Natürlich oder Übernatürlich?

867 natuerlich oder uebernatuerlichMit grossem Eifer verkündigte Paulus in Galatien das Evangelium Jesu Christi, sodass viele Menschen zum Glauben fanden und durch Gott ein neues Leben empfingen. Es dauerte nicht lange, bis Unruhe in die Gemeinde einzog. Eine Gruppe, die wir als Judaisten kennen, stellte die frohe Botschaft auf eine harte Probe. Sie verlangte von den nichtjüdischen Christen, jüdische Gesetze einzuhalten, einschliesslich der Beschneidung. Paulus erkannte in dieser Irrlehre eine ernsthafte Bedrohung und schrieb einen eindringlichen Brief: Die Erlösung kommt allein durch den Glauben an Jesus Christus, nicht durch das Befolgen des mosaischen Gesetzes. Der Titel der heutigen Predigt lautet: Natürlich oder Übernatürlich?

Erster Teil: Die Geschichte von Abraham, Sarah und Hagar

Zuerst betrachten wir die Geschichte von Abraham, Sarah und Hagar im Alten Testament. Sie veranschaulicht den tiefen Gegensatz zwischen Gesetz und Gnade, Werken und Glauben sowie natürlichem und übernatürlichem Handeln. Sie sind so grundverschieden wie Feuer und Wasser oder Licht und Finsternis.

Die natürliche Linie wird durch Ismael, durch den Sohn von der leibeigenen Magd Hagar verkörpert. Er wurde aus menschlichen Überlegungen und Selbsthilfe geboren. Isaak, das Kind von Sara, der Frau von Abraham hat eine übernatürliche Linie, weil er durch Gottes Verheissung auf die Welt kam. In diesem Spannungsfeld, erkennen wir die Frage, ob wir Gott vertrauen und auf sein Eingreifen hoffen oder uns auf eigene Leistungen und religiöse Pflichten stützen.

Sarah, die rechtmässige Frau von Abraham war unfruchtbar. Weil sich der verheissene Sohn nicht einstellen wollte, kam Sara auf die Idee, dass der 86-jährige Abraham mit ihrer ägyptischen Magd schlafen und auf diese Weise für Nachkommenschaft sorgen könnte:

1. Mose 16,1-4 «Sarai, Abrams Frau, gebar ihm kein Kind. Sie hatte aber eine ägyptische Magd, die hiess Hagar. Und Sarai sprach zu Abram: Siehe, der Herr hat mich verschlossen, dass ich nicht gebären kann. Geh doch zu meiner Magd, ob ich vielleicht durch sie zu einem Sohn komme. Und Abram gehorchte der Stimme Sarais. Da nahm Sarai, Abrams Frau, ihre ägyptische Magd Hagar und gab sie Abram, ihrem Mann, zur Frau, nachdem Abram zehn Jahre im Lande Kanaan gewohnt hatte. Und er ging zu Hagar, die ward schwanger. Als sie nun sah, dass sie schwanger war, achtete sie ihre Herrin gering»

So wurde Ismael geboren. Als er etwa 14 Jahre alt war, empfing Sarah unerwartet doch noch von Abraham einen Sohn. Er war 100 Jahre alt und Sarah war 90 Jahre alt:

1. Mose 17,15-19 «Und Gott sprach abermals zu Abraham: Du sollst Sarai, deine Frau, nicht mehr Sarai nennen, sondern Sara soll ihr Name sein. Denn ich will sie segnen, und auch von ihr will ich dir einen Sohn geben; ich will sie segnen, und Völker sollen aus ihr werden und Könige über viele Völker. Da fiel Abraham auf sein Angesicht und lachte und sprach in seinem Herzen: Soll mir mit hundert Jahren ein Kind geboren werden, und soll Sara, neunzig Jahre alt, gebären? Und Abraham sprach zu Gott: Ach dass Ismael möchte leben bleiben vor dir! Da sprach Gott: Nein, Sara, deine Frau, wird dir einen Sohn gebären, den sollst du Isaak nennen, und ich will meinen Bund mit ihm aufrichten als einen ewigen Bund für seine Nachkommen»

