menschen] angezogen, der erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Ebenbild dessen, der ihn geschaffen hat“ (Kolosser 3,10), und „schauen [...] alle mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn [...]; und wir werden verklärt in sein Bild von einer Herrlichkeit zur andern von dem Herrn, der der Geist ist“ (2. Korinther 3,18). Der Verfasser des Hebräerbriefs berichtet uns, dass Jesus „der Abglanz seiner [Gottes] Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens“ ist (Hebräer 1,3). Er ist das wahre Ebenbild Gottes, der für alle den Tod schmeckte, indem er unser menschliches Wesen annahm. Indem er mit uns eins wurde, heiligte er uns und machte uns zu seinen Brüdern und Schwestern (Hebräer 2,9-15). Wir wurden erschaffen und werden jetzt wieder erschaffen nach dem Ebenbild des Sohnes Gottes, der selbst für uns die heiligen, von Liebe getragenen Beziehungen in der Dreifaltigkeit widerspiegelt. Wir sollen in Christus, der in der dreipersonalen Gemeinschaft der Liebe von Vater, Sohn und Heiligem Geist verhaftet ist, leben, uns regen und sein. In und mit Christus sind wir Gottes geliebte Kinder. Leider geht aber jenen, die Gottes dreieinige, von Liebe getragene Wesenheit nicht zu erkennen vermögen, diese wichtige Wahrheit leicht verlustig, weil sie sich stattdessen, verschiedene Irrmeinungen zu eigen machen:
- Einen Tritheismus, der die Wesenseinheit Gottes leugnet und nach dem es drei voneinander unabhängige Gottheiten gibt, womit jeglichen Beziehungen unter ihnen eine Äusserlichkeit zugeschrieben wird und eben nicht eine Gottes Wesenheit innewohnendes, ihn ausmachendes Charakteristikum.
- Einen Modalismus, dessen Lehre auf die ungeteilte Natur Gottes abhebt, welcher zu verschiedenen Zeitpunkten in einer von drei unterschiedlichen Seinsweisen in Erscheinung trete. Diese Doktrin stellt zudem jegliche internen wie auch externen Beziehungen zu Gott in Abrede.
- Einen Subordinationismus, der lehrt, Jesus sei eine Schöpfung (oder ein göttliches Wesen, das aber dem Vater untergeordnet sei) und somit nicht auf ewig der Gott gleiche Sohn des Allmächtigen. Diese Doktrin leugnet überdies, dass Gott in seiner Wesenheit eine trinitarische, von ewig heiliger Liebe getragene Beziehung innewohnt.
- Weitere Lehren, die die Trinitätsdoktrin zwar befürworten, die ihre ureigene Herrlichkeit jedoch nicht zu fassen vermögen: dass der dreieinige Gott von seinem Wesen her Liebe verkörperte und schenkte, noch bevor es eine Schöpfung gab.
Zu begreifen, dass der dreieinige Gott von seiner ureigenen Natur her Liebe ist, hilft uns, in der Liebe die Grundfeste allen Seins zu erkennen. Im Fokus dieses Verständnisses steht, dass alles von Jesus, der den Vater offenbart und den Heiligen Geist aussendet, ausgeht und um ihn kreist. Somit nimmt das Verstehen Gottes und seiner Schöpfung (einschliesslich der Menschheit) in dieser Fragestellung ihren Anfang: Wer ist Jesus?
Es entspricht unbestreitbar trinitarischem Denken, dass der Vater alles erschaffen hat und sein Reich errichtete, indem er seinen Sohn in den Mittelpunkt seines Planes, seiner Bestimmung und Offenbarung rückte. Der Sohn verherrlicht den Vater und der Vater verherrlicht den Sohn. Der Heilige Geist, der nicht für sich selbst spricht, verweist fortwährend auf den Sohn und verherrlicht damit Sohn und Vater. Vater, Sohn und Heiliger Geist erfreuen sich dieser dreifaltigen, von Liebe getragenen Wechselwirkung. Und wenn wir, Gottes Kinder, Jesus als unseren Herrn bezeugen, tun wir dies durch den Heiligen Geist dem Vater zu Ehren. So wie er prophezeite, liegt der wahre Glaubensdienst „im Geist und in der Wahrheit“. Mit der Anbetung des Vater, Sohnes und Heiligen Geistes huldigen wir dem Ältesten, der uns in Liebe erschuf, auf dass wir unsererseits ihn lieben und auf ewig in ihm verweilen.
Von Liebe getragen,
Joseph Tkach
Präsident GRACE COMMUNION INTERNATIONAL