Sind sie sanftmütig?
Eine Frucht des Heiligen Geistes ist Sanftmut (Galater 5,22). Das griechische Wort dafür ist „praotes“, was sanftmütig oder rücksichtsvoll bedeutet; es drückt aus, was unter „einer Seele von Mensch“ verstanden wird. Sanftmut und Rücksichtnahme werden in einigen Bibelübersetzungen wie der Neuen Genfer Übersetzung (NGÜ) austauschbar verwendet.
Die Bibel legt grossen Wert auf Sanftmut oder Rücksichtnahme. Es heisst darin: „die Sanftmütigen werden die Erde als Besitz erhalten“ (Matthäus 5,5). Sanftmut ist heute jedoch kein sehr populäres oder weit verbreitetes Wort. Unsere Gesellschaft ist besessen davon, aggressiv zu sein. Um voranzukommen, muss man mit den Haien schwimmen. Wir leben in einer Ellbogen-Gesellschaft und die Schwachen werden schnell zur Seite geschoben. Allerdings ist es ein grosser Fehler, Sanftmut mit Schwäche zu verbinden. Sanftmut oder Rücksichtnahme ist keine Schwäche. Jesus beschrieb sich selbst als einen sanftmütigen Menschen, und er war weit entfernt von einem schwachen, rückgratlosen Weichling, der allen Problemen aus dem Weg ging (Matthäus 11,29). Er war nicht gleichgültig gegenüber seiner Umgebung oder den Bedürfnissen anderer.
Viele legendäre historische Persönlichkeiten wie Lincoln, Gandhi, Einstein und Mutter Teresa waren sanftmütig bzw. rücksichtsvoll, aber nicht ängstlich. Sie brauchten ihre Wichtigkeit nicht gegenüber anderen zu demonstrieren. Sie hatten die Absicht und die Fähigkeit, sich jedem Hindernis zu stellen, das ihnen in den Weg gelegt wurde. Diese innere Entschlossenheit ist für Gott sehr wertvoll (1. Petrus 3,4) Es braucht eigentlich sehr viel innere Kraft, um wirklich sanftmütig zu sein. Sanftmut wird als Stärke unter Kontrolle beschrieben.
Interessant ist, dass das Wort „sanftmütig“ [auf Englisch „gentle“] vor der christlichen Ära selten gehört wurde und das Wort „Gentleman“ nicht bekannt war. Diese hohe Charakterqualität ist eigentlich ein direktes Nebenprodukt der christlichen Ära. Sanftmütig oder rücksichtsvoll zu sein, zeigt sich in dem, was wir über uns selbst und was wir von anderen denken.
Wie gehen wir mit anderen um, wenn wir Macht über sie haben? Gesegnet ist der Mensch, der nicht mehr von sich hält, als er sollte, wenn andere ihn loben und fördern, verglichen mit der Zeit im Leben, als er noch ein Niemand war.
Wir sollten mit den Worten, die wir sagen, sorgsam umgehen (Sprüche 15,1; 25,11-15). Wir sollten behutsam sein, wie wir andere behandeln (1 Thess 2,7). Wir sollen im Umgang mit allen Menschen freundlich sein (Philipper 4,5). Es ist nicht unsere Schönheit, die Gott an uns schätzt, sondern unser freundliches und ausgeglichenes Wesen (1 Petrus 3,4). Ein Sanftmütiger ist nicht auf Konfrontation aus (1. Korinther 4,21). Ein Nachsichtiger ist freundlich gegenüber jenen, die Fehler machen und er weiss, der Fehltritt hätte genauso gut auch ihm passieren können! (Galater 6,1). Gott ruft uns auf, allen gegenüber freundlich und geduldig zu sein und miteinander nachsichtig und liebevoll umzugehen (Epheser 4,2). Wenn jemand, der göttliche Sanftmut besitzt, aufgefordert wird, eine Antwort zu geben, dann tut er dies selbstbewusst, nicht mit einer offensiven Haltung, sondern mit Sanftmut und dem gebotenen Respekt (1 Petrus 3,15).
Denken Sie daran: Menschen mit einem sanftmütigen Charakter unterstellen anderen keine falschen Motive, während sie ihr eigenes Verhalten selbst rechtfertigen, wie es in der folgenden Schilderung veranschaulicht wird:
Der andere
- Wenn der andere lange braucht, ist er langsam.
Wenn ich lange brauche, bin ich gründlich. - Wenn der andere es nicht tut, ist er faul.
Wenn ich es nicht tue, bin ich beschäftigt. - Wenn der andere etwas tut, ohne dass man es ihm sagt, überschreitet er seine Grenzen.
Wenn ich es tue, ergreife ich die Initiative. - Wenn der andere eine Umgangsform übersieht, ist er unhöflich.
Wenn ich die Regeln ignoriere, bin ich originell. - Wenn der andere den Chef zufriedenstellt, ist er ein Schleimer.
Wenn ich dem Boss gefalle, kooperiere ich. - Wenn der andere vorankommt, hat er Glück gehabt.
Wenn ich es schaffe, voranzukommen, dann nur, weil ich hart gearbeitet habe.
Ein sanftmütiger Vorgesetzter wird Mitarbeiter so behandeln, wie er behandelt werden möchte – nicht nur, weil es richtig ist, sondern weil er weiss, dass er vielleicht eines Tages für sie arbeiten wird.
von Barbara Dahlgren