Als der nachgeborene Isaak ungefähr drei Jahre alt war, wurde er von seiner Mutter entwöhnt. Dazu veranstaltete Abraham ein besonderes Fest, auf dem natürlich auch der grosse, inzwischen 17-jährige Halbbruder Ismael anwesend war. Zu der Zeit konnte er schon einschätzen, was der unerwartete kleine Isaak für ihn bedeutete. 14 Jahre lang war klar gewesen, dass er der Alleinerbe des wohlhabenden Abrahams sein würde. Und nun bekam die Frau seines Vaters mit 90 Jahren doch noch ein Kind. Das musste Ismael als ärgerlich empfunden haben und verachtete Isaak und machte sich über ihn lustig:

1. Mose 21,9-11 «Und Sarah sah, dass der Sohn der Hagar, der ägyptischen Magd, den sie dem Abraham geboren hatte, Mutwillen trieb. Da sprach sie zu Abraham: Treibe diese Magd hinaus mit ihrem Sohn; denn der Sohn dieser Magd soll nicht erben mit meinem Sohn Isaak!

Es gab grosse Spannungen in der Familie, sodass Sarah von Abraham verlangte, Hagar mit ihrem Sohn fortzutreiben. Zunächst wollte er dieser Aufforderung nicht nachkommen, aber schliesslich sprach Gott zu Abraham:

1. Mose 21,12-14 «Aber Gott sprach zu ihm: Lass es dir nicht missfallen wegen des Knaben und der Magd. Alles, was Sara dir gesagt hat, dem gehorche; denn nach Isaak soll dein Geschlecht genannt werden. Aber auch den Sohn der Magd will ich zu einem Volk machen, weil er dein Sohn ist. Da stand Abraham früh am Morgen auf und nahm Brot und einen Schlauch mit Wasser und legte es Hagar auf ihre Schulter, dazu den Knaben, und schickte sie fort»

Eine endgültige Trennung wurde herbeigeführt, wodurch Isaak absoluter Alleinerbe seiner Eltern wurde. Aus unserer menschlichen Perspektive klingt das sehr hart und ungerecht.

Zweiter Teil: Glaube, Geist und Verheissung

Im zweiten Teil der Predigt betrachten wir, wie Paulus die alttestamentliche Geschichte auf das Evangelium anwendet. Er zeigt uns unmissverständlich, dass Gesetz und Glaube, Fleisch und Geist, Verdienst und Verheissung nicht unter einem Dach wohnen können. Sie stehen sich feindselig gegenüber und müssen getrennt werden, genau wie einst Ismael und Isaak, die nicht gemeinsam in Abrahams Haushalt bleiben konnten. Die Judaisten in Galatien pochten auf das Gesetz, um sich dadurch gerechtfertigt zu sehen. Paulus begegnet ihnen mit einer eindringlichen Frage:

Galater 4,21 «Sagt mir, die ihr unter dem Gesetz sein wollt: Hört ihr nicht das Gesetz?»

Jene, die diese Gesetzlichkeit vorantrieben, betonten stolz, sie seien Kinder Abrahams und daher gesegnet. Paulus hält ihnen entgegen, dass Abraham allerdings zwei Söhne hatte:

Galater 4,22-23 «Denn es steht geschrieben, dass Abraham zwei Söhne hatte, einen von der Magd und einen von der Freien. Aber der von der Magd ist nach dem Fleisch geboren worden, der von der Freien aber durch die Verheissung»

Hier können wir den ersten Gegensatz von dem wahren Christentum und von Gesetzlichkeit erkennen: Freiheit versus Sklaverei. Isaak wurde von der Freien geboren, einer Freifrau oder Baronin, was ihre erhabene Stellung versinnbildlicht. Ismael hingegen, der Sohn der Magd, kam gemäss dem Fleisch durch Unglauben zur Welt. Es ist ein Versuch, Gottes Verheissung auf menschlichem Weg zu erzwingen. Was ist der Unterschied zwischen Gesetz und Gnade? Unter dem Gesetz liegt der Schwerpunkt auf meiner eigenen Leistung. Unter der Gnade Gottes dagegen macht erst das, was Gott in Jesus Christus für uns getan hat, uns vor ihm gerecht. Es sind zwei gänzlich verschiedene Bündnisse:

