Gottes Gnade ist nicht fair!
Jesus führte weder Schwerter noch Lanzen mit sich; hinter ihm stand auch keine Armee. Seine einzige «Bewaffnung» war seine Worte, genau diese Botschaft brachte ihn in grosse Bedrängnis. Viele hielten sie nicht nur für irrig – sie erschien ihnen gefährlich, weil sie das jüdische Gefüge erschüttern konnte. Welches Anliegen konnte die geistliche Elite so aufbringen, dass sie schliesslich den Verkünder töten liess?
Eine provozierende Botschaft
Die Schriftgelehrten und Pharisäer empörten sich über Jesus und fragten seine Jünger: Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern? Jesus entgegnete: «Nicht die Starken bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. Geht aber hin und lernt, was das heisst: Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer. Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder» (Matthäus 9,12-13). Indem Jesus Prostituierte und Steuereintreiber zum Reich Gottes einlud, traf er den Stolz der frommen Leistungsdenker. Sie murrten: Das ist nicht fair. Wir haben uns abgemüht, um anständig zu leben – wieso dürfen diese Leute ohne dieselbe Anstrengung dazugehören? Auch heute löst diese Vorstellung Unbehagen aus. Christinnen und Christen, die grossen Wert auf Pflichterfüllung legen, wünschen sich oft einen Gott, der ihrem Gerechtigkeitsempfinden entspricht. In Sachen Erlösung erweist sich Gott als grosszügig.
Gott bleibt gerecht
Gott handelt nicht nur gerecht, er übertrifft jede menschliche Vorstellung von Gerechtigkeit. Seine Gnade sprengt das Mass dessen, was wir erhoffen oder verdienen könnten. Er ist grosszügig, barmherzig und liebt uns bedingungslos: «Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner grossen Liebe, mit der er uns geliebt hat, auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht – aus Gnade seid ihr gerettet» (Epheser 2,4-5).
Selbst wenn Sie sich in einem tiefen Loch sehen, wiederholt Gesetze verletzt haben oder sich für den schlimmsten Sünder halten: Sie müssen sich nicht erst hochkämpfen, um Rettung zu erfahren. Gott schenkt um Jesu willen Vergebung – unverdient und aus reiner Gnade. Nehmen Sie ihn beim Wort: «Denn aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme» (Epheser 2,8-9). Diese Botschaft ist frohe Kunde gerade für ganz gewöhnliche Menschen.
Solche Zusagen stellen das Denken von Religionsführern und Leistungsorientierten auf den Kopf. Wer überzeugt ist, härtere Arbeit bringe grösseren Ertrag und tugendhaftes Verhalten führe zu mehr Lohn, ruft empört: Ich habe mich angestrengt, um aus dem Abgrund zu klettern – sollen andere ohne Beitrag herausgezogen werden? Das ist nicht fair! Gnade folgt keinen kaufmännischen Kalkulationen – sie bleibt Gnade, also unverdient. Gott darf seine Freigebigkeit zeigen, wem er will, und die frohe Botschaft lautet, dass er sie allen Menschen anbietet. Damit erweist er sich gerecht, weil dieselbe Grundregel für jeden gilt, selbst wenn der eine eine gewaltige, der andere eine geringe Schuld erlassen bekommt.
Die Arbeiter im Weinberg
Zur Veranschaulichung erzählt Jesus das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg: «Denn das Himmelreich gleicht einem Hausherrn, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter anzuwerben für seinen Weinberg. Und als er mit den Arbeitern einig wurde über einen Silbergroschen als Tagelohn, sandte er sie in seinen Weinberg. Und er ging aus um die dritte Stunde und sah andere auf dem Markt müssig stehen und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg; ich will euch geben, was recht ist. Und sie gingen hin. Abermals ging er aus um die sechste und um die neunte Stunde und tat dasselbe. Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere stehen und sprach zu ihnen: Was steht ihr den ganzen Tag müssig da? Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand angeworben. Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg. Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei den letzten bis zu den ersten. Da kamen, die um die elfte Stunde angeworben waren, und jeder empfing seinen Silbergroschen. Als aber die Ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; und sie empfingen auch ein jeder seinen Silbergroschen. Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn und sprachen: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und die Hitze getragen haben» (Matthäus 20,1-12).
Die Angestellten, die den ganzen Tag geschuftet hatten, empfanden die Auszahlung als ungerecht. Sie erhielten zwar den zuvor vereinbarten Lohn, ärgerten sich aber, dass die Spätgekommenen denselben Betrag erhielten. Der Besitzer erwiderte ihnen nüchtern: «Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du darum scheel, weil ich so gütig bin?» (Matthäus 20,15).
Die Empörung entstand, weil sie sich mit den anderen verglichen und ihre Erwartungen überhöhten. Halten wir etwas für unfair, liegt das Problem oft in unseren eigenen Vorstellungen, nicht im tatsächlichen Empfangenen. Wie würden Sie reagieren, wenn Ihr Arbeitgeber den Neulingen eine Prämie gäbe, während die Altgedienten leer ausgingen? Jesus wollte hier keine Tipps für Lohnabrechnungen geben; er illustriert vielmehr das Reich Gottes: «Denn der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn» (Römer 6,23). Im Reich Gottes erhalten alle denselben Lohn – ewiges Leben aus reiner Gnade –, weil Christus sein Leben für alle hingab.
Der wahre Wert
Ganz gleich, wie lange wir der Gemeinde schon angehören oder wie viele Opfer wir gebracht haben – all das verblasst neben dem, was Gott uns geschenkt hatte. Paulus, der wohl fleissiger arbeitete und mehr für das Evangelium aufgab als jeder von uns, bezeichnete seine Verdienste dennoch als Verlust: «Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwänglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden, und ich erachte es für Dreck, auf dass ich Christus gewinne» (Philipper 3,7–8).
Unsere Leistung verbleicht erst recht neben dem, was Jesus für uns vollbracht hat. Wenn wir alles erfüllen, was geboten ist, bleiben wir – wie ein anderes Gleichnis sagt – unnütze Diener: «So auch ihr! Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren» (Lukas 17,10).
Christus hat unser gesamtes Leben erkauft; jeder Gedanke und jede Handlung gehören zu Recht ihm: «Ihr wisst ja, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise, sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes» (1. Petr 1,18-19).
Selbst wenn wir jedes Gebot äusserst gewissenhaft erfüllten, könnten wir Gott nichts hinzufügen. Genauso ergeht es uns wie den Arbeitern, die nur eine Stunde tätig waren und trotzdem den vollen Tageslohn bekamen. Wir haben erst begonnen zu arbeiten, doch schon behandelt Gott uns, als hätten wir etwas Bedeutendes vollbracht.
Liebe Leserin, lieber Leser, erkennen Sie in dieser überströmenden Gnade, welches Geschenk Gottes Güte Ihnen gemacht hat? Hier stellt sich keine Frage nach menschlicher Fairness. Durch Leiden, Tod und Auferstehung hat Jesus Christus ermöglicht, dass er durch den Heiligen Geist in Ihnen wohnt. Danken Sie ihm immer wieder. Durch dieses dankbare Herz gewinnt die Wahrheit seines Wirkens in Ihnen zunehmend Gestalt!
von Joseph Tkach
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