Galater 4,24-25 «Das ist bildlich zu verstehen: Die beiden Frauen sind zwei Bundesschlüsse, einer vom Berg Sinai, der in die Knechtschaft gebiert; das ist Hagar. Hagar aber bezeichnet den Berg Sinai in Arabien und ist ein Gleichnis für das jetzige Jerusalem, das mit seinen Kindern in der Knechtschaft lebt»

Der Berg Sinai steht hier für Hagar. Dort wurden die Gesetze gegeben, und im Tempel zu Jerusalem fand das Opfersystem mit seinen vorgeschriebenen Tagen, Speisen und Reinigungen statt, alles in der Hoffnung, vor Gott gerecht zu werden. Hagar, Sinai und das irdische Jerusalem stehen sinnbildlich für Knechtschaft: Das Gesetz offenbart unsere Sünden und zeigt uns unsere Unfähigkeit, Gottes Gebote vollkommen zu erfüllen. So wird das Gesetz für den Menschen zum Fluch statt zur Befreiung.

Welche Linie führt uns in die wahre Freiheit? Paulus lenkt unseren Blick auf den Bund, der mit dem «oberen Jerusalem» verbunden ist:

Galater 4,26-28 «Aber das Jerusalem, das droben ist, das ist die Freie; das ist unsre Mutter. Denn es steht geschrieben: »Sei fröhlich, du Unfruchtbare, die du nicht gebierst! Brich in Jubel aus und jauchze, die du nicht schwanger bist. Denn die Einsame hat viel mehr Kinder, als die den Mann hat.Ihr aber, Brüder und Schwestern, seid wie Isaak Kinder der Verheissung»

Dieses zweite Bündnis ist nicht an den irdischen Berg Zion geknüpft, sondern an Gottes eigenes, himmlisches Jerusalem. Darin liegt der dritte Gegensatz, den Paulus hervorhebt: Himmel gegenüber Erde. Das wahre Christentum kommt von oben – von Gott selbst – und lässt sich nicht an das jetzige Jerusalem dieser Welt binden. Die himmlische Stadt ist die Mutter aller Gläubigen, unabhängig davon, ob sie jüdischer oder heidnischer Herkunft sind. Wer an Christus glaubt, gehört zu den Kindern der Verheissung und stammt daher nicht aus dem irdischen, sondern aus dem oberen Jerusalem.

So wird deutlich: Paulus lehrt, dass Gesetz und Gnade einander ausschliessen und dass unsere wahre Freiheit im übernatürlichen Wirken Gottes liegt, der uns durch Christus gerecht macht. Nur die Verheissung, nicht unser Verdienst, öffnet uns das Tor zum himmlischen Jerusalem – in die erhabene Freiheit der Kinder Gottes. Deshalb sagte Jesus zu Nikodemus:

Johannes 3,3 «Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht von Neuem geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen»

Das griechische Wort «anothen» bedeutet erstrangig «von oben her» und erst in zweiter Linie «von neuem» Menschen, die im lebendigen Glauben stehen, sind von oben her geboren, aus dem neuen Jerusalem. Wiewohl Christus im irdischen Jerusalem wirkte, unser Heil erwarb und dort auch die erste Gemeinde entstand und man insofern auch von der Heiligen Stadt reden kann, setzt Paulus sie nur mit dem fleischlichen Israel gleich. Jerusalem ist für ihn die Stadt der Gesetzesreligion und nicht die Stadt der Glaubenden. Ihre Stadt ist das neue Jerusalem, das obere Jerusalem. Sie sehnen sich nicht nach der sogenannten Heiligen Stadt auf dieser Erde, sondern nach dem himmlischen Jerusalem. Sie ist ihre Mutter, sie ist ihre Heimat. Obwohl Abraham bereits im verheissenen Kanaan war und dort in festen Zelten lebte, sehnte er sich nach mehr als nach einem irdischen Vaterland:

Hebräer 11,9-10 «Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen im Land der Verheissung wie in einem fremden Land und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheissung. Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist»

Und so ist es mit allen Gläubigen. Sie sehnen sich nach mehr als nach einer heiligen Stadt hier auf der Erde:

Hebräer 11,13 «Diese alle sind gestorben im Glauben und haben die Verheissungen nicht ergriffen, sondern sie nur von ferne gesehen und gegrüsst und haben bekannt, dass sie Gäste und Fremdlinge auf Erden sind»

Abraham und Sarah glaubten der Verheissung. Sie vergassen dabei nicht, dass diese Welt nicht ihr Zuhause war. Sie wussten, dass Gott ihnen ein besseres und bleibendes Zuhause im Himmel vorbereitet hatte.

Hebräer 11,16 «Nun aber streben sie zu einem besseren Land, nämlich dem himmlischen. Darum schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott zu heissen; denn er hat ihnen eine Stadt gebaut»

Von dieser himmlischen Stadt, von dem himmlischen Jerusalem und von der Mutter von uns allen, von dort wo wir geistlich geboren wurden spricht Paulus:

Epheser 1,3 «Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus»

Alle unsere Segnungen und geistlichen Güter kommen vom Himmel. Die Quelle unseres Heils ist nicht von der Erde, sondern aus dem oberen Jerusalem. Wir tragen sogar den Namen dieser Stadt:

Offenbarung 3,12 «Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes, und er soll nicht mehr hinausgehen, und ich will auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalem, das vom Himmel herniederkommt von meinem Gott, und meinen Namen, den neuen»

Johannes wurde diese wahrhaft Heilige Stadt im Himmel einmal gezeigt:

Offenbarung 21,2 «Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann»

Jesus und die Gemeinde, seine Braut, sind das obere Jerusalem. Die Linie, die in die Freiheit der Kinder Gottes führt, zum Heil und zum ewigen Leben, geht über Sarah, Isaak und das obere Jerusalem. Auf dieser Strasse befinden sich ebenfalls Juden und Heiden, alle, die aus Gnade durch Glauben selig werden. Die Kinder der Verheissung, die nach dem verheissenen Isaak kommen, sind so viele wie Sand am Meer und Sterne am Himmel, eine Schar, die niemand zählen kann. Sarah, die Unfähige, hat Kinder ohne Ende, durch alle Zeitalter hindurch, aus allen Ländern, Völkern, Stämmen und Sprachen.

Zum Schluss wollen wir die Gewaltigen Worte aus dem Hebräerbrief lesen:

Hebräer 12,18-24 «Denn ihr seid nicht zu etwas gekommen, das man anrühren konnte und das mit Feuer brannte, nicht zu Dunkelheit und Finsternis und Ungewitter und nicht zum Schall der Posaune und zum Klang der Worte. Die das hörten, baten, dass ihnen kein Wort mehr gesagt würde; denn sie konnten’s nicht ertragen, was da gesagt wurde: »Und auch wenn ein Tier den Berg anrührt, soll es gesteinigt werden. Und so schrecklich war die Erscheinung, dass Mose sprach: »Ich bin erschrocken und zittere. Sondern ihr seid gekommen zu dem Berg Zion und zu der Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, und zu den vielen tausend Engeln und zur Festversammlung und zu der Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel aufgeschrieben sind, und zu Gott, dem Richter über alle, und zu den Geistern der vollendeten Gerechten und zu dem Mittler des neuen Bundes, Jesus, und zu dem Blut der Besprengung, das besser redet als Abels Blut»

Am Ende dieser Predigt hören wir die persönlich formulierte Schlussfolgerung von Apostel Paulus:

Galater 4,28 und 31 Hoffnung für Alle: «Liebe Brüder und Schwestern, ihr verdankt euer Leben wie Isaak der Zusage Gottes. Wir aber, meine lieben Brüder und Schwestern, sind nicht die Kinder der Sklavin, sondern der Freien!»

Im Namen Jesu Christi, Amen!

von Pablo Nauer